Leitsatz (amtlich)
1. Es ist dann sichergestellt, daß der bei Anwendung des § 15 Abs. 1 KStG 1969 sich ergebende Gewinn (Übertragungsgewinn) später der Einkommensteuer unterliegt, wenn der übernehmende Gesellschafter das übertragene Vermögen als gewillkürtes Betriebsvermögen in einen schon bestehenden Gewerbebetrieb einlegt.
2. Ein triftiger Grund i. S. des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 ist zu verneinen, wenn die Veräußerung des übertragenen Betriebes innerhalb der Fünfjahresfrist schon im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Unternehmensumformung vorhersehbar war.
3. Verändern sich die im Zeitpunkt des Umwandlungsbeschlusses bestehenden Verhältnisse in einer Weise, daß sich der Übernehmer erst auf Grund der Veränderung zu einer Veräußerung des Betriebes innerhalb des Fünfjahreszeitraums veranlaßt sieht, so ist zur Auslegung des Begriffes "triftiger Grund" darauf abzustellen, ob die Veräußerung sich als die wirtschaftlich stichhaltige Folge der veränderten Verhältnisse darstellt.
Normenkette
KStG 1969 § 15 Abs. 1; UmwG 1969 §§ 4, 12, 24, 155
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) den gemäß §§ 24 und 15 des Umwandlungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. November 1969 - UmwG 1969 - (BGBl I, 2081) auf ihn übergegangenen Betrieb der B GmbH im Rahmen seines Einzelunternehmens fortgeführt und bejahendenfalls, ob er ihn innerhalb von fünf Jahren nach dem Umwandlungsstichtag ohne triftigen Grund i. S. des § 24 Abs. 2 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 1969 - UmwStG 1969 - (BGBl I, 1163) veräußert hat.
Am 31. Dezember 1969 besaß die B GmbH (GmbH) als einziges Wirtschaftsgut des Anlagevermögens ein Doppelhaus, das durch Vermietung genutzt wurde. Alleiniger Gesellschafter der GmbH war der Kläger, der außerdem als Einzelkaufmann Inhaber der Fabrik LS & Sohn war. Die Anteile an der GmbH hielt der Kläger in seinem Privatvermögen. Am 19. Februar 1970 beschloß die Gesellschafterversammlung, die GmbH unter Zugrundelegung der Umwandlungsbilanz zum 31. Dezember 1969 auf den Kläger unter Ausschluß der Liquidation gemäß § 24 UmwG 1969 umzuwandeln. Der Kläger erklärte zusammen mit dem Umwandlungsbeschluß, das Doppelhaus künftig unter dem Namen der Fabrik LS & Sohn nutzen zu wollen. Am 28. April 1970 wurde die Änderung ins Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am 7. Oktober 1971 gegenüber dem Kläger einen gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid 1969 für die GmbH, in dem er die Umwandlung als gemäß §§ 4 ff. UmwStG 1969 steuerbegünstigt behandelte. Im Januar 1974 veräußerte der Kläger das Doppelhaus für 130 000 DM, weil er sich - wie er gegenüber dem FA und im späteren Klageverfahren geltend machte - erheblichen, nicht vorhersehbaren steuerlichen Verpflichtungen gegenübergestellt sah und außerdem Baumaßnahmen an den Betriebsgebäuden der Firma LS & Sohn mit einem Aufwand von 60 000 DM hätte durchführen lassen müssen. Das FA sah für die Veräußerung keinen triftigen Grund i. S. von § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 und ging deshalb von einem Wegfall der Steuererleichterungen gemäß § 24 Abs. 1 UmwStG 1969 aus. Es erließ am 20. April 1976 gegenüber dem Kläger einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1969, in dem es die am 31. Dezember 1969 vorhandenen stillen Reserven gemäß § 15 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Oktober 1969 - KStG 1969 - (BGBl I, 1869) als Liquidationsgewinn i. S. des § 14 KStG 1969 erfaßte.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 und beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Körperschaftsteuerbescheid 1969 vom 20. April 1976 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 1976 zu ändern und die Körperschaftsteuer 1969 auf 308 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht - FG - (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen lassen keine abschließende Beurteilung der Frage zu, ob das FA den Körperschaftsteuerbescheid 1969 zutreffend geändert hat.
1. Da der ursprüngliche Körperschaftsteuerbescheid 1969 gemäß § 100 Abs. 2 AO vorläufig ergangen war, konnte das FA verfahrensrechtlich die Änderung auf § 225 AO stützen. Deshalb kann dahinstehen, ob außerdem eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 24 Abs. 3 UmwStG 1969 bestand.
2. Die materielle Rechtmäßigkeit des geänderten Körperschaftsteuerbescheides 1969 hängt davon ab, ob die in § 4 UmwStG 1969 näher geregelte Steuererleichterung dem Kläger ursprünglich zustand und bejahendenfalls aus Gründen des § 24 Abs. 1 und 2 UmwStG 1969 später rückwirkend entfallen sein sollte.
a) Die in § 4 UmwStG 1969 vorgesehene Steuererleichterung stand dem Kläger i. V. m. § 12 UmwStG 1969 ursprünglich nur dann zu, wenn im Zeitpunkt der Fassung des Umwandlungsbeschlusses sichergestellt war, daß der bei Anwendung des § 15 KStG 1969 an sich anfallende Übertragungsgewinn bei dem Kläger künftig der Einkommensteuer unterliegen werde. Dies war nur dann der Fall, wenn der Kläger das übernommene Betriebsvermögen als eigenständigen Betrieb oder als Vermögensbestandteil eines anderen Betriebes fortführte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1983 I R 52/79, BFHE 140, 244, BStBl II 1984, 276 ). Da der Kläger das Doppelhaus nur als Betriebsvermögen der Firma LS & Sohn nutzen wollte, hätte das FG prüfen müssen, ob das Doppelhaus notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen der Einzelfirma sein konnte. Dazu nimmt der Senat auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug (vgl. BFH-Urteile vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582 , und vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40 , m. w. N.). Danach muß ein Wirtschaftsgut, um zumindest gewillkürtes Betriebsvermögen zu sein, objektiv die Eignung haben, den Betrieb zu fördern, und subjektiv vom Betriebsinhaber dazu bestimmt sein. Das FG hat insbesondere nicht die objektive Eignung des Doppelhauses festgestellt, den unter dem Namen LS & Sohn vom Kläger geführten Betrieb zu fördern. Die Tatsache, daß der Kläger zugleich mit der Umwandlung die Fortführung des Geschäfts der GmbH unter dem Namen der LS & Sohn beschloß, kann allenfalls als Anhaltspunkt dafür gewertet werden, daß das übernommene Betriebsvermögen der Einzelfirma dienen sollte. Die entsprechende Beschlußfassung ist jedoch nur eine einseitige Absichtserklärung des Klägers, die zivilrechtlich ohne Rechtsfolge ist. Nach § 15 UmwG 1969 wird die Umwandlung durch Vermögensübertragung auf den Gesellschafter vollzogen. Die Einlage des übergegangenen Vermögens in das Betriebsvermögen der Einzelfirma ist deshalb ein von der Umwandlung als solcher losgelöst zu sehender Akt. Er kann mit steuerlicher Wirkung nur unter den allgemein geltenden Voraussetzungen vorgenommen werden. Dazu gehört, daß das übernommene Vermögen objektiv geeignet ist, dem Betrieb der Einzelfirma zu dienen. Diese Feststellung wird das FG nachholen müssen.
b) Sollten die nachzuholenden Feststellungen ergeben, daß das auf den Kläger übergegangene Doppelhaus ab dem Zeitpunkt der Fassung des Umwandlungsbeschlusses zum Betriebsvermögen der Firma LS & Sohn gehörte, dann würde die Anwendbarkeit des § 4 UmwStG 1969 gemäß § 24 Abs. 1 und 2 UmwStG 1969 nachträglich entfallen sein, wenn der Kläger den auf ihn übergegangenen Betrieb innerhalb von fünf Jahren nach dem Umwandlungsstichtag ohne triftigen Grund veräußert oder aufgegeben haben sollte.
aa) Dazu ist auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG davon auszugehen, daß das auf den Kläger vermögensmäßig übergegangene Doppelhaus den "Betrieb" der untergegangenen Kapitalgesellschaft i. S. des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 darstellte. Zwar ist an sich unter einem Betrieb die Geschäftstätigkeit einer Person zu verstehen (vgl. das BFH-Urteil vom 3. Oktober 1984 I R 119/81, BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245 ; Hübl in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 25 UmwStG 1977 Anm. 27). Eine Geschäftstätigkeit kann jedoch nicht veräußert werden. Deshalb fallen nach dem Zweck des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 unter den Betriebsbegriff im Sinne der Vorschrift die Wirtschaftsgüter, die die wesentliche Grundlage der von der untergegangenen Gesellschaft ausgeübten Tätigkeit bildeten (vgl. Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 1. Aufl., Rz. 6505 zu § 24 UmwStG 1969 und Neuauflage Rz. 8697 zur entsprechenden Vorschrift des § 25 UmwStG 1977). Nach den Feststellungen des FG übte die untergegangene GmbH nur eine Vermietungstätigkeit aus. Zum Umwandlungsstichtag (31. Dezember 1969) war das Doppelhaus der einzige Gegenstand des Anlagevermögens, der vermietet wurde. Dieser bildete deshalb am 31. Dezember 1969 den "Betrieb" der GmbH.
bb) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG veräußerte der Kläger den übergegangenen Betrieb innerhalb von fünf Jahren nach dem Umwandlungsstichtag. Er übertrug nämlich das Eigentum an dem Doppelhaus im Januar 1974 und damit innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren ab dem 31. Dezember 1969 auf eine andere Person. Die Eigentumsübertragung erfüllte die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 insoweit, als die Bestimmung nach ihrem Wortlaut nur auf die Veräußerung des übergegangenen und nicht auf die desjenigen Betriebes abstellt, in den das übergegangene Vermögen eingelegt wurde. Die wortgetreue Auslegung entspricht auch dem Sinn der Vorschrift. Ziel des Gesetzes ist es, den Wechsel der Unternehmensform und den Zusammenschluß von Unternehmen zu erleichtern. Die vorgesehenen steuerlichen Erleichterungen setzen deshalb voraus, daß der Betrieb der untergehenden Kapitalgesellschaft eine andere Organisation erhält oder in anderer Form fortgeführt wird (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Steuererleichterungen bei Änderung der Unternehmensform, BT-Drucks. V/4245, S. 8). Entsprechend entfällt die Rechtfertigung für die Gewährung der Steuererleichterung, wenn die steuerlich begünstigte Organisation nicht bestehenbleibt bzw. wenn das übergegangene Betriebsvermögen nicht in der begünstigten Form fortgeführt wird. Geht der ursprünglich von der Kapitalgesellschaft geführte Betrieb durch Einlage in einen anderen Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens unter, so ist für die Anwendung des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 darauf abzustellen, ob die Wirtschaftsgüter innerhalb der Fünfjahresfrist veräußert werden, die die wesentliche Grundlage des Betriebes der Kapitalgesellschaft bildeten. Bestand der Betrieb der Kapitalgesellschaft - wie vom FG festgestellt - nur aus einem einzigen Wirtschaftsgut, so kommt es auf dessen Veräußerung an.
cc) Nach § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 führt allerdings nicht jede Veräußerung zu einem Wegfall der in § 4 UmwStG 1969 vorgesehenen Steuererleichterungen. Die Veräußerung muß vielmehr ohne "triftigen Grund" erfolgt sein. Zur Auslegung des Begriffes "triftiger Grund" ist einmal von der Regelungsabsicht des Gesetzgebers auszugehen. Dazu ergibt sich aus §§ 4 Satz 2 und 24 Abs. 2 UmwStG 1969, daß die in § 4 UmwStG 1969 vorgesehene Steuererleichterung einem Steuerpflichtigen nur dann gewährt wird bzw. ihm verbleiben soll, wenn die steuerlich begünstigte Neuorganisation durchgeführt wird und mindestens fünf Jahre lang Bestand hat. Der Übernehmer muß deshalb im Zeitpunkt der Fassung des Umwandlungsbeschlusses bereit sein, den zu übernehmenden Betrieb auf die Dauer von fünf Jahren ab dem Umwandlungsstichtag als eigenständigen Betrieb oder als Teil eines anderen Betriebes fortzuführen. Sind jedoch dem Unternehmer schon bei Fassung des Umwandlungsbeschlusses Umstände bekannt, die aller Voraussicht nach die Veräußerung des Betriebes innerhalb des Fünfjahreszeitraums erforderlich machen, so ist eine Situation gegeben, die der Gesetzgeber gerade nicht begünstigen wollte. In diesem Falle spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Umwandlung ausschließlich Steuerersparnisabsichten dient. Das UmwStG 1969 will jedoch weder von vornherein zu erwartende Betriebsveräußerungsgewinne noch allgemein Übertragungsgewinne i. S. des § 15 KStG 1969 begünstigen.
Aus dem Gesagten folgt, daß ein "triftiger Grund" i. S. des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 dann zu verneinen ist, wenn die Veräußerung des übergehenden "Betriebes" innerhalb der Fünfjahresfrist schon im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Unternehmensumformung vorhersehbar war (vgl. Urteil des FG München vom 10. Juli 1981 VIII 296/78 F, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 138; Widmann/Mayer, a. a. O., 1. Aufl. Rz. 6544 zu § 4 UmwStG 1969 und Neuauflage Rz. 8774 zu § 25 UmwStG 1977). Verändern sich die im Zeitpunkt des Umwandlungsbeschlusses bestehenden Verhältnisse in einer Weise, daß sich der Übernehmer erst auf Grund der Veränderung zu einer Veräußerung des "Betriebes" innerhalb des Fünfjahreszeitraums veranlaßt sieht, so ist zur Auslegung des Begriffes "triftiger Grund" darauf abzustellen, ob die Veräußerung sich als die wirtschaftlich stichhaltige Folge der veränderten Verhältnisse darstellt. Diese Interpretation ergibt sich aus dem Wortsinn des Begriffes "triftiger Grund". Es kommt von "treffen" und wird im Sprachgebrauch im Sinne von "stichhaltig" verwendet (vgl. Mackensen, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl., München 1972, Stichwort "triftig"). Stichhaltig ist die Veräußerung auf Grund der veränderten Verhältnisse dann, wenn die Mehrzahl vergleichbarer Unternehmer die gleiche Veräußerungsentscheidung in einer ähnlichen Situation unabhängig von dem Eintritt des steuerlichen Vorteils getroffen hätte. Nur dann ist die Veräußerung objektiv auf die Veränderung der Umstände im Sinne von "treffen" zurückzuführen. Nur unter dieser Voraussetzung ist eine Art von wirtschaftlicher Zwangslage gegeben, die es rechtfertigt, dem Unternehmer die Steuererleichterungen trotz Verfehlung des objektiven Gesetzeszweckes zu belassen. Entsprechend ist eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe vor allem dann auf einen "triftigen Grund" i. S. des § 24 Abs. 2 UmwStG 1969 zurückzuführen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse seit dem Zeitpunkt des Umwandlungsbeschlusses derart verändert haben, daß sich die Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe als die wirtschaftlich vernünftige Reaktion auf die Veränderung der Verhältnisse darstellt.
dd) Das FG hat in seiner Entscheidung nicht auf die Vorhersehbarkeit der Betriebsveräußerung, sondern einmal auf die der Zahlungsverpflichtung wegen Vermögensabgabe ab 1969/70 abgestellt. Die Vorhersehbarkeit der Zahlungsverpflichtung wegen Vermögensabgabe ab 1969/70 schlägt aber nur dann auf die Vorhersehbarkeit der Betriebsveräußerung durch, wenn nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers am 19. Februar 1970 die Zahlungsverpflichtung vernünftigerweise durch den Verkauf des Doppelhauses erfüllt werden mußte. Dazu fehlt jede Feststellung des FG. Ggf. wird dieses zusätzlich prüfen müssen, ob auch im Januar 1974 die Veräußerung des Doppelhauses die einzige wirtschaftlich vernünftige Lösung war, um die Steuerschuld zu finanzieren. Das FG hat ferner darauf abgestellt, der Kläger habe mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß der Mietvertrag gekündigt werde und die Fabrikhallen erst nach Vornahme umfangreicher Umbauten hätten weitervermietet werden können. Auch insoweit ist jedoch allein die Vorhersehbarkeit der Betriebsveräußerung als Folge der Kündigung des Mietvertrages, der Notwendigkeit von Umbauten und ihrer Finanzierung entscheidend. Von einer solchen Vorhersehbarkeit kann nur gesprochen werden, wenn schon am 19. Februar 1970 konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, daß der Mietvertrag im Jahre 1973 gekündigt werde, daß eine Weitervermietung nur nach Umbauten im Werte von rd. 60 000 DM möglich sein werde und dieser Betrag aus dem Erlös der Veräußerung des Doppelhauses finanziert werden müsse. Dazu fehlt wiederum jede tatsächliche Feststellung des FG. Ggf. wird dieses auch insoweit prüfen müssen, ob die Veräußerung des Doppelhauses aus der Sicht des Jahres 1974 die einzige wirtschaftlich vernünftige Möglichkeit war, um die Umbaukosten zu finanzieren.
ee) Zu Unrecht hat das FG darauf abgestellt, daß die Fortführung des übernommenen "Betriebes" im Januar 1974 für den Kläger zumutbar war. Die Unzumutbarkeit läßt sich als Tatbestandsvoraussetzung des "triftigen Grundes" weder aus dem Wortsinn bzw. dem Bedeutungszusammenhang des Begriffes noch aus der vom Gesetzgeber verfolgten Regelungsabsicht herleiten. Ein "triftiger Grund" ist ein stichhaltiger und überzeugender Grund. Die Unzumutbarkeit der Weiterführung des übernommenen "Betriebes" ist gegenüber dem "triftigen Grund" ein graduell gesteigerter, der dem Unternehmer praktisch keinerlei Entscheidungsspielraum beläßt. Das Gesetz enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß es auf das Fehlen jedes Entscheidungsspielraumes ankommen soll. Nicht jeder Grund, der stichhaltig und überzeugend für eine Betriebsveräußerung spricht, läßt die Weiterführung des "Betriebes" für den Unternehmer unzumutbar erscheinen. Kommt es demnach auf die Unzumutbarkeit der Betriebsfortführung nicht an, so schließt dies nicht aus, daß das FG zu der Feststellung gelangen wird, der Kläger hätte anstelle der Betriebsveräußerung ebensogut ein Darlehen aufnehmen können. Das FG hat seine diesbezügliche Feststellung auf Seite 8 oben seines Urteils bisher nur unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten getroffen. Letztlich kommt es jedoch darauf an, ob die Darlehensaufnahme mit Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers im Januar 1974 möglich und wirtschaftlich zumindest ebenso sinnvoll wie die Betriebsveräußerung war. Diese Feststellung läßt sich dem FG-Urteil jedoch nicht entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 426133 |
BStBl II 1985, 342 |
BFHE 1985, 241 |