Entscheidungsstichwort (Thema)
DBA; inländische Besteuerung von Arbeitslohneines Besatzungsmitglieds eines unter philippinischerbzw. liberianischer Flagge fahrenden Seeschiffes
Leitsatz (NV)
1. Bezieht ein im Inland ansässiger Steuerpflichtiger von einem inländischen Arbeitgeber Lohn für eine Tätigkeit als Besatzungsmitglied eines unter philippinischer Flagge fahrenden Seeschiffs, so ist der Arbeitslohn im Inland steuerpflichtig.
2. Nimmt ein im Inland Steuerpflichtiger Urlaub im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit auf einem unter liberianischer Flagge fahrenden Seeschiff und verbringt er diesen im Inland, so hält er sich während seines Urlaubs nicht gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-Liberia in Liberia auf.
Normenkette
DBA PHI Art. 15, 24; 2. HStruktG Art. 30
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Inland ansässige Eheleute, die in den Streitjahren 1989 und 1990 zusammenveranlagt wurden. Der Kläger war in den Streitjahren als Kapitän bei der S angestellt. Die S, deren Weisungen der Kläger nach wie vor unterlag, setzte den Kläger auf verschiedenen Seeschiffen ein, die in internationalen Gewässern fuhren. Soweit streitbefangen, handelte es sich dabei um das MS C, das unter liberianischer Flagge fuhr, und um das MS B, das die philippinische Flagge führte.
Auf dem MS C fuhr der Kläger in der Zeit vom 6. Juli bis 7. Dezember 1988. Anschließend, und zwar bis zum 23. Februar 1989, nahm er den für seine Tätigkeit auf diesem Schiff erworbenen Urlaub. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1989 gaben die Kläger in der Anlage N Zeile 18 als "steuerfreien Arbeitslohn für Tätigkeit im Ausland nach Doppelbesteuerungsabkommen Liberia" ... DM an.
Das MS B gehörte inländischen Schiffseignern (u. a. S), die dieses Schiff bareboat an die Reederei A mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in ... auf den Philippinen verchartert hatten. In dem Chartervertrag war vereinbart, daß A über das Schiff unter alleiniger Kontrolle und Einsatzberechtigung verfügen durfte, das Schiff bemannen, verproviantieren, navigieren und betreiben sollte, und daß Kapitän, Offiziere und Mannschaft Erfüllungsgehilfen der A seien. Die A ließ das Schiff in das philippinische bareboat-Charterregister eintragen (sog. Einflaggung) und heuerte die philippinische Mannschaft an. Sie vercharterte ihrerseits die ausgerüsteten und bemannten Seeschiffe auf Zeitcharterbasis an die O-GmbH, Deutschland, die das Schiff an ein japanisches Unternehmen weitervercharterte.
S nahm nur von der dem Kläger für seine Tätigkeit auf dem MS B gezahlten Heuer den Lohnsteuerabzug vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) hielt zunächst nur die vom Kläger für seine Tätigkeit auf dem MS B bezogene Heuer im Inland für steuerpflichtig. Dagegen wandten sich die Kläger im Einspruchsverfahren unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Philippinen) mit der Begründung, daß die Heuer als Vergütung für unselbständige Arbeit an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr in den Philippinen versteuert werden könne.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Während des Klageverfahrens erließ das FA einen Änderungsbescheid für 1989 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), in dem es nunmehr auch die vom Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 23. Februar 1989 bezogene Heuer der inländischen Besteuerung unterwarf. Diesen Bescheid erklärten die Kläger zum Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 928).
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Art. 15 Abs. 3 DBA-Philippinen und beantragen, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Mit Urteil vom 11. Februar 1997 I R 36/96 (BStBl II 1997, 432) hat der Senat für einen gleichliegenden Fall entschieden, daß die von einem inländischen Steuerpflichtigen bezogene und von einem inländischen Arbeitgeber gezahlte Heuer auch dann im Inland steuerpflichtig ist, wenn sie eine Tätigkeit als Besatzungsmitglied auf einem unter philippinischer Flagge fahrenden Seeschiff abgilt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses Urteil Bezug genommen.
2. Auch die steuerliche Erfassung des Urlaubsgeldes, das der Kläger während seines Urlaubs im Streitjahr 1989 für seine Tätigkeit auf dem MS B vom 6. Juli 1988 bis 7. Dezember 1988 bezog, ist rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für den Erlaß des Einkommensteuer-Änderungsbescheides während des Klageverfahrens ist § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Die Tatsache, daß der Kläger sich in der Zeit vom 1. Januar bis 23. Februar 1989 nicht in Liberia aufhielt, wurde dem FA erst während des Klageverfahrens bekannt. Zwar wäre die Änderung zum Nachteil der Kläger ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekanntgewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht ver borgen geblieben wäre. Ein FA verletzt die Ermittlungspflicht nach § 88 AO 1977, wenn es ersichtliche Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen müßten, nicht nachgeht (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. Urteil des Bundes finanzhofs -- BFH -- vom 23. Juni 1993 I R 14/93, BFHE 171, 521, BStBl II 1993, 806, m. w. N.; BFH-Beschluß vom 15. Februar 1995 II B 97/94, BFH/NV 1995, 987, m. w. N.). Derartige Unklarheiten sind jedoch im Streitfall weder dem Vordruck zur Steuererklärung 1989 noch den Anlagen hierzu zu entnehmen. In Anlage N Zeile 18 gaben die Kläger als steuerfreien Arbeitslohn für Tätigkeit in Liberia ... DM an (ebenso handschriftliche Anlage ohne Bezug auf das DBA-Liberia). Die Möglichkeit, daß es sich insoweit um Urlaubsgeld gehandelt haben könnte, drängte sich nicht auf. Das FA brauchte der Steuererklärung und den damit vorgelegten Anlagen auch nicht mit Mißtrauen zu begegnen (vgl. z. B. BFH in BFHE 171, 521, BStBl II 1993, 806, m. w. N.).
b) Das Urlaubsgeld ist im Inland steuerpflichtig.
Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Liberia werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus Liberia ausgenommen, die nach dem Abkommen in Liberia besteuert werden können. Nach Art. 15 DBA-Liberia können Gehälter u. ä., die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Staat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat (hier: Liberia) besteuert werden. Bei einer ausschließlichen Besteuerung im Wohnsitz-Staat verbleibt es aber, wenn der Empfänger sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines Zeitraums von 12 Monaten aufhielt, die Vergütung von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt wurde, der nicht in dem anderen Staat ansässig war und die Vergütung nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen wurde, die der Arbeitgeber in dem anderen Staat hatte. Nach den Feststellungen des FG hielt sich der Kläger auf dem unter liberianischer Flagge fahrenden Schiff in der Zeit vom 6. Juli 1988 bis 7. Dezember 1988 auf. Abgesehen davon, daß das Seeschiff nur dann als Staatsgebiet von Liberia anzusehen ist, wenn es sich auf hoher See befindet (BFH-Urteile vom 5. Oktober 1977 I R 250/75, BFHE 123, 341, BStBl II 1978, 50; vom 12. November 1986 I R 38/83, BFHE 148, 289, BStBl II 1987, 377), könnte sich der Kläger allenfalls 155 Tage in Liberia aufgehalten haben. Die unstreitig nicht in Liberia verbrachte Urlaubszeit vom 8. Dezember 1988 bis 23. Februar 1989 kann diesem Zeitraum nicht hinzugerechnet werden. Der Begriff "aufhalten" setzt physische Anwesenheit voraus (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1996 I R 4/96, BFHE 181, 158, BStBl II 1997, 15; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Aufl., Art. 15 Rdnr. 22). Dementsprechend bezieht auch der Kommentar zum Musterabkommen i. d. F. vom 23. Juli 1992 Urlaubstage, die nicht im Tätigkeitsstaat verbracht werden, nicht mit ein (vgl. Art. 15 Nr. 5 des OECD- Musterabkommens aus 1977 -- OECD- MustAbk --). Unerheblich ist, daß der Kommentar zum OECD-MustAbk insoweit erst nach den Streitjahren und nach Abschluß des DBA-Liberia eine ausdrückliche Regelung hierfür enthält. Wie bereits dem Eingangssatz der Nr. 5 zu entnehmen ist, dienen diese Ausführungen nur der Klarstellung des insoweit unverändert gebliebenen Abkommenstextes.
Die Heuer wurde in den Streitjahren dem Kläger auch von einem im Inland ansässigen Unternehmen (S) gezahlt. S war nach den Feststellungen des FG Arbeitgeber des Klägers. Zwar hat der Senat im Urteil vom 29. Januar 1986 I R 109/85 (BFHE 146, 141, BStBl II 1986, 442, m. w. N.) entschieden, daß Arbeitgeber die rechtlich selbständige Person ist, die die Vergütung für die ihr geleistete nichtselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt. Dieser wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff (vgl. auch Vogel, a. a. O., Art. 15 Rdnr. 30) dient der abkommensrechtlichen Abgrenzung mehrerer in- und ausländischer Unternehmen, die sich der Dienste des Arbeitnehmers bedienen. In diesem Sinne versteht Nr. 8 des Kommentars zu Art. 15 des OECD-MustAbk als "Arbeitgeber" die Person, die ein Recht auf das Arbeitsergebnis hat und die damit zusammenhängenden Verantwortungen und Risiken trägt. Der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff macht daher nicht denjenigen zum Arbeitgeber, auf den die Lohnkosten über dem Preis (hier: Charterraten) letztlich abgewälzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 422190 |
BFH/NV 1997, 666 |