Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes
Leitsatz (NV)
Sämtliche Fahrten eines Krankenhausarztes zwischen Wohnung und Krankenhaus während des Bereitschaftsdienstes bzw. der Rufbereitschaft sind als steuerlich berücksichtigungsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen; die Aufwendungen für diese Fahrten sind mit den gesetzlichen Kilometerpauschbeträgen zu berechnen, wenn sie mit dem eigenen Kfz durchgeführt wurden (Bestätigung v. BFHE 168, 85, BStBl II 1992, 835).
Zur Frage, ob die Tatsachenfeststellungen des Finanzgerichts in sich widerspruchsfrei sind.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog im Streitjahr 1987 als Assistenzarzt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Er war zu dieser Zeit an einem Krankenhaus angestellt. Die ärztlichen Nacht- und Wochenenddienste hatte er in Form der Rufbereitschaft abzuleisten.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger als Werbungskosten u. a. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Krankenhaus an den Tagen geltend, an denen er zum Rufbereitschaftsdienst eingeteilt war. Er legte eine Bescheinigung des Krankenhauses vor, nach der er an 75 Tagen durchschnittlich viermal ins Krankenhaus gerufen worden war. Die Aufwendungen ermittelte er folgendermaßen: 2 x 4 x 13 km x 75 Tage x 0,42 DM/km = 3276 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte von den geltend gemachten Aufwendungen lediglich einen Betrag von 351,60 DM. Dabei legte er seiner Berechnung statt des Betrages von 0,42 DM/pro gefahrenen Kilometer den von 0,18 DM (bzw. 0,36 DM pro Entfernungskilometer) und statt der beantragten vier Fahrten nur eine Fahrt pro Tag zugrunde. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Die Auffassung des Klägers, daß unter bestimmten Voraussetzungen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit den Kilometersätzen des Abschn. 25 Abs. 7 Nr. 3 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1987 angesetzt werden könnten, falls der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen die Arbeitsstätte zusätzlich außerhalb seiner normalen Arbeitszeit aufsuche, finde im Gesetz keine Grundlage. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf Abschn. 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LStR 1987 berufen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung lägen im Streitfall nicht vor. Die Fahrten eines Arztes im Rahmen des Bereitschaftsdienstes erfolgten nicht - wie in der vorstehenden Regelung der LStR gefordert - außerhalb seiner normalen Arbeitszeit. Der ärztliche Bereitschaftsdienst, auch soweit er in die Abend- und Nachtstunden falle, gehöre zu den Dienstobliegenheiten eines Arztes und damit zu den Aufgaben, die im Rahmen der normalen Arbeitszeit abzuwickeln seien.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Senat hat die im Streitfall zur Entscheidung anstehende Rechtsfrage durch Urteil vom 20. März 1992 VI R 10/91 (BFHE 168, 85, BStBl II 1992, 835) entschieden.
Hiernach sind sämtliche Fahrten eines Krankenhausarztes zwischen Wohnung und Krankenhaus während des Bereitschaftsdienstes und während der Rufbereitschaft als steuerlich berücksichtigungsfähige Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen; die Aufwendungen für diese Fahrten sind mit den gesetzlichen Kilometerpauschbeträgen (0,36 DM pro Entfernungskilometer) zu berechnen, wenn sie mit dem eigenen Kfz durchgeführt wurden. Um Wiederholungen zu vermeiden, nimmt der Senat auf die Gründe des vorerwähnten Urteils Bezug.
2. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das FG hat nicht in sich widerspruchsfrei festgestellt, ob der Kläger während seines Rufbereitschaftsdienstes im Durchschnitt vier Fahrten oder nur eine Fahrt pro Tag unternommen hat. Im Urteilstatbestand ist das FG davon ausgegangen, der Kläger habe in seiner Steuererklärung Aufwendungen für 75 Fahrten im Rahmen der Rufbereitschaft als Werbungskosten geltend gemacht. Wie sich aus den Akten eindeutig ergibt, hat der Kläger jedoch tatsächlich in seiner Steuererklärung und später auch in seiner Klageschrift die Berücksichtigung von Aufwendungen für vier Fahrten an 75 Tagen beantragt. Das FG wird daher neue Feststellungen über die Anzahl der streitbefangenen Fahrten zu treffen und unter Beachtung der Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFHE 168, 85, BStBl II 1992, 835) den Streitfall erneut zu beurteilen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 419047 |
BFH/NV 1993, 531 |