Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsüberlassung von Sportanlagen (Aufforderung zum Beitritt des BMF)
Leitsatz (amtlich)
Rechnet das FA gemäß § 406 BGB mit einer Steuerforderung gegen eine vom Steuerschuldner abgetretene Forderung gegenüber dem neuen Gläubiger auf, so ist für Streitigkeiten hierüber der Finanzrechtsweg nur dann gegeben, wenn das FA unzulässigerweise die Aufrechnungserklärung als Verwaltungsakt erlassen hat.
Normenkette
FGO § 33; BGB § 406
Tatbestand
Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin aus Kreditgewährungen Forderungen gegen einen inzwischen vermögenslos gewordenen Steuerpflichtigen G. Dieser hatte ihr zur Sicherung ihrer Forderungen gegen ihn am 28. September 1961 seine Werklohnforderungen gegen das Land, vertreten durch den Senator für Bau- und Wohnungswesen, abgetreten. Der Senator hatte die Kenntnisnahme davon mit dem Bemerken bestätigt, es seien ihm zur Zeit keine Rechte Dritter bekannt. Das für G. zuständige FA machte gegen ihn Steuerforderungen geltend; es erklärte am 17. Januar 1963 der Klägerin gegenüber die Aufrechnung gegen die abgetretenen Werklohnforderungen mit von ihm verwalteten Steuerforderungen aus 1961 an G. im Gesamtbetrage von 1 156,31 DM; das FA versah die der Klägerin zugestellte beglaubigte Abschrift der Aufrechnungsverfügung, welche die Vorschrift des § 32 Abs. 4 der Beitreibungsordnung (BeitrO) anführte, mit der Rechtsmittelbelehrung, daß die Klägerin innerhalb einer Frist von einem Monat Beschwerde einlegen könne. Eine weitere beglaubigte Abschrift der Aufrechnungserklärung übersandte das FA G. mit der gleichen Rechtsmittelbelehrung. Die von der Klägerin eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Auf die von ihr eingelegte Berufung hob das FG die Beschwerdeentscheidung ganz und die "gegenüber der Berufungsführerin abgegebene Aufrechnungserklärung vom 17. Januar 1963" insoweit auf, "als sie sich öffentlich-rechtliche Wirkung beimißt". Das FG führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1964 S. 608 Nr. 746 veröffentlichten Urteil insbesondere aus, der Finanzrechtsweg stehe nicht "für Angriffe gegen Aufrechnungsmaßnahmen der Steuerbehörden offen, die in Ausübung bürgerlichrechtlicher Befugnisse dieser Behörden ergangen sind"; im Streitfall beruhe die Aufrechnungsverfügung des FA der Klägerin gegenüber auf bürgerlich-rechtlichen Vorschriften; das FA sei der Klägerin nicht als Träger der Steuerhoheit gegenübergetreten. Dennoch habe das FA durch die äußere Form der Aufrechnungserklärung und die Rechtsmittelbelehrung den - unzulässigen - "Rechtsschein" hervorgerufen, als sei die Aufrechnungserklärung kraft Hoheitsrechtes gegenüber der Klägerin abgegeben worden; deshalb könne die Klägerin insoweit die Aufrechnungsverfügung des FA und die Beschwerdeentscheidung im Finanzrechtswege angreifen. Die Aufrechnungserklärung habe aber nicht "im ganzen" aufgehoben werden können; ein einheitlicher "Schein-Hoheitsakt" habe nicht vorgelegen.
Mit der nunmehr als Revision anzusehenden Rb. macht die OFD geltend, für Aufrechnungen durch die FÄ, also für Finanzverwaltungsakte, gälten die Vorschriften der AO. Auch § 32 Abs. 5 BeitrO bestehe zu Recht. Nichts anderes könne gelten, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden solle, infolge Abtretung durch den Forderungsberechtigten auf einen Dritten übertragen worden sei. Die OFD beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Klägerin hält die Vorentscheidung für zutreffend. Sie beantragt, die Revision der OFD als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt nicht zum Erfolg.
1. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden.
Nicht jede Handlung, die ein FA im Zusammenhang mit der Verwaltung von Abgaben vornimmt, ist eine öffentlich-rechtliche, insbesondere hoheitsrechtliche. Das FA kann sich, wenn es sich um eine ihrer Natur nach privatrechtliche Angelegenheit handelt, ausnahmsweise auch auf die Ebene des bürgerlichen Rechts begeben und als gleichberechtigter Partner, nicht als Hoheitsträger, in den Formen des bürgerlichen Rechts auftreten. Das tut das FA z. B., wenn es zur Begleichung von Steuerschulden des Steuerpflichtigen von diesem eine Forderungsabtretung annimmt; die Geltendmachung von Rechten aus dem Abtretungsvertrag durch das FA richtet sich in einem solchen Falle nach bürgerlichem Recht und nach Zivilprozeßrecht; bei Streitigkeiten hieraus handelt es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, die vor den Zivilgerichten zu verfolgen sind.
Rechnet das FA mit Steuerforderungen gegenüber dem Steuerschuldner auf (§§ 32, 34 BeitrO), so handelt es sich um öffentlich-rechtliche Maßnahmen; denn das Steuerschuldverhältnis ist ein öffentlich-rechtliches. Daher tritt das FA dem Steuerschuldner gegenüber in Ausübung öffentlicher Gewalt auf. Streitigkeiten über die Aufrechnung sind nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO öffentlichrechtliche Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten; sie sind erforderlichenfalls im Finanzrechtsweg auszutragen, wie die OFD insoweit zutreffend vorträgt. Daran ändert auch nichts, daß zur Ausfüllung von Gesetzeslücken im steuerrechtlichen Aufrechnungsrecht in nicht unerheblichem Umfang Vorschriften des BGB über die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) sinngemäß heranzuziehen sind, soweit sie mit dem Steuerrecht vereinbar sind; das letztere hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden (vgl. insbesondere das Urteil VII 310/64 S vom 26. Oktober 1965, BFH 83, 607, BStBl III 1965, 719, 720). Die OFD übersieht jedoch, daß die Rechtslage in Fällen wie dem vorliegenden, in denen nämlich die Finanzbehörde keine Steuer forderung gegen denjenigen hat, dem gegenüber sie aufrechnet, sie ihm gegenüber also nicht als Hoheitsträger auftreten kann und auftritt, eine andere ist. Im Streitfall hatte das FA, wenn überhaupt, lediglich die rein bürgerlich-rechtliche Vorschrift des § 406 BGB als rechtliche Grundlage für eine Aufrechnung gegenüber der Klägerin. Es bedarf hier keiner Prüfung, ob das FA nach § 406 BGB ganz oder teilweise zur Aufrechnung gegenüber der neuen Gläubigerin (Klägerin) berechtigt war. Wenn es dazu berechtigt zu sein meinte, hätte es eine bürgerlich-rechtliche Aufrechnungserklärung der Klägerin gegenüber abgeben können, also in bürgerlichrechtlicher Weise und ohne die Belehrung, daß Beschwerde an die vorgesetzte Finanzbehörde binnen bestimmter Frist gegeben sei. Für Streitigkeiten aus einer solchen Aufrechnungserklärung wäre der Weg an die Zivilgerichte, nicht der Finanzrechtsweg an die Steuergerichte, gegeben gewesen (vgl. dazu auch Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 1964 B I 1, zu § 40 S. 131; von Wallis in Hübschmann-Hepp-Spitaler Anm. 39 zu § 33 FGO). Auf das Urteil des FG München I 96-97/64 vom 14. Juli 1964 (EFG 1965, 135 Nr. 167) kann sich die OFD schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil dieses Urteil durch das bereits erwähnte Urteil des erkennenden Senats VII 310/64 S vom 26. Oktober 1965 aufgehoben worden ist.
Das FG hat nun aber zutreffend dargelegt, daß das FA zu Unrecht die Aufrechnungsverfügung gegenüber der Klägerin als Verwaltungsakt erlassen und in ihm als Rechtsmittel die Beschwerde an die vorgesetzte Finanzbehörde angegeben hat. Gegen den Verwaltungsakt konnte sich die Klägerin mit der Beschwerde, gegen die Beschwerdeentscheidung mit der Berufung (Klage) und gegen die finanzgerichtliche Entscheidung mit der Rb. (Revision) wehren. Auch insoweit ist der Meinung des FG zu folgen (vgl. auch Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, Randnr. 40 zu § 33 S. 163 unten). Allerdings handelte es sich bei der Aufrechnungsverfügung des FA gegenüber der Klägerin nicht um einen "Schein"-Verwaltungsakt; denn das FA wollte nicht zum Schein einen Verwaltungsakt erlassen.
2. Wenn das FG auf die sonach zulässige Berufung die der Klägein gegenüber abgegebene Aufrechnungserklärung insoweit aufgehoben hat, als sie sich öffentlichrechtliche Wirkung beimißt, ist das zu Recht geschehen, da, wie oben dargelegt, die Aufrechnung nicht in Form eines Verwaltungsaktes, sondern nur in Form einer privatrechtlichen Willenserklärung vorgenommen werden durfte.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Teilung der einheitlichen Aufrechnungshandlung des FA gegenüber der Klägerin in eine bürgerlich-rechtlich wirkende und in eine sich öffentlich-rechtliche Wirkungen beilegende Maßnahme, wie sie das FG vorgenommen hat, zutreffend ist. Jedenfalls ist mit Rücksicht auf § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO in Verbindung mit § 121 FGO eine Verböserung zuungunsten der Beklagten (völlige Aufhebung des Verwaltungsakts) nicht möglich, da nur sie Revision eingelegt hat. Es muß deshalb bei der Vorentscheidung sein Bewenden haben. Die Revision der OFD war mithin als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 67971 |
BStBl II 1968, 384 |
BFHE 1968, 518 |