Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Eheleuten, die beide Arbeitnehmer sind, und deren zu versteuerndes Einkommen 16.000 DM übersteigt, kommt - falls sie Zusammenveranlagung wählen - ein Abzug nach § 46 Abs. 3 und 5 EStG 1958 (ß 70 EStDV 1958) nur in Betracht, wenn ihre zusammengefaßten nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte die Voraussetzungen erfüllen. Übersteigen Verluste des einen Ehegatten die nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte des anderen Ehegatten, so sind keine Einkünfte vorhanden, die die Grundlage für den Abzug bilden könnten.
EStG 1958 § 46 Abs. 3 und 5; EStDV 1958 § 70.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 3, 5; EStDV § 70
Tatbestand
Streitig ist die Auslegung des § 46 Absätze 3 und 5 EStG 1958 sowie des § 70 EStDV 1958 bei zusammen veranlagten Eheleuten, die beide Arbeitnehmer sind. Der beschwerdeführende Ehemann hatte im Jahre 1958 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 15.840 DM und aus selbständiger Arbeit von 600 DM. Die Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit betrugen 6.831 DM; aus Vermietung und Verpachtung hatte sie einen Verlust von 1.143 DM. Im Jahre 1959 betrugen die der Lohnsteuer unterliegenden Einkünfte der Eheleute 22.367 DM, die Einkünfte des Ehemanns aus selbständiger Arbeit zusammen 1.000 DM und der Verlust der Ehefrau aus Vermietung und Verpachtung 1.226 DM. Die Bf. beantragten Zusammenveranlagung und begehrten dabei für beide Jahre Abzüge nach § 46 Abs. 3 bzw. 5 EStG 1958 (ß 70 EStDV 1958) für die Einkünfte des Ehemanns aus selbständiger Arbeit. Das Finanzamt lehnte den beantragten Abzug ab.
Der Einspruch und die Berufung hiergegen hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte in seinen für die beiden Streitjahre getrennten Entscheidungen, von denen die für 1958 in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 382 veröffentlicht wurde, aus: Die Bf. seien nach § 46 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a und auch nach Ziff. 5 Buchst. b EStG 1958 zu veranlagen. Die Voraussetzungen für die beantragte Anwendung des § 46 Abs. 3 und 5 EStG 1958 (ß 70 EStDV 1958) lägen nicht vor. Da nach dieser Vorschrift ein Abzug nur in Betracht komme, wenn die nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte "insgesamt" nicht mehr als 800 DM bzw. 1.600 DM betragen hätten, seien alle nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte der Bf., also auch Verluste, zusammenzufassen. Dabei sei es ohne Bedeutung, welcher der Ehegatten die nicht lohnsteuerpflichtigen positiven und welcher die negativen Einkünfte erzielt habe. Da im Jahre 1958 den nicht dem Lohnsteuerabzug unterlegenen Einkünften von 600 DM ein Verlust von 1.143 DM und im Jahre 1959 den Einkünften aus selbständiger Arbeit von 1.000 DM ein Verlust von 1.226 DM gegenüberstehe, ergebe sich bei der Zusammenfassung für 1958 insgesamt ein Verlust von 543 DM und für 1959 ein solcher von 226 DM. Ein nach § 46 Abs. 3, 5 EStG 1958 (ß 70 EStDV 1958) abzugsfähiger Betrag sei daher nicht vorhanden.
Die Bf. wiederholen mit ihrer Rb. den Antrag auf Abzug von je 600 DM in jedem der Streitjahre nach § 46 Abs. 3, bzw. 5 EStG 1958 (ß 70 EStDV 1958), da nach ihrer Auffassung auch bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten die Voraussetzungen des Abzugs bei jedem der Ehegatten gesondert zu prüfen sind. Sie verweisen insbesondere auf das zu § 18 Abs. 4 EStG ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs IV 239/59 S vom 3. August 1961 (BStBl 1961 III S. 466, Slg. Bd. 73 S. 552), das den Freibetrag für freiberuflich tätige Eheleute zweimal zum Abzug zugelassen habe. Außerdem führe der durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (BGBl 1957 I S. 186, BStBl 1957 I S. 193) für die Besteuerung von Eheleuten aufgestellte Grundsatz der Individualbesteuerung auch bei dem in § 46 Abs. 3 und 5 EStG 1958 (ß 70 EStDV 1958) vorgesehenen Abzug zur getrennten Feststellung der Voraussetzungen für jeden Ehegatten.
Entscheidungsgründe
Die Rbn. für beide Streitjahre, die der Senat zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, sind nicht begründet.
Nicht dauernd getrennt lebende Eheleute, die beide Arbeitnehmer sind und bei denen demgemäß die Lohnsteuer nach Steuerklasse IV erhoben wird, müssen nach der Gestaltung der Splitting-Besteuerung im EStG 1958 nach § 46 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1958 in Verbindung mit § 69 a Ziff. 2 EStDV 1958 zusammen veranlagt werden, wenn der nach § 32 Abs. 1 EStG 1958 zu versteuernde Einkommensbetrag 16.000 DM übersteigt und die Eheleute keine getrennte Veranlagung beantragen (Urteil des Senats VI 193/62 U vom 21. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 244, Slg. Bd. 79 S. 31; Hartmann-Böttcher, Großkommentar zur Einkommensteuer, Forkel-Verlag, § 46 Anm. 5 d unter 3.). Da die Bf. Zusammenveranlagung wünschen und von ihren zusammengerechneten Einkünften nach Abzug der Sonderausgaben, des ihnen zustehenden Kinderfreibetrags und des Pauschbetrags wegen der Körperbeschädigung des Ehemanns nach § 32 Abs. 1 EStG 1958 zu versteuernde Einkommensbeträge von mehr als 16.000 DM verbleiben, liegen die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen nach ß 46 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1958 für beide Streitjahre vor.
Bei der Zusammenveranlagung sind nach dem Urteil VI 193/62 U (a. a. O.) die gesondert ermittelten Einkünfte der Eheleute zusammenzurechnen. Das gilt nicht nur für ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern auch für ihre nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte. Ob wegen der letzteren ein Abzug nach § 46 Abs. 3, bzw. 5 EStG 1958 (ß 70 EStDV 1958) in Betracht kommt, hängt davon ab, ob diese nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte der Eheleute "insgesamt", also zusammengefaßt, mehr als 800 DM bzw. 1.600 DM betragen haben. Im Streitfall übersteigt der Verlust der Ehefrau aus Vermietung und Verpachtung in beiden Streitjahren die Einkünfte des Ehemanns aus selbständiger Arbeit. Bei einer Zusammenfassung dieser nicht lohnsteuerpflichtigen Einkünfte verbleiben daher bei den Bf. überhaupt keine Einkünfte, die Grundlage für einen Abzug nach § 46 Abs. 3, bzw. 5 EStG 1958 sein könnten. Für den begehrten Abzug nach dieser Vorschrift fehlt daher die gesetzliche Voraussetzung.
Die Auffassung der Bf., die Voraussetzung des § 46 Abs. 3 und 5 EStG 1958 sei für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen, trifft nicht zu. Soweit sie diese Ansicht auf das Urteil IV 239/59 S vom 3. August 1961 (BStBl 1961 III S. 466, Slg. Bd. 73 S. 552) stützen, ist darauf hinzuweisen, daß dieses Urteil zu § 18 Abs. 4 EStG ergangen ist. Diese Vorschrift betrifft die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Da diese auch bei zusammenveranlagten Eheleuten für jeden gesondert festzustellen sind, steht - falls beide freiberuflich tätig sind - dieser Freibetrag jedem von ihnen zu. Bei dem Abzug nach § 46 Abs. 3 und dem Härteausgleich nach § 46 Abs. 5 EStG 1958 in Verbindung mit § 70 EStDV 1958 handelt es sich dagegen nicht um einen Abzug von den gesondert zu ermittelnden Einkünften jedes Ehegatten, sondern darum, daß unter Umständen ein Teil ihres gemeinsamen Einkommens steuerfrei bleiben kann. Wegen dieses wesentlichen Unterschiedes können aus der Entscheidung IV 239/59 S (a. a. O.) keine Folgerungen im Sinne der Bf. gezogen werden.
Auch der Hinweis der Bf. auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 (a. a. O.) geht fehl. Wie bereits in dem Urteil VI 193/62 U (a. a. O.) ausgeführt wurde, betrifft dieser Beschluß die zuletzt dem EStG 1955 zugrunde liegende Form der Zusammenveranlagung. Das seit 1958 geltende Splitting-Verfahren bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten ist eine grundsätzlich andere Form der Besteuerung, insbesondere, weil die Eheleute die Möglichkeit haben, anstelle der Zusammenveranlagung die getrennte Besteuerung zu verlangen. Aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts können also keine Folgerungen für die auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhende Zusammenveranlagung der Streitjahre und für die hierzu getroffenen Milderungsregelungen in ß 46 Abs. 3 und 5 EStG 1958 gezogen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 411862 |
BStBl III 1966, 108 |
BFHE 1966, 297 |
BFHE 84, 297 |