Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
In Berlin-West ist ein Apothekenrecht, das auf einer persönlichen, preußischen, vor dem 30. Juni 1894 vergebenen Konzession mit Präsentationsrecht beruht, auf den 1. Januar 1957 als Gewerbeberechtigung zu bewerten.
Normenkette
BewG §§ 21, 100, 58, 66/2; BewDV § 50
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung des Einheitswertes für eine Apothekengerechtigkeit als Gewerbeberechtigung auf den 1. Januar 1957.
Der Bg. ist Eigentümer einer Apotheke in Berlin (West), die er im Jahre 1941 erwarb. Es handelt sich um eine persönliche, preußische, vor dem 30. Juni 1894 vergebene Konzession mit Präsentationsrecht (vgl. dazu preußische Kabinettsorder vom 30. Juni 1894, Ministerial-Blatt für die gesamte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten 1894 S. 119; siehe dazu § 31 Abs. 1, III Nr. 45 des Gesetzes über das Apothekenwesen vom 20. August 1960). Der Einheitswert für das Apothekenrecht (Gewerbeberechtigung) wurde dem Bg. im Rahmen der Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebes zugerechnet. Er betrug zum 1. April 1949 133.000 DM. Zum 1. Januar 1957 schrieb das Finanzamt diesen Wert durch Bescheid vom 14. Mai 1960 auf 44.000 DM mit folgender Begründung fort: "Im Hinblick auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 1956 und des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 über die Niederlassungsfreiheit der Apotheken wird der gemeine Wert gem. § Abs. 4 i. Vbdg. mit § 10 BewG für das Apothekenrealrecht nur noch mit einem Drittel des Einheitswertes per 1. April 1949 ... angenommen."
Gegen den Bescheid legte der Bg. Einspruch ein und begehrte Bewertung der Apothekengerechtigkeit mit 0 DM. Der Einspruch blieb ohne Erfolg; das formell noch bestehende Apothekenrecht sei mit dem anteilig darin enthaltenen Firmenwert angemessen bewertet worden.
Mit der Berufung wendete sich der Bg. gegen das Vorhandensein eines Firmenwertes und, sofern ein solcher zu bejahen wäre, gegen dessen Bewertung durch einen besonders festgestellten Einheitswert für die Apothekengerechtigkeit. Er beantragte ersatzlose Aufhebung des Einheitswertes zum 1. Januar 1957.
Das Verwaltungsgericht gab dem Antrage statt und führte dazu aus: Das Apothekenbetriebsrecht habe am 1. Januar 1957 kein gesondert bewertbares Wirtschaftsgut dargestellt. Das hier in Frage stehende, im ehemaligen preußischen Gebiet vor dem 30. Juni 1894 verliehene Apothekenbetriebsrecht mit Präsentationsrecht sei früher wie ein dem Eigentümer ähnliches absolutes Recht angesehen worden. Solange neue Apotheken nur nach Prüfung der Bedürfnisfrage hätten errichtet werden dürfen (so noch die Richtlinien über die Verleihung von Apothekenbetriebsrechten - Personalkonzessionen - vom 30. November 1952, Amtsblatt für Berlin 1952 S. 1013), habe der Erwerb eines veräußerlichen Apothekenbetriebsrechts einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung bedeutet und ein jederzeit verwertbares Recht dargestellt. Ausdrücklich aufgehoben sei dieser Rechtszustand erst durch § 31 des Gesetzes über das Apothekenwesen vom 20. August 1960, der aber vielleicht auch nur deklaratorische Bedeutung gehabt habe, wenn nämlich die alten Vorschriften bereits wegen ihres Widerspruchs zu Art. 12 des Grundgesetzes (GG) rechtsungültig geworden sein sollten. Nach Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts I C 221.54 vom 22. November 1956 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 4 S. 167), das dann durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 377) bestätigt worden sei, hätten die Apothekenbetriebsrechte im Wirtschaftsverkehr mit mehr als geldwerte absolute Rechte angesehen werden können. Zum 1. Januar 1957 habe kein approbierter Apotheker mit Niederlassungsabsicht Veranlassung gehabt, für den Erwerb des Apothekenbetriebsrechts einer vor dem Jahre 1894 konzessionierten Apotheke ein Entgelt zu zahlen. Der Zeitpunkt des Erlasses der "Vorläufigen Richtlinien über die Erteilung von Apothekenbetriebsrechten" vom 1. April 1957 (Amtsblatt für Berlin 1957 S. 416) sei nur die Folge einer bereits bestehenden Rechtslage gewesen. Die damals noch mögliche übertragung des Apothekenbetriebsrechts auf den Erwerber unter Ersparung eines Zulassungsverfahrens stelle keinen wirtschaftlichen Wert und insbesondere keine bewertungsfähige Untereinheit im Sinne des § 214 der Reichsabgabenordnung (AO) - alter Fassung - dar. Ein Firmenwert komme für eine gesonderte Feststellung einer Gewerbeberechtigung nicht in Frage. Da mit einem Wiederaufleben der Apothekenbetriebsrechte nicht mehr gerechnet werden könne, erfolge ersatzlose Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des zugrunde liegenden Bescheides vom 14. Mai 1960.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts Verletzung des Stichtagsprinzips. Bis zum Ergehen der oben genannten Richtlinien vom 1. April 1957 seien neue Apotheken in Berlin (West) nur auf der Grundlage von Personalkonzessionen unter Berücksichtigung der Bedürfnisprüfung zugelassen worden. Infolgedessen hätte die hier in Frage stehende Realkonzession am Stichtage noch einen erheblichen Verkehrswert gehabt.
Die ersatzlose Aufhebung des Fortschreibungsbescheides vom 14. Mai 1960 sei insoweit unrichtig und in ihrer Auswirkung wohl nicht im Sinne der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, als nunmehr bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1957 der vorangegangene Einheitswert des Apothekenbetriebsrechts anzusetzen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Gegenstand des Rechtsstreites ist der Einheitswert des Apothekenbetriebsrechts (Apothekengerechtigkeit), nicht aber etwa ein beim Einheitswert des Betriebsvermögens zu erfassender Geschäftswert. Nach § 21 Abs. 1 und § 58 BewG alter Fassung ist für eine Gewerbeberechtigung ein Einheitswert festzustellen. Als Beispiel einer Gewerbeberechtigung ist in der damals gültigen Fassung des § 58 BewG die Apothekengerechtigkeit angeführt.
Der erkennende Senat hat zur Frage der Bewertung von Apothekengerechtigkeiten für die Zeit seit dem Jahre 1949 (Anordnung der Gewerbefreiheit für Apotheker in der früheren amerikanischen Zone und das Inkrafttreten des Art. 12 GG mit dem Grundsatz der Gewerbefreiheit für das gesamte Bundesgebiet) in den Urteilen III 400/60 S, III 24/61 U, III 344/60 U und III 260/61 U, die sämtlich am 19. Oktober 1964 ergingen und die im BStBl 1965 III S. 3, 6, 2 und 7 abgedruckt sind, Stellung genommen. Dabei betreffen die beiden ersten Urteile das Land Niedersachsen (frühere britische Zone) mit den Bewertungsstichtagen 1. Januar 1953, 1954 und 1957, das dritte Urteil das Land Rheinland-Pfalz (frühere französische Zone) mit dem Bewertungsstichtag 1. Januar 1955 und das vierte Urteil die frühere amerikanische Zone mit dem Bewertungsstichtag 1. Januar 1957. In den genannten Urteilen, auf die Bezug genommen wird, hat der Senat unterschieden, ob es sich um Apothekengerechtigkeiten in der früheren amerikanischen Zone oder in den anderen Gebieten der Bundesrepublik handelt. Denn in der früheren amerikanischen Zone war durch die Einführung der Gewerbefreiheit für Apotheker Ende 1948 / Anfang 1949 die Niederlassungsfreiheit tatsächlich und rechtlich statuiert worden, während im sonstigen Bundesgebiet die Niederlassungsfreiheit für Apotheker auf Grund des Art. 12 GG erst infolge der oben genannten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 1956 und insbesondere des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 mit seiner anschließenden Nichtigkeitserklärung einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung im Bundesgesetzblatt 1958 I S. 423 erkennbar und durchsetzbar wurde. Hier handelt es sich um eine Apotheke in Berlin (West), die unabhängig von den internen Sektorengrenzen insoweit nicht zur amerikanischen Zone gehörte (Hinweis auf die "Gesetzlichen Vorschriften der Amerikanischen Militärregierung in Deutschland" vom 1. Juni 1946 - Vorwort) und daher nicht durch die dort angeordnete Gewerbefreiheit betroffen wurde. Es greifen somit die Grundsätze Platz, die der Senat für die Bewertung der Apothekengerechtigkeiten in den früheren nichtamerikanischen Zonen aufgestellt hat. In diesen Gebieten sind zum 1. Januar 1957 Apothekenrealrechte und persönliche Apothekenrechte, die veräußerlich und vererblich sind, und zu denen die preußische Konzession mit Präsentationsrecht zählt, als Gewerbeberechtigung zu bewerten (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 24/61 U). Der Unterschied, daß es sich dort um ein Apothekenrealrecht handelte, während hier eine preußische Personalkonzession mit Präsentationsrecht in Frage steht, führt zu keiner unterschiedlichen Beurteilung. Diesen grundsätzlichen Standpunkt vertrat bereits der Reichsfinanzhof in den Urteilen VI A 172/25 vom 19. Dezember 1925 (RStBl 1926 S. 123) und I A 330/28 vom 28. September 1928 (RStBl 1929 S. 130). Es wird insoweit auch auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 372/60 S vom 26. September 1963 (BStBl 1963 III S. 565, Slg. Bd. 77 S. 669) und auf Abschn. 33 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1949 sowie Abschn. 27 VStR 1953 verwiesen. Man bezeichnet die hier in Frage stehende preußische Personalkonzession als Realkonzession (vgl. Hoffmann, Gesetz über das Apothekenwesen, § 26 Anm. I). Sie unterliegt derselben rechtlichen Beurteilung wie die bayerische Personalkonzession mit den Bewilligungsbedingungen und dem Witwen- Privileg nach §§ 11 ff. der bayerischen Verordnung über das Apothekenwesen vom 27. Juni 1913 (vgl. das oben genannte Urteil des Bundesfinanzhofs III 344/60 U), sofern letztere Berechtigung nicht als in der früheren amerikanischen Besatzungszone belegen durch die dort statuierte Gewerbefreiheit für Apotheker ihren Wert bereits zum 1. Januar 1950 verloren hatte. Das ist aber beim streitigen Einheitswert der in Berlin belegenen Apotheke für den Stichtag 1. Januar 1957 nicht der Fall. Ob die Gewerbeberechtigung erst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts oder in Berlin bereits durch die vorläufigen Richtlinien über die Erteilung von Apothekenrechten vom 1. April 1957 mit dem Verbot von nicht personengebundenen Zulassungsvoraussetzungen endgültig ihren Wert verlor, kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben. Somit hat das Finanzamt mit Recht die Apothekengerechtigkeit des Bg. zum 1. Januar 1957 als Gewerbeberechtigung bewertet.
Gewerbeberechtigungen sind nach § 58 Abs. 4 BewG alter Fassung mit dem gemeinen Wert (§ 10 BewG) zu bewerten. Die betragsmäßige Bewertung zum 1. Januar 1957 mit 1/3 des Einheitswertes von 1949 entspricht der allgemeinen verwaltungsmäßigen Regelung, die eine Kompromißlösung auf Grund von Vereinbarungen der Finanzverwaltungen mit den zuständigen Apothekerberufsvertretungen darstellt. Der Senat hat in dem oben genannten Urteil III 24/61 U ausgeführt, daß auch er eine solche pauschale Bewertung nicht beanstandet. Die Beteiligten haben ebenfalls zu dieser Frage keine abweichende Stellungnahme geltend gemacht.
Unter Aufhebung der Vorentscheidung wird somit die Berufung als unbegründet zurückgewiesen, wenn auch im einzelnen nicht aus den in der Einspruchsentscheidung angeführten Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 411448 |
BStBl III 1965, 66 |
BFHE 1965, 184 |
BFHE 81, 184 |