Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
In den Gebieten der früheren amerikanischen Zone ist ein Apothekenrealrecht auf den 1. Januar 1957 nicht als Gewerbeberechtigung zu bewerten.
Normenkette
BewG §§ 21, 100, 58; BewDV § 50; BewG § 66/2
Tatbestand
Die Bgin. ist Eigentümerin einer Apotheke in der früheren amerikanischen Besatzungszone.
Der Einheitswert des Apothekenrealrechts - Gewerbeberechtigung - betrug zum 1. Januar 1946 x RM und wurde zum 1. Januar 1950 auf 0 DM unter Hinweis auf Abschn. 33 Abs. 11 VStR 1949 fortgeschrieben. Auf den 1. Januar 1957 setzte das Finanzamt durch Bescheid vom 29. März 1960 als alleinigen Wert des Betriebsvermögens an: Gewerbeberechtigung Apothekenrecht und vermerkte, der Einheitswert sei mit 1/3 des Einheitswerts vom 1. Januar 1949 angesetzt worden.
Gegen diesen Bescheid legte die Bgin. Einspruch ein, der sich gegen jede Bewertung des Realrechtes wendete. Sie führte dann im Berufungsverfahren weiter aus, die Gewerbefreiheit in der amerikanischen Zone habe für Apotheker zur Niederlassungsfreiheit geführt. Es finde keine Bedürfnisprüfung statt. Gegenüber der höchstrichterlichen Rechtsprechung komme dem Gesetz über die vorläufige Regelung der Betriebserlaubnis für Apotheken vom 11. November 1957 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1957 S. 134) keine Bedeutung zu. Kaufpreise für Apothekenrechte seien in den Jahren 1956/57 unwahrscheinlich. Es könnte sich dabei unabhängig von der Bezeichnung nur um Zahlungen für einen Firmenwert, nicht aber für eine Gewerbeberechtigung im Sinne des § 58 BewG handeln. Insoweit bestehe bei der Veräußerung eines Apothekenbetriebes kein Unterschied zu sonstigen Gewerbebetrieben.
Das Finanzamt (Steuerausschuß) wies den Einspruch, den es als gegen die Feststellung eines Einheitswerts für die Gewerbeberechtigung Apothekenrecht gerichtet ansah, als unbegründet zurück. Es wurde ausgeführt, § 3 Ziff. 2 des Gesetzes für Baden-Württemberg über die vorläufige Regelung der Betriebserlaubnis für Apotheken vom 11. November 1957 (a. a. O.) schränke die Erlaubniserteilung ein, wenn die erstrebte Apotheke nicht leistungsfähig genug sein würde. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts I C 221.54 vom 22. November 1956 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 4 S. 167) und des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 377) zu Art. 12 des Grundgesetzes (GG) und zur Frage der Niederlassungsfreiheit der Apotheker hätten den Verkaufswert der Apothekenrechte nur gemindert, aber nicht beseitigt. Die sinkende Preisentwicklung sei mit 2/3 des DM-Eröffnungsbilanzwertes vom 1. Januar 1957 zum Stillstand gekommen (Hinweis auf den Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 19. Mai 1959, veröffentlicht in der Einkommensteuer-Kartei der Oberfinanzdirektion Stuttgart, § 6 Karte 1 Ziff. 14).
Auf die Berufung hob das Finanzgericht den Einheitswert für das Apothekenrealrecht auf den 1. Januar 1957 ersatzlos auf. Gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 (a. a. O.) gelte verfassungsrechtlich auf dem Gebiete des Apothekenwesens Niederlassungsfreiheit. Es sei also ohne Bedeutung, ob der Apothekeninhaber ein Realrecht habe oder nicht. Für einen etwaigen Firmenwert könne kein Einheitswert festgestellt werden. Das baden-württembergische Gesetz vom 11. November 1957 sei nach Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr angewendet worden.
Der Vorsteher des Finanzamts hebt mit der Rb. den damals noch bestehenden wirtschaftlichen Wert des Apothekenrealrechts hervor.
Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung hat das Finanzamt den Einheitswert des Betriebsvermögens unter Ansatz der Gewerbeberechtigung (Apothekenrecht) mit 0 DM zum 1. Januar 1960 unter Bezugnahme auf Abschn. 23 Abs. 1 VStR 1960 auf 0 DM fortgeschrieben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Zunächst ist zu prüfen, wogegen sich das Rechtsmittelverfahren richtet, ob gegen die Wertfortschreibung des Einheitswerts der Gewerbeberechtigung (Apothekenrecht) als solche oder gegen die des Einheitswerts des Betriebsvermögens oder gegen beides. Formell erging der Bescheid vom 29. März 1960 als Wertfortschreibungsbescheid des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1957, der aber inhaltlich und nach der Berechnung des Betriebsvermögens nur die Gewerbeberechtigung Apothekenrecht enthielt. Es gibt gegenüber der Bgin. (Verpächterin) keinen zeitlich vorangegangenen Einheitswertbescheid betreffend Betriebsvermögen, sondern nur Einheitswertbescheide betreffend Apothekenrecht als Gewerbeberechtigung. Für eine Wertfortschreibung käme also nur die Gewerbeberechtigung in Frage. Da sich der Einspruch lediglich gegen die Bewertung des Apothekenrechts als Gewerbeberechtigung richtete und die Einspruchsentscheidung laut Rubrum ebenfalls den Einspruch als gegen die Gewerbeberechtigung gerichtet behandelte, gingen Finanzamt und Bgin. offensichtlich von einer Rechtsmitteleinlegung gegen die Wertfortschreibung des Einheitswerts betreffend Gewerbeberechtigung aus. Das gleiche gilt vom Rubrum und vom Tenor des Urteils des Finanzgerichts.
Für jede Gewerbeberechtigung ist der Einheitswert gesondert festzustellen bzw. fortzuschreiben (§§ 21 Abs. 1 Ziff. 1, 22 BewG, § 50 BewDV, § 214 Ziff. 1 und 2 AO, sämtlich in den für den Stichtag gültigen Fassungen). Der Einheitswert über die Gewerbeberechtigung ist selbständig anfechtbar, auch wenn er mit dem Einheitswert über das Betriebsvermögen in einem Bescheid vereinigt ist (vgl. Krekeler, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 6. Aufl., § 58 Anm. V S. 414, 415). Somit wäre in jedem Fall ein Rechtsmittel gegen die Wertfortschreibung der Gewerbeberechtigung, so wie es Finanzamt und Bgin. übereinstimmend auffaßten, zulässig. Darüber hinaus ist aber im vorliegenden Falle aus dem Gesamtbild zu folgern, daß mit dem Bescheid vom 29. März 1960 überhaupt nur eine Wertfortschreibung der Gewerbeberechtigung erfolgt ist.
Diese Wertfortschreibung der Gewerbeberechtigung hat das Finanzgericht zutreffend ersatzlos aufgehoben. Es handelt sich um ein Apothekenrecht in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone. Nach den vorangegangenen Ausführungen steht dieses Recht als Gewerbeberechtigung und nicht ein etwaiger Firmenwert, der Bestandteil des Betriebsvermögens sein könnte, zur rechtlichen Erörterung.
Der Senat hat in den Urteilen III 400/60 S und III 24/61 U, beide vom 19. Oktober 1964 (BStBl 1965 III S. 3 und 6), das Vorhandensein eines Einheitswerts für ein Apothekenrealrecht u. a. auch für den 1. Januar 1957 bejaht. Dort handelte es sich jedoch um ein solches Recht in der ehemaligen britischen Zone, während hier ein Apothekenrealrecht der früheren amerikanischen Zone zur Erörterung steht. Nach den "Gesetzlichen Vorschriften der Amerikanischen Militärregierung in Deutschland" vom 1. Juni 1946, Vorwort, bedeutet der Begriff "Amerikanische Zone" das Gebiet der Länder Großhessen, Württemberg-Baden und Bayern, nicht aber die Enklave von Bremen-Bremerhaven oder den amerikanischen Sektor von Berlin. Wegen der anderen Sach- und Rechtslage in der ehemaligen amerikanischen Zone können die Gründe der obengenannten Urteile des Bundesfinanzhofs nicht für den vorliegenden Fall übernommen werden. Denn in der damaligen amerikanischen Zone war durch die Einführung der Gewerbefreiheit für Apotheken im Januar 1949 (Direktive vom Office of Military, Government for Bavaria Munich Germany an den Ministerpräsidenten von Bayern vom 18. Dezember 1948 und Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft vom 20. Januar 1949 über Gewerbefreiheit, Gesetze der Militärregierung - amerikanische Zone - Sammlung C. F. Müller, Fa 6a/1; vgl. auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 211/57 U vom 6. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 167, Slg. Bd. 68 S. 436) die Niederlassungsfreiheit rechtlich und tatsächlich statuiert worden, während im sonstigen Bundesgebiet die Niederlassungsfreiheit für Apotheker auf Grund des Art. 12 GG erst infolge der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 1956 und des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 erkennbar und durchsetzbar wurde. Daraus hat die Bundesregierung bereits in Abschn. 33 Abs. 11 VStR 1949 die Folgerung gezogen, daß bewertungsrechtlich in der amerikanischen Zone - im Gegensatz zum sonstigen Bundesgebiet - "der Einheitswert des Apothekenrechtes in dieser Zone auf den 1. Januar 1950 auf 0 DM fortzuschreiben" ist und es ausdrücklich nach Abschn. 27 Abs. 7 VSTR 1953 in der amerikanischen Zone auf den 1. Januar 1953 oder einen späteren Zeitpunkt bei dieser Regelung belassen (wiederum im Gegensatz zur britischen und französischen Zone und Berlin-West). In Abschn. 10 der Vermögensteuer-Ergänzungsrichtlinien (VStER) 1957 blieb die Behandlung der Apothekenrechte innerhalb des am 1. Januar 1957 beginnenden Vermögensteuer-Hauptveranlagungszeitraumes einer besonderen Regelung vorbehalten. Damit dürften jedoch nach der Fassung der VStR 1949, 1953 und 1957 sowie der Gesamtentwicklung des Wertes der Apothekengerechtigkeiten nur die Apothekenrechte der früheren britischen und französischen Zone gemeint sein, auch wenn z. B. die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 9. Juni 1959 (Amtsblatt des B. Staatsministeriums der Finanzen 1959 S. 872) eine abweichende Auffassung vertritt. Für die damalige amerikanische Zone trat durch die Verkündung der Gewerbefreiheit für Apotheker bereits in den Jahren 1948/1949 dieselbe Rechts- und Sachlage ein, die im übrigen Bundesgebiet erst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit und damit hinsichtlich des Wertes der Apothekengerechtigkeiten herbeigeführt wurde. Die Regelung gemäß Abschn. 10 VStER 1957 erfolgte dann durch einzelne übereinstimmende Ministerialerlasse der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen (s. z. B. Erlaß der Finanzbehörde Hamburg vom 9. Juni 1959, Finanz-Rundschau 1959 S. 388). Abschn. 23 Abs. 1 VStR 1960 hat offensichtlich abschließend für das gesamte Bundesgebiet den Nichtansatz eines Wertes für Apothekenrechte und die Wertfortschreibung noch bestehender Einheitswerte zum 1. Januar 1960 auf 0 DM angeordnet. Betrachtet man diese Gesamtentwicklung, dann kann die Regelung in den VStER 1957 mit den Ländererlassen 1959 nur den Zweck gehabt haben, in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und insbesondere des Bundesverfassungsgerichts die noch bestehende Apothekenrechte harmonisch mit einem Zwischenwerte dem späteren Nullwerte zuzuführen (so in der früheren britischen und französischen Zone und Berlin), nicht aber in der früheren amerikanischen Zone dieses bereits verwaltungsmäßig und tatsächlich erreichte Ergebnis wieder vorübergehend aufzuheben. Das obengenannten baden- württembergische Apothekengesetz vom 11. November 1957 mit seiner nur vorübergehenden Gültigkeit kann schon deshalb nicht zum Wiederaufleben eines Wertes des Apothekenrechts zum 1. Januar 1957 herangezogen werden, da es erst nach diesem Stichtage erging und vorher die Finanzverwaltung selbst die Wertlosigkeit des Rechtes feststellte. Der Erlaß des Finanzministers Baden-Württemberg vom 19. Mai 1959, auf den in der Einspruchsentscheidung Bezug genommen ist, ist eine Verwaltungsanordnung und reicht als Grundlage für eine erhöhende Wertfortschreibung nicht aus. Er behandelt zudem nur die einkommensteuerliche Teilwertabschreibung. Die Wertfortschreibung auf 0 DM auf Grund der VStR 1949 entsprach den Bewertungsrichtlinien, denen nach ständiger Rechtsprechung beachtliche Bedeutung zukommt und die der Senat für zutreffend hält. Da seitdem nicht nur für die frühere amerikanische Zone, sondern für das gesamte Bundesgebiet die Tendenz auf die Bewertung mit 0 DM bzw. auf Aufhebung der Apothekenrechte als Gewerbeberechtigung hinzielte und schließlich in Abschn. 23 VStR 1960 und der änderung des § 58 BewG durch das Gesetz zur änderung des Bewertungsgesetzes vom 10. August 1963 (BGBl 1963 I S. 676) ihren Abschluß fand, besteht kein Grund, hier das bereits vom Finanzamt selbst auf 0 DM abgewertete Apothekenrecht zum 1. Januar 1957 mit 1/3 des Einheitswerts 1949 wieder aufzuwerten. Nicht unerwähnt darf dabei bleiben, daß das Finanzamt während des Rechtsmittelverfahrens das Apothekenrealrecht der Bgin. zum 1. Januar 1960 auf 0 DM fortgeschrieben hat.
Die Frage eines etwaigen Firmenwertes (vgl. dazu insbesondere für verpachtete Betriebe das Urteil des Bundesfinanzhofs III 65/62 U vom 27. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 436, Slg. Bd. 75 S. 460) ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu erörtern.
Fundstellen
Haufe-Index 411403 |
BStBl III 1965, 7 |
BFHE 1965, 16 |
BFHE 81, 16 |