Leitsatz (amtlich)
Zur Aufrechnung mit Steuerforderungen gegen vom Steuerpflichtigen abgetretene Forderungen.
Normenkette
BeitrO § 32; BGB §§ 406-407
Tatbestand
In dem Rechtsstreit des Klägers wegen Arrestes sind durch Urteil des FG vom 30. Januar 1964 die Kosten des Verfahrens dem Bund auferlegt worden. Den Erstattungsbetrag in Höhe von 4 218,24 DM zahlte das Hauptzollamt (HZA) jedoch nicht an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers aus, die den Betrag auf Grund der dem HZA vorgelegten Prozeßvollmacht vom 17. Juli 1964 als an sich abgetreten ansahen, sondern rechnete durch Verfügungen vom 21. Juli und 29. September 1964 gegen die Erstattungsforderung mit der durch Steuerbescheid vom 31. Mai 1961 geltend gemachten Steuerforderung in Höhe von 1 008 676,30 DM auf. Die Beschwerden vom 7. August und 1. Oktober 1964 und die Berufung hatten keinen Erfolg.
Mit der nunmehr als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt der Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Aufrechnungsverfügungen vom 21. Juli und 29. September 1964 für unwirksam zu erklären, dem HZA aufzugeben, die Kostenerstattungsbeträge von insgesamt 4 218,24 DM an den Kläger zu Händen der Prozeßbevollmächtigten auszuzahlen und die Kosten des Verfahrens dem Bund aufzuerlegen.
Zur Begründung wird vorgetragen, daß die Vorentscheidung auf der Verletzung von Rechtsnormen beruhe. Die Vorinstanz habe § 390 BGB nicht angewendet, obwohl nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum die Bestimmungen des BGB über die Aufrechnung in Ermangelung besonderer Vorschriften über die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher Forderungen unmittelbar anzuwenden seien (zu vergl. u. a. RGZ 80, 374). § 390 BGB sei durch § 251 (AO) a. F. für den Bereich der Steuererhebung nicht ausgeschlossen. Die Steuerforderung des HZA sei bestritten, nicht rechtskräftig und nur vorläufig vollstreckbar, also mit einer Einrede behaftet. Die Feststellung des FG, daß die im Rechtsmittelverfahren VII 259/64 vor dem BFH geltend gemachten Einwendungen nicht berechtigt seien, gehe fehl.
Desgleichen gehe die Feststellung der Vorinstanz fehl, daß das HZA bei der Erklärung der Aufrechnung nicht rechtsmißbräuchlich und damit nicht ermessensfehlerhaft gehandelt habe. Bei der gerichtsbekannten Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verordnung über die zollfreie Einfuhr von Kontingentswaren aus Frankreich in das Saarland vom 3. Juli 1959 (Bundesanzeiger 1959 Nr. 126, Bundeszollblatt 1959 S. 349) und unter richtiger Würdigung der Revisionsgründe im vorbezeichneten Verfahren VII 259/64 dränge sich die Schlußfolgerung auf, daß im Hinblick auf die völlig uneingeschränkte richterliche Unabhängigkeit des BFH die Erfolgsaussichten der Revision vom 12. Juni 1964 im Verfahren VII 259/64 von vornherein mindestens ebenso hoch eingeschätzt werden müßten wie die Möglichkeit eines Mißerfolges.
Die Auffassung des FG, daß der Steuergläubiger - im Gegensatz zum Steuerpflichtigen - mit einer bestrittenen oder nicht rechtskräftigen Forderung aufrechnen dürfe, verstoße gegen § 124 AO sowie gegen den in Art. 3 GG verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen stünden Steuergläubiger und Steuerpflichtiger einander mit gleichen Rechten und Pflichten gegenüber. Das öffentliche Interesse erfordere keine Bevorzugung des Steuergläubigers zum Nachteil des Steuerschuldners.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Es entgegnet, der Kläger habe seine Forderung an seine Prozeßbevollmächtigten abgetreten. Das hindere nach § 406 BGB nicht, die Aufrechnung zu erklären. Es müsse aber geprüft werden, ob der Kläger berechtigt gewesen sei, Revision einzulegen, ob es nicht vielmehr Sache der Prozeßbevollmächtigten sei, den Rechtsstreit zu führen.
Das vom Kläger für die Anwendbarkeit des § 390 BGB zitierte Urteil des Reichsgerichts vom 9. März 1912 (RGZ 80, 374) könne die Revisionsbegründung nicht stützen, weil das Urteil zu einem Zeitpunkt ergangen sei, da die Aufrechnung weder durch gesetzliche Bestimmungen der AO noch durch die Vorschriften der Amtskassenordnung (AKO) und der Beitreibungsordnung (BeitrO) geregelt gewesen sei. Die Vorschrift des § 32 BeitrO besage eindeutig, daß der Steuerberechtigte gegen Geldforderungen, die er zu begleichen habe, mit fälligen Geldansprüchen, die ihm auf Grund der Steuergesetze zustünden, aufrechnen könne. Die Anwendung des § 390 BGB sei durch § 251 AO a. F. in Verbindung mit § 20 AKO und § 34 BeitrO ausgeschlossen. Das HZA habe auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Die Aufrechnung verstoße weder gegen § 124 AO noch gegen Art. 3 GG.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zutreffend hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, daß die AO über die Aufrechnung seitens des Steuergläubigers keine Vorschriften enthält, daß aber eine solche in § 32 BeitrO vorgesehene Aufrechnung nach einhelliger Meinung für zulässig erachtet wird (vgl. Liman-Schwarz, Das Steuerbeitreibungsrecht Bd. I, 3. Aufl. Vorbemerkung 3 zu § 32 BeitrO, und Mattern-Meßmer, Reichsabgabenordnung, Rdnr. 815). Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Aufrechnung sind für die Aufrechnung durch den Steuergläubiger sinngemäß anzuwenden, soweit sie mit dem Steuerrecht vereinbar sind (vgl. BFH-Urteile VII 310/64 S vom 26. Oktober 1965, BFH 83, 607, BStBl III 1965, 719, und VII 327/64 vom 20. Februar 1968, BFH 91, 518, BStBl II 1968, 384, HFR 1968, 344).
Aus der dem HZA am 17. Juli 1964 übergebenen Prozeßvollmacht der Rechtsanwälte vom 17. Juli 1964 ist ersichtlich, daß der Kläger die ihm in der Arrestsache vom HZA zu erstattenden "Kosten" an die genannten Prozeßbevollmächtigten abgetreten hat. § 406 BGB sieht unter gewissen Voraussetzungen vor, daß der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen kann. Diese Vorschrift kann aber im Gegensatz zur Auffassung des FG und der Zollverwaltung im Streitfalle nicht zur Anwendung kommen, weil das HZA nicht dem neuen Gläubiger, sondern dem Kläger gegenüber aufgerechnet hat. Die Aufrechnungsverfügungen mit Rechtsmittelbelehrung vom 21. Juli 1964 und 29. September 1964 sind in beglaubigten Abschriften zwar dem Kläger und den Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugesandt worden. In den Aufrechnungsverfügungen wird aber der Kläger nicht nur als Schuldner der Steuerforderung bezeichnet, sondern es wird auch festgestellt, daß er gegenüber der Zollkasse des HZA eine Forderung in Höhe von 2 814,24 DM bzw. 4 218,24 DM gemäß dem Kostenfestsetzungsbescheid des HZA vom 10. Juli 1964 bzw. dem Berichtigungsbescheid vom 27. August 1964 hat. Hätte das HZA nur den Prozeßbevollmächtigten gegenüber aufrechnen wollen, hätte es dem Kläger keine beglaubigte Abschrift der Verfügungen, zudem mit Rechtsmittelbelehrung, zu übersenden brauchen. In den in den Akten befindlichen Entwürfen der Aufrechnungsverfügungen ist der Kläger weiter jeweils vor den Prozeßbevollmächtigten als Adressat aufgeführt. Daraus ist ebenfalls zu entnehmen, daß das HZA gegenüber dem Kläger aufgerechnet hat. Auch die Prozeßbevollmächtigten haben erkennbar diese Auffassung vertreten, da sie gegen die Aufrechnungsverfügungen jeweils nur Beschwerde namens und im Auftrage des Klägers eingelegt haben. Offensichtlich war die Übersendung von beglaubigten Abschriften der Aufrechnungsverfügungen an die Prozeßbevollmächtigten, wie aus den entsprechenden Bezugnahmen zu schließen ist, nur veranlaßt durch deren Schreiben vom 17. Juli 1964, mit der sie die Prozeßvollmacht vom 17. Juli 1964 übersandten, und vom 13. August 1964, in welchem u. a. noch einmal darauf hingewiesen wurde, daß gegen die Aufrechnungsverfügung vom 21. Juli 1964 Beschwerde eingelegt worden sei. Die Übersendung von beglaubigten Abschriften der Aufrechnungsverfügungen an die Prozeßbevollmächtigten konnten also nur der Information dienen. Die nach dem Vorstehenden gegenüber dem Kläger vorgenommene Aufrechnung war aber zu Unrecht erfolgt. Denn der Kläger war nach der Abtretung an die Prozeßbevollmächtigten nicht mehr Gläubiger der Kostenforderung.
Zwar muß nach § 407 BGB der neue Gläubiger eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Auch wenn man die Aufrechnung nach § 32 BeitrO einem Rechtsgeschäft im Sinne des § 407 BGB gleichstellt, brauchen aber im Streitfall die Prozeßbevollmächtigten die Aufrechnung nicht gegen sich gelten zu lassen, da dem HZA im Zeitpunkt der Aufrechnung lt. Akten bekannt war, daß der Kläger seine Forderung an die Prozeßbevollmächtigten abgetreten hatte.
Daher war der sich gegen die Aufrechnung richtenden Revision stattzugeben. Demgemäß waren die Vorentscheidung, die Beschwerdeentscheidung und die Aufrechnungsverfügungen vom 21. Juli und 29. September 1964 ersatzlos aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 68407 |
BStBl II 1969, 178 |
BFHE 1969, 477 |