Leitsatz (amtlich)
Die Resteinzahlungsverpflichtung auf eine Schachtelbeteiligung im Sinne des § 60 des Bewertungsgesetzes in der Fassung vor dem Bewertungsgesetz 1965 ist bei der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Obergesellschaft nicht als Betriebsschuld abzugsfähig. Das gilt auch dann, wenn diese Verpflichtung höher ist als der Wert der Schachtelbeteiligung, und sogar dann, wenn die Schachtelbeteiligung keinen Wert mehr hat.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 60; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin, eine AG, war 1953 ununterbrochen mit 29,2 v. H. an dem Grundkapital einer anderen AG beteiligt. In ihrer Vermögensaufstellung zum 1. Januar 1954 hatte sie diese Beteiligung mit 1 DM bewertet. Auf der Schuldenseite hatte sie in dieser Vermögensaufstellung ihre noch offenstehende Resteinzahlungsverpflichtung auf diese Beteiligung mit 368 864 DM angesetzt. Diese Resteinzahlungsverpflichtung rührt aus einer im Jahre 1943 beschlossenen Erhöhung des Grundkapitals um … Millionen RM her. Bei der nach § 222 AO berichtigten Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1954 durch Bescheid vom 3. Juli 1963 übernahm das FA den Wertansatz von 1 DM und trug der Schachtelvergünstigung nach § 60 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) durch einen gleichhohen Abzug Rechnung. Es ließ jedoch die Resteinzahlungsverpflichtung unter Hinweis auf einen Runderlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1962 – S 3202 – 22 – VC 1 – nicht zum Abzug zu, weil sie mit der Schachtelbeteiligung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehe.
Die Sprungberufung, die nach dem Inkrafttreten der FGO vom FG als Sprungklage (§ 45 Abs. 1 FGO) behandelt wurde, hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Es sei rechtlich unbestritten, daß grundsätzlich Schulden nicht abgezogen werden dürften, die im Zusammenhang mit von der Vermögensteuer befreiten Wirtschaftsgütern ständen. Es müsse geprüft werden, ob die Einzahlungsverpflichtung auch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Schachtelbeteiligung stehe. Daran habe der Senat keinen Zweifel. Das werde klar, wenn man sich vor Augen halte, daß eine Verbindlichkeit, die die Klägerin gegebenenfalls hätte aufnehmen müssen, einer fälligen Einzahlungsverpflichtung nachzukommen, ohne Zweifel mit der Schachtelbeteiligung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehe. Es könne nichts anderes gelten, wenn die Obergesellschaft ihre Einzahlungsverpflichtung aus eigenen Mitteln decken könne. Denn auch in diesem Fall liege eine Schuld vor, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Beteiligung stehe. Das sei auch dann der Fall, wenn man die Einzahlungsverpflichtung als eine umgewandelte Darlehnsverpflichtung ansehe, weil mit der Darlehnsschuld das gleiche wirtschaftliche Ziel verfolgt werde. Entscheidend sei, daß Obergesellschaft und Untergesellschaft zwei rechtlich selbständige Kapitalgesellschaften seien und die Betriebsvermögen beider Gesellschaften steuerlich jeweils für sich und nicht zusammen zu betrachten seien. Allerdings ergebe sich, wenn man die Einzahlungsverpflichtung nicht zum Abzug zulasse, eine unterschiedliche steuerliche Belastung, je nachdem im Falle einer Schachtelbeteiligung das Beteiligungskapital eingezahlt worden sei oder nicht. Es sei jedoch dem Gesetz nicht zu entnehmen, daß diese unterschiedliche Behandlung nicht gewollt sei. Sie entspreche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Es sei zwar nicht zu verkennen, daß die Regelung über die Schachtelvergünstigung gegenstandslos werde, weil bei der Tochtergesellschaft die ausstehende Einzahlungsforderung angesetzt werde. Dieses Ergebnis habe jedoch der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen. Der Umstand, daß dadurch gegebenenfalls wirtschaftlich schwächere Obergesellschaften benachteiligt würden, erscheine demgegenüber dem Senat nicht ausschlaggebend. Aus § 62 in Verbindung mit § 60 BewG sei nichts dafür zu entnehmen, daß ein Schuldüberschuß abgezogen werden könne. Deshalb sei auch hier der Abzug der Einzahlungsverpflichtung trotz des Umstandes ausgeschlossen, daß der Wert der Beteiligung praktisch auf 0 DM gesunken sei. Die dadurch entstandene Mehrfachbelastung sei eine allgemeine Wirkung der Vorschrift, die jeden Schuldabzug ohne Rücksicht auf die Höhe der Schuld verbiete.
Mit der Revision wird von der Steuerpflichtigen unrichtige Anwendung des § 62 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 BewG gerügt. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt: Es sei zwar zuzugeben, daß in § 62 BewG das Wort „Schulden” ohne Einschränkung gebraucht werde. Wenn aber die wirkliche Auslegung des Gesetzes zu einem den Gesetzeszweck nicht erfüllenden Ergebnis führe, wie das FG einräume, müsse der Wille des Gesetzgebers erforscht werden. Dabei sei auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zurückzugreifen. Hierbei werde § 62 Abs. 1 BewG nur im Zusammenhang mit § 60 Abs. 1 BewG verständlich. Deshalb sei die Entstehungsgeschichte der Schachtelvergünstigung zu untersuchen. Diese ergebe, daß es der Zweck der Schachtelvergünstigung sei, die Mehrfachbesteuerung desselben Vermögens in solchen Fällen zu mildern, in denen die Anteile einer Unternehmung wiederum einer Unternehmung gehörten. Der Gesetzgeber bediene sich zur Begründung der Befreiung des Gedankenbildes „desselben Vermögens”, obwohl die Besteuerung ja gerade dadurch eintrete, daß es sich um rechtlich selbständige Kapitalgesellschaften handele. Daraus folge, daß die Begünstigung zu Recht bei einer Kapitalgesellschaft zum Zuge komme, die ihr Vermögen derart umschichte, daß sie aus diesem Vermögen eine Schachtelbeteiligung erwerbe. Wenn sie zu diesem Zweck ein Darlehen aufnehme, habe sie nicht „ihr” Vermögen, sondern Fremdkapital angelegt. Fremdmittel seien ungeachtet der bürgerlich-rechtlichen Zurechnung nicht „dasselbe Vermögen” in dem oben dargelegten Sinn. Deshalb dürfe in diesem Fall die Schachtelvergünstigung nicht zur Auswirkung kommen. § 62 Abs. 1 BewG verhindere das folgerichtig durch die Verweigerung des Abzugs des Kredits. Aus dieser Entwicklungsgeschichte ergebe sich zwingend, daß unter „Schulden” im Sinne des § 62 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 BewG nur Fremdkredit verstanden werden könne. Der Erwerb einer Schachtelbeteiligung gegen Einbuchung einer entsprechenden Einzahlungsverpflichtung sei dagegen nur eine mögliche Form der Anlegung „desselben Vermögens”. Denn es liege auf der Hand, daß die Tochtergesellschaft auch bei einer in diese Form gekleideten Vermögenszuführung zur Drittbesteuerung herangezogen werde. Gerade das wolle § 60 Abs. 1 BewG verhindern, der Wille des Gesetzgebers könne nicht unter Berufung auf den Wortlaut der korrespondierenden Vorschrift des § 62 Abs. 1 BewG zunichte gemacht werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin außerdem auf die Ungleichheit hingewiesen, die sich bei ihrer Besteuerung und bei der Besteuerung ihrer Aktionäre ergebe. Das Vermögen werde bei ihr durch den Nichtabzug der Einzahlungsverpflichtung, die bei der Wertermittlung der Aktien berücksichtigt werde, höher bewertet.
Verschärfend komme hier noch hinzu, daß die Schuld den Wert der Beteiligung übersteige. Die Berufung des FG auf das Urteil des RFH III 7/43 vom 3. Juni 1943 (RStBl 1943, 567) gehe schon deshalb fehl, weil der RFH einen Grund für seine damalige wörtliche Auslegung darin gesehen habe, daß die Steuerbehörde möglicherweise von einer genauen Bewertung steuerfreier Wirtschaftsgüter entlastet werden sollte und ungerechtfertigte Verkürzungen des steuerpflichtigen Vermögens durch Anschaffung steuerfreier Wirtschaftsgüter auf Kredit befürchtet worden seien. Diese beiden Gründe schlügen jedoch nicht durch. Der RFH scheine wohl dadurch beeinflußt gewesen sein, daß für die Inanspruchnahme der damals in Betracht kommenden Steuerbefreiung ein Wahlrecht eingeräumt gewesen sei. Gerade das sei jedoch bei der Schachtelbeteiligung nicht der Fall. Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der restlichen Einzahlungsverpflichtung der Klägerin um eine Schuld gegenüber der rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft handelt, die nach § 62 Abs. 1 BewG nur als Betriebsschuld bei der Ermittlung des Betriebsvermögens abgezogen werden kann, wenn sie mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs im wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Das FG hat daraus auch die zutreffende Folgerung gezogen, daß auf Grund dieser Vorschrift die Einzahlungsverpflichtung dann nicht als Betriebsschuld abgezogen werden kann, wenn sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Schachtelbeteiligung steht, die nach § 60 Abs. 1 BewG nicht zum gewerblichen Betrieb gehört. Nach ständiger Rechtsprechung besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einer Schuld und einem bestimmten Wirtschaftsgut dann, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen ist, die dieses Wirtschaftsgut betreffen. Das FG hat auch mit Recht einen wirtschaftlichen Zusammenhang in diesem Sinn zwischen der Beteiligung und der Schuld angenommen. Denn es ist offenkundig, daß die Klägerin nur deshalb zur Leistung der Einzahlung verpflichtet ist, weil sie die Schachtelbeteiligung hält. Es liegt hier keine Verselbständigung der Schuld vor, wie sie der Senat in dem Urteil III R 111/66 vom 25. April 1969 (BFH 96, 280, BStBl II 1969, 577) bei der Nachsteuerschuld des § 9 Abs. 3 KStG 1955 angenommen hat. Der Auffassung der Klägerin, die Einzahlungsverpflichtung auf eine Schachtelbeteiligung könne nur dann vom Abzug ausgeschlossen werden, wenn sie aus Fremdmitteln getilgt werde, nicht aber, wenn dafür eigene Mittel bereitgestellt würden, folgt der Senat nicht. Der Unterschied, der sich nach Meinung der Klägerin in diesen beiden Fällen ergeben soll, besteht nach Auffassung des Senats nicht. In beiden Fällen ist aus den oben dargelegten Gründen ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Einzahlungsverpflichtung und der Schachtelbeteiligung gegeben. Wird zum Zwecke der Tilgung der Einzahlungsverpflichtung ein Fremdkredit aufgenommen, so ändert sich, solange die Einzahlungspflicht noch nicht getilgt ist, im Ergebnis nichts; denn der Fremdkredit bildet dann den Gegenposten zu der in das Betriebsvermögen hereinfließenden Valuta und ist nach den allgemein geltenden Grundsätzen abzugsfähig. Wird aber mit dieser Valuta die Einzahlungsverpflichtung getilgt, dann tritt der wirtschaftliche Zusammenhang des Fremdkredits mit der Schachtelbeteiligung in Erscheinung; dieser ist dann nicht mehr abzugsfähig. Ist die Tilgung der Einzahlungsverpflichtung aus eigenen Mitteln vorgesehen, so entsteht nicht, wie die Klägerin meint, durch die von ihr angenommene „Bindung” des übrigen Betriebsvermögens ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit diesem übrigen Betriebsvermögen. Es bleibt vielmehr, solange die Einzahlungsverpflichtung noch nicht getilgt ist, der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Schachtelbeteiligung bestehen. Bei Tilgung der Einzahlungsverpflichtung vermindert sich das Betriebsvermögen effektiv um den gleichen Betrag wie bei der Tilgung durch Fremdmittel.
Der weitere Einwand der Klägerin, es ergebe sich durch den Nichtabzug der Einzahlungsverpflichtung eine höhere Bewertung ihres Betriebsvermögens als bei der Wertermittlung für ihre Aktien, liegt neben der Sache. Dieser Unterschied beruht auf dem Umstand, daß das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft nach den Vorschriften des BewG zu bewerten ist, während Aktien und Anteile, soweit für sie kein Kurswert besteht, mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind, so daß u. a. auch nach dem BewG bestehende Steuerbefreiungen und die sich aus ihnen für den Abzug von Schulden ergebenden Folgen nicht zu berücksichtigen sind.
Dem FG ist schließlich auch darin zuzustimmen, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des § 62 Abs. 1 BewG ein Schuldabzug auch insoweit nicht in Betracht kommt, als der Schuldbetrag höher ist als der Wert der Schachtelbeteiligung. Der Senat hat diese Auffassung zuletzt für die Vorschrift des § 74 Abs. 2 BewG in dem Urteil III 70/65 vom 13. Dezember 1968 (BFH 94, 542, BStBl II 1969, 230) vertreten. Auf die Begründung dieses Urteils wird Bezug genommen. Die Ausführungen gelten in gleicher Weise auch für die Vorschrift des § 62 Abs. 1 BewG. Das Urteil des BFH I 26/64 vom 25. Oktober 1966 (BFH 87, 243, BStBl III 1967, 92), nach dem Zinsen für Schulden, die zum Erwerb einer Schachtelbeteiligung aufgenommen sind, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, soweit die Schachteleinnahmen sie nicht decken, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Der I. Senat hat in diesem Urteil mit Recht darauf hingewiesen, daß sich schon nach dem Wortlaut des § 13 KStG die Auslegung anbiete, daß ein Schuldzinsenabzug zuzulassen sei, wenn keine Schachteleinnahmen vorlägen. Nach § 62 Abs. 1 BewG ist eine Schuld immer dann vom Abzug ausgeschlossen, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem steuerbefreiten Wirtschaftsgut steht. Dieser wirtschaftliche Zusammenhang ist unabhängig davon, welchen Wert das steuerbefreite Wirtschaftsgut hat. Er besteht auch dann, wenn die Schachtelbeteiligung keinen Wert mehr hat.
Fundstellen
Haufe-Index 557378 |
BStBl II 1970, 201 |
BFHE 1970, 387 |