Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Einfamilienhaus/Zweifamilienhaus
Leitsatz (NV)
Der Artfeststellung Zweifamilienhaus steht nicht entgegen, daß in einem von zwei Wohnbereichen noch die Teppichböden und die Tapeten fehlen.
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 5-6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) haben im Jahr 1974 ein Wohngebäude errichtet und dieses Ende desselben Jahres bezogen. Das Gebäude besteht aus dem Erdgeschoß, das die Räume der Hauptwohnung mit 124 qm Wohnfläche enthält, und dem Untergeschoß, das, begünstigt durch die Hanglage, teilweise als Vollgeschoß ausgebaut ist. Beide Geschosse sind durch ein außen liegendes, separates Treppenhaus, das sowohl im Erd- als auch im Untergeschoß eine Diele umfaßt, miteinander verbunden. Das Gebäude kann sowohl im Erdgeschoß als auch im Untergeschoß von außen betreten werden, wobei man zunächst in die dortigen Dielenräume gelangt. Im Untergeschoß befindet sich neben mehreren Nebenräumen noch eine weitere Raumeinheit, die ausweislich eines nach dem Bezug des Gebäudes angefertigten Bauplans ein Wohnzimmer, Schlafzimmer sowie einen Flur, eine Küche und ein eingerichtetes Bad mit WC enthält. Diese Raumeinheit mit einer Gesamtfläche von 75 qm ist durch eine Wand von den übrigen Kellerräumen getrennt und ebenso wie diese durch eine Tür zur Kellerdiele des Treppenhauses hin abgeschlossen.
Aufgrund einer Ortsbesichtigung im April 1978 stellte der Beklagte und Revionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) fest, daß in allen Räumen, außer dem Badezimmer, die Fußböden nur mit einem Heißasphaltbelag versehen und die Wände lediglich verputzt und getüncht waren. Das gesamte Gebäude wurde zum Stichtag von der Familie der Kläger bewohnt. Die Räume im Untergeschoß, die nach Ansicht der Kläger eine zweite eigenständige Wohnung darstellen, wurden als Abstellräume genutzt.
Das FA bewertete das Wohngrundstück der Kläger auf den 1. Januar 1975 als Einfamilienhaus.
Das Einspruchsverfahren und die Klage, mit denen die Kläger die Bewertung des Grundstücks als Zweifamilienhaus begehrten, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Die Räume im Untergeschoß seien deshalb nicht als Wohnung i. S. von § 75 Abs. 5 und 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu betrachten, da sie zum Stichtag noch nicht bezugsfertig gewesen seien. Nach der Verkehrsauffassung sei es nicht zumutbar, Räume zu benutzen, solange die Tapeten und die Fußbodenbeläge noch fehlten. Es reiche nicht aus, daß die Teppichbodenbeläge zwar vorhanden, aber nicht ausgelegt gewesen seien. Auch aus dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung und der tatsächlichen Nutzung sei nicht von einer zweiten Wohnung auszugehen, da die Kläger das gesamte Gebäude allein bewohnt und die fraglichen Räume im Untergeschoß als Abstellräume genutzt hätten.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 75 BewG. Die Räume im Untergeschoß seien bereits im Dezember 1974 bezugsfertig gewesen, so daß sie als zweite Wohnung anzusehen seien. Beide Wohnbereiche seien eindeutig voneinander abgegrenzt, so daß es auf die Ausstattung - z. B. mit einer Küche - nicht entscheidend ankomme.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Wohngrundstück der Kläger enthält am Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1975 zwei bezugsfertige Wohnungen und ist deshalb als Zweifamilienhaus zu bewerten.
1. Entgegen der Ansicht des FG ist der Senat der Auffassung, daß sämtliche Räume der Kläger zum Feststellungszeitpunkt bereits bezugsfertig waren. Er geht dabei davon aus, daß die vom FG festgestellte bauliche Gestaltung bereits am 1. Januar 1975 vorhanden war.
Gebäude sind dann als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend (§ 72 Abs. 1 Satz 3 BewG). Die Frage der Bezugsfertigkeit ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152). Ein Haus oder eine Wohnung sind dann als bezugsfertig anzusehen, wenn die wesentlichen Bauarbeiten ausgeführt sind und nur noch unerhebliche Restarbeiten verbleiben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn, wie im Streitfall, die Fußböden so weit vorbereitet sind, daß lediglich noch die bereits entsprechend zugeschnittenen Teppichböden auszulegen und die Wände zu tapezieren sind. Solche Arbeiten werden vielfach erst unmittelbar vor dem Einzug vorgenommen, und zwar insbesondere mit Rücksicht auf die Wohnvorstellungen des Mieters.
2. a) Nach § 75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Ein-und Zweifamilienhaus entscheidend, ob eine oder zwei Wohnungen in dem betreffenden Wohngrundstück enthalten sind. Zum Wohnungsbegriff i. S. von § 75 Abs. 5 und 6 BewG hat der Senat zuletzt in seinen Entscheidungen vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) und vom 8. Februar 1985 III R 62/84 (BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319) Stellung genommen. Nach diesen Urteilen ist - jedenfalls für Stichtage ab 1. Januar 1974 - für die Annahme einer Wohnung u.a. wesentlich, daß die Zusammenfassung von mehreren Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet. Es muß ein eigener Zugang vorhanden sein. Die Grundstücksart Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten diese Voraussetzungen erfüllen. Nicht erforderlich ist hingegen, daß in den betreffenden Räumen tatsächlich ein Haushalt geführt wird.
b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß das Wohngrundstück der Kläger zu dem hier streitigen Feststellungszeitpunkt zwei Wohnungen enthält. Der Wohnbereich im Untergeschoß ist sowohl von den dortigen sonstigen Nebenräumen wie auch von den Räumen der Wohnung im Erdgeschoß eindeutig baulich getrennt und in sich abgeschlossen. Beide Wohneinheiten befinden sich auf verschiedenen Stockwerken und sind jeweils durch eine Tür vom Treppenhaus abgeschlossen. Die Wohneinheit im Untergeschoß ist auch von den dortigen Nebenräumen durch eine Wand baulich getrennt, so daß eine Beeinträchtigung dieses Bereiches ausgeschlossen ist. Für beide Wohneinheiten ist jeweils ein eigener Zugang vorhanden. Dem steht nicht entgegen, daß die Diele im Untergeschoß sowohl den Zugang zu den dortigen Nebenräumen als auch zu der Wohneinheit eröffnet. Das gesamte Treppenhaus, das auch die Dielen im Erd- und im Untergeschoß mitumfaßt, ist baulich sowohl von beiden Wohneinheiten als auch von den sonstigen Nebenräumen im Untergeschoß getrennt. Nach seiner baulichen Lage und Funktion dient es lediglich als Zugang zu den einzelnen Wohnungen und Nebenräumen.
Fundstellen
Haufe-Index 414067 |
BFH/NV 1986, 325 |