Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff und die Höhe der Dauerschulden richten sich bei Kreditinstituten nach dem Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen und dem Eigenkapital.
Haben sich die maßgeblichen Wertansätze im Laufe des Wirtschaftsjahres verändert, so müssen die hinzuzurechnenden Zinsen geschätzt werden; dabei ist gegebenenfalls ein kürzerer Verzinsungszeitraum zu berücksichtigen. Der Ansicht des RFH im Urteil I 448/39 vom 16. April 1940 (RStBl 1940, 749), daß maßgebender Stichtag für die Berechnung der Dauerschuldzinsen in Gewinnjahren stets der Schlußtag des Bemessungszeitraums sei, wird nicht beigetreten.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1; GewStDV § 19
Tatbestand
Streitig ist die Berechnung der Dauerschulden beim Gewerbeertrag nach § 19 GewStDV. Die Revisionsklägerin (Stpfl.) ist ein Kreditinstitut im Sinne des § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (BGBl I 1961, 881). Auf Grund einer bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung rechnete der Revisionsbeklagte (FA) für das Streitjahr 1957 abweichend von der Erklärung der Stpfl. dem Gewinn Zinsen für Dauerschulden hinzu. Hiergegen macht die Stpfl. geltend, daß nach der Anfangsbilanz des Streitjahres der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligung das Eigenkapital nicht überschritten habe. Erst infolge der im Laufe des Jahres 1957 abgeschlossenen umfangreichen Baumaßnahmen hätten nach der Schlußbilanz 1957 die Ansätze für die genannten Bilanzposten das Eigenkapital überschritten. Es sei von den Werten der Anfangsbilanz auszugehen, wenn sich nach ihnen niedrigere Dauerschulden im Sinne des § 19 GewStDV ergäben.
Abgesehen von einer rechnerischen Richtigstellung durch das FG blieben die Rechtsbehelfe ohne Erfolg. Das FG, dessen Urteil in EFG 1964 S. 385 veröffentlicht ist, geht davon aus, daß in Gewinnjahren die Ansätze, aus denen das Eigenkapital sich errechnen läßt, der Schlußbilanz des Wirtschaftsjahres zu entnehmen sind. Von den Ansätzen der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1957 könne ausgegangen werden, wenn ausreichend berücksichtigt werde, daß sich die entsprechenden Wertansätze erst im Laufe des Jahres 1957 nach und nach ergeben haben, d. h. wenn für den Mehrbetrag der Ansätze in der Schlußbilanz gegenüber den Ansätzen in der Anfangsbilanz nur der hierfür anzusetzenden Zeit entsprechend Zinsen gerechnet werden.
Der Betriebsprüfer habe auf den Betrag von 339.031 DM einen Zinssatz von 3 % angewandt mit dem Zusatz "Dauerschuldzinsen zum durchschnittlichen Zinssatz von rund 3 %" und hiernach den Betrag von 10.170 DM errechnet. Ob der Betriebsprüfer bei dieser Schätzung bewußt der Tatsache Rechnung getragen habe, daß sich bezüglich der Grundstücke die höheren Ansätze der Schlußbilanz erst im Laufe des Jahres 1957 nach und nach ergeben haben, sei den Akten nicht zu entnehmen. Die Kammer habe aber geglaubt, von weiteren Ermittlungen und Erörterungen absehen zu dürfen, da die Beteiligten im einzelnen Einwendungen gegen die Schätzung nicht vorgebracht hätten und anzunehmen sei, daß sich auch bei Beachtung der im vorliegenden Urteil niedergelegten Grundsätze keine änderung zugunsten der Stpfl. ergeben würde.
Mit der als Revision zu behandelnden Rb. begehrt die Stpfl. den jeweiligen Ansatz des Mindestbestandes in jedem Fall eine Berücksichtigung der Tatsache, daß sich bezüglich der Grundstücke die höheren Ansätze der Schlußbilanz erst im Laufe des Jahres 1957 nach und nach ergeben haben. Entgegen der Ansicht des FG habe der Betriebsprüfer dieser Tatsache keine Beachtung geschenkt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Nach § 8 Nr. 1 GewStG sind für die Ermittlung des Gewerbeertrages dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Zinsen für Dauerschulden hinzuzurechnen. Der Begriff der Dauerschulden ist für Kreditinstitute durch § 19 GewStDV besonders geregelt: Bei diesen gelten hereingenommene Gelder, Darlehen und Anleihen nur insoweit als Dauerschulden, als der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke (einschließlich Gebäude) und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet. Für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Dauerschulden zu berücksichtigen sind, ist das Verhältnis des Ansatzes der zum Anlagevermögen gehörigen Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen zum Eigenkapital maßgebend.
In Fällen des § 19 GewStDV ergibt sich also die Dauerschuld aus zwei Komponenten, nämlich den in Betracht kommenden Werten des Anlagevermögens und dem Eigenkapital. Es ist richtig, daß für die Frage, ob und in welchem Masse der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Betriebsgrundstücke und dauernden Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet, die Urteile des RFH I 153/38 vom 31. Mai 1938 (RStBl 1938, 787) und I 448/39 vom 16. April 1940 (RStBl 1940, 749) von der Schlußbilanz des Wirtschaftsjahres ausgegangen sind, dessen Erfolgsrechnung (Handelsbilanz, Steuerbilanz) für den Gewerbeertrag bestimmend ist. Im Falle des Urteils I 448/39, a. a. O., hatte sich im Laufe des Bemessungszeitraums das Eigenkapital erhöht und infolgedessen die zu unterstellende Dauerschuld vermindert. Das Urteil hat mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Entscheidung im Gewinnjahr zu einem dem Steuerpflichtigen günstigen Ergebnis führt. Es ist nicht zu verkennen, daß nach den oben bezeichneten Urteilen des RFH dem Gewinn nicht die zutreffenden Dauerschuldzinsen, sondern aus Vereinfachungsgründen ein Annäherungsbetrag zugerechnet wird. Der vorliegende Fall zeigt aber, daß die Heranziehung der Schlußbilanz auch zu einem dem Steuerpflichtigen ungünstigen Ergebnis führen kann, wenn sich z. B. der Grundstücksbestand im Laufe des Jahres erhöht hat. Es ist der Stpfl. zuzugeben, daß das Streben nach einer Vereinfachung der Steuerberechnung nicht dazu führen darf, daß sich im Einzelfall ein Mehrbetrag an Steuern ergibt. Der Stpfl. kann aber nicht zugestanden werden, daß der RFH stets nur den Mindestbestand an Dauerschulden bzw. Dauerschuldzinsen angesetzt wissen wollte und die Wahl offen ließ, die Anfangs- oder Schlußbilanz für die Vergleichsrechnung heranzuziehen. Die Stpfl. kann keine günstigere Stellung beanspruchen als ihr das Gesetz bzw. die GewStDV zugesteht. Der Mehrbestand des Grundstückskontos über das Kapitalkonto in der Schlußbilanz kann darum nicht unberücksichtigt bleiben. Andererseits hat das FG zutreffend ausgeführt, es müsse ausreichend berücksichtigt werden, daß sich die entsprechenden Wertansätze erst im Laufe des Wirtschaftsjahres ergeben haben. Aus dieser richtigen Erkenntnis hat aber das FG keine Folgerungen gezogen. Es durfte nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht dahingestellt sein lassen, ob der Betriebsprüfer das Anwachsen des Schuldenbestandes berücksichtigt hat. In der Annahme eines Ansatzes von 3 v. H. kann eine derartige Berücksichtigung nicht liegen, da der Betriebsprüfungsbericht von "durchschnittlichem Zinssatz" spricht, womit unverkennbar der gewogene Durchschnitt der Zinsen für hereingenommene Gelder, Darlehen und Anleihen in Anwendung des Abschn. 50 Abs. 1 GewStR gemeint ist; ein kürzerer Verzinsungszeitraum ist aber hierdurch nicht berücksichtigt. Wenn die Beteiligten im Laufe des Verfahrens hierzu keine Ausführungen gemacht haben, so liegt das daran, daß im Rahmen der vorgetragenen Rechtsstandpunkte (Massgeblichkeit der Anfangs- oder Schlußbilanz) hierzu kein Anlaß bestand. Das Urteil der Vorinstanz ist darum aufzuheben.
Da der Stpfl. keine vom Gesetz abweichende ungünstigere Bemessung der Dauerschuldzinsen aufgebürdet werden darf, diese aber auch keinen Anspruch darauf hat, daß ihrem Gewinn weniger Dauerschuldzinsen zugerechnet werden als das Gesetz zuläßt, ist die Höhe der Dauerschuldzinsen nach der Entwicklung des Bestandes an Grundstücken und des Eigenkapitals im Laufe des Jahres zu ermitteln. Da dies in der genauen Höhe weder der Verwaltung noch der Stpfl. zuzumuten ist, ist die Zinshöhe unter Heranziehung der Unterlagen zu schätzen. Wenn die Stpfl. meint, eine solche Schätzung sei nicht praktikabel, so ist ihr entgegenzuhalten, daß sie selbst durch eine graphische Darstellung brauchbare Schätzungsunterlagen geboten hat.
Nach der Zurückverweisung wird das FG die Zinsenhöhe unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen zu schätzen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 412684 |
BStBl III 1967, 732 |
BFHE 1967, 537 |
BFHE 89, 537 |