Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage unter welchen Voraussetzungen Waldnutzungen, die über die nachhaltig erzielbaren jährlichen regelmäßigen Nutzungen hinausgehen, aus wirtschaftlichen Gründen geboten und darum als außerordentliche Waldnutzungen zu dem begünstigten Steuersatz des § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG heranzuziehen sind.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 3, § 34b/1/1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Holznutzung als außerordentliche Waldnutzung anzuerkennen und deshalb der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu gewähren ist.
Die Beschwerdeführer (Bf.), Mutter und zwei volljährige Söhne, bewirtschaften als Gesellschafter das rd. 300 ha große Gut, dessen Einheitswert 284.000 DM beträgt. Sie sind zu je ein Drittel am Gewinn und Verlust beteiligt. Die Bf. schlugen im Wirtschaftsjahr 1951/52 aus ihren Forsten über die Normalnutzung hinaus Holz im Werte von 15.084 DM ein. Sie nahmen dafür den ermäßigten Steuersatz in Anspruch, weil die übernutzung aus wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG geboten gewesen sei. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, weil der überhieb entgegen der Behauptung der Bf. nicht zwangsläufig zur Deckung eines betrieblichen Kapitalbedarfs, sondern im Hinblick auf die hohen Holzpreise zur allgemeinen Gewinnsteigerung gemacht worden sei. Die Bf. hatten insoweit mit dem Einspruch keinen Erfolg.
Auch die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht führte aus: Das Finanzamt habe zutreffend angenommen, daß die übernutzung nicht zwangsläufig zur Deckung eines Kapitalbedarfs vorgenommen worden sei. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Guts hätten sich fortlaufen gebessert. Es seien die folgenden Gewinne bzw. Verluste ausgewiesen worden:
Wirtschaftsjahr 1948/1949 ----- Gewinn --------- 788 DM, Wirtschaftsjahr 1949/50 ------- Verlust ------ 9.376 DM, Wirtschaftsjahr 1950/51 ------- Gewinn ----- 103.816 DM, Wirtschaftsjahr 1951/52 ------- Gewinn ------ 96.252 DM.Auch das Verhältnis von Forderungen und Schulden habe sich in den letzten Jahren günstig, wie folgt, entwickelt:
Wirtschaftsjahr 1948/49 überschuß der Schulden ---- 7.309 DM, Wirtschaftsjahr 1949/50 überschuß der Schulden --- 36.908 DM, Wirtschaftsjahr 1950/51 überschuß der Forderungen - 3.383 DM, Wirtschaftsjahr 1951/52 überschuß der Forderungen - 6.153 DM.Bei dieser Lage habe keine zwangsläufige Veranlassung zu dem Mehreinschlag bestanden. Dieser sei vielmehr gemacht worden, um, wie die Bf. selbst zugegeben hätten, eine Gewinnsteigerung zu erzielen. Die Bf. hätten geltend gemacht, daß der Gewinn 1951/52 in Höhe von 56.000 DM für Investitionen verwendet worden sei, daß nach Abdeckung der alten Steuerschulden keine Reserve zur Abdeckung der mit dem Gewinn 1950/51 zusammenhängenden Steuerschulden übrig geblieben sei und daß gegenwärtig die Schulden bei weitem wieder die Forderungen überstiegen. Aus diesem Vorbringen könne aber nicht auf die Zwangsläufigkeit des überhiebs geschlossen werden. Der Erlös aus dem überhieb sei im Verhältnis zum Gewinn 1951/52 auch nur gering gewesen.
Das Finanzamt habe im übrigen auch schon für die vorangehenden Veranlagungszeiträume in erheblichen Masse für Mehreinschläge Steuerbegünstigung gewährt, so allein im Wirtschaftsjahr 1950/51 für einen Betrag von 22.675 DM.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügen die Bf. unrichtige Anwendungen des § 43 Abs. 3 Satz 1 EStG und unzureichende Sachaufklärungen. Sie machen insbesondere geltend, das Finanzgericht hätte einen landwirtschaftlichen Sachverständigen zuziehen und durch ihn feststellen lassen müssen, ob bei der Struktur des Betriebs die Investitionen und deshalb auch die Mehreinschläge zur Deckung eines Kapitalbedarfs notwendig gewesen seien. Die Gegenüberstellung der Gewinne sowie der Forderungen und der Schulden genüge für eine solche Feststellung nicht. Der überhieb sei zu Erhaltung der Liquidität geboten gewesen. Die hohen Investitionen hätten gemacht werden müssen, um die Eingriffe in den Inventarbesatz während und nach der Kriegszeit auszugleichen und um den Betrieb zur vollen Erzeugungsleistung zu bringen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG 1951 gelten als außerordentliche Waldnutzungen alle aus wirtschaftlichen Gründen gebotenen überhiebe. Wie der Reichsfinanzhof im Urteil VI A 889/34 vom 29. Januar 1936 (Slg. Bd. 39 S. 82, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1936 S. 752) ausgeführt hat, ist eine Nutzung "aus wirtschaftlichen Gründen geboten", wenn sie der Steuerpflichtige zwangsläufig zur Deckung eines Kapitalbedarfs ausgeführt hat, der im forstwirtschaftlichen Betrieb oder im gleichzeitig unterhaltenen landwirtschaftlichen Betrieb oder auch in der Privatwirtschaft des Steuerpflichtigen infolge bestimmter Umstände eingetreten ist. Ein außerordentlicher Eingriff in den Waldbestand ist geboten, wenn ein gewisser Zwang zur Geldbeschaffung vorgelegen hat. Der Senat tritt dieser Rechtsauffassung bei. Ein Zwang kann vor allem auch angenommen werden, wenn der Kapitalbedarf dadurch entstanden ist, daß der Inventarbestand eines gleichzeitig geführten landwirtschaftlichen Betriebs nach schweren Eingriffen in der Kriegs- und Nachkriegszeit wieder hergestellt werden muß. Als wirtschaftlich geboten und deshalb zwangsläufig können aber auch Aufwendungen anerkannt werden, die zur Finanzierung von Nachholbedarf, zur Modernisierung des landwirtschaftlichen Betriebs, zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit, zur Steigerung der Erzeugungskraft und zur Hebung der wirtschaftlichen Rentabilität erforderlich sind. Die Frage, ob die Aufwendungen innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs geboten waren, ist zwar an sich nach objektiven Maßstäben zu prüfen. Dem Ermessen des Landwirts, der in erster Linie am Gedeihen des Betriebs interessiert und mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten des Betriebs am besten vertraut ist, muß aber ein gewisser Spielraum eingeräumt werden. Wenn er einen außerordentlichen Eingriff in den Wald vornimmt und den Erlös aus dem überhieb nicht zur Steigerung der privaten Lebenshaltung verwendet, sondern in die mit dem Forstbetrieb verbundene Landwirtschaft fließen läßt und dort zur Wiederherstellung und Verbesserung des Bestands sowie zur Hebung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs verwendet, so liegt jedenfalls die Annahme nahe, daß der überhieb wirtschaftlich geboten war.
Die Erwägungen des Finanzgerichts tragen die Vorentscheidung nicht. Die Tatsache, daß nach den schlechten Jahren 1948/49 und 1949/50 in den Wirtschaftsjahren 1950/51 und 1951/52 erhebliche Gewinne erzielt wurden, reicht zur Beurteilung der wirtschaftlichen Notwendigkeit des überhiebs nicht aus. Noch weniger die Tatsache, daß sich das Verhältnis zwischen Forderungen und Schulden in den letzten beiden Wirtschaftsjahren gebessert hat. Denn diese Umstände schließen nicht aus, daß die Bf. in ihrem Betrieb noch Investitionen machen müßten, für die es an flüssigen Mitteln fehlte. Wenn das Finanzgericht aus der Entwicklung des Verhältnisses von Forderungen und Schulden Folgerungen auf die Liquidität ziehen wollte, hätte es mindestens auf die Art der Forderungen und Schulden, insbesondere ihre Laufzeit, näher eingehen müssen, abgesehen davon, daß der überschuß der Forderungen in den beiden letzten Jahren im Vergleich zur Höhe des Betriebskapitals und des Umschlags nicht erheblich, und, wie die Bf. unbestritten behaupten, auch nur vorübergehend war. Für die Frage, ob ein Kapitalbedarf vorlag und der überhieb geboten war, hätte die wirtschaftliche Lage des Betriebs im ganzen beurteilt und nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auf Einzelheiten eingegangen werden müssen. Wie der Betriebsprüfer Anfang 1951 festgestellt hatte, waren die nach der Währungsumstellung zunächst ausgewiesenen ungünstigen Ergebnisse darauf zurückzuführen, daß die Bewirtschaftungsart des Betriebs geändert worden war. Der Betrieb sei auf eine äußerst intensive Bewirtschaftung eingerichtet worden, die schon in den Wirtschaftsjahren 1948/49 und 1949/50 höhere Rohbeträge gebracht habe. Diese Ertragssteigerung sei durch hohe Aufwendungen bewirkt worden. Ob die Ertragssteigerung auf die Dauer durch die hohen Aufwendungen gerechtfertigt würde, sei noch ungewiß. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Umstellung der Bewirtschaftung in das Wirtschaftsjahr 1951/52 fortwirkte und mit zu einem dringenden Kapitalbedarf führte. Die Privatentnahmen waren, soweit sie nicht auf Personensteuern und Soforthilfeabgabe entfielen und deshalb zwangsläufig waren, nach der bisher unbestrittenen Behauptung der Bf. jedenfalls auffallend gering und sollen für die drei Bf. insgesamt nur betragen haben:
Wirtschaftsjahr -- Naturalentnahme -- Barentnahmen ------------------ und Mietwert 1948/49 ---------- 1.586 DM --------- 3.321 DM 1949/50 ---------- 1.372 DM ---------- 4.612 DM 1950/51 ---------- 2.749 DM ---------- 7.154 DM 1951/52 ---------- 2.307 DM --------- 11.127 DM 1952/53 ---------- 2.668 DM --------- 10.565 DM Treffen diese Angaben zu, so kann wohl angenommen werden, daß die Erlöse aus dem überhieb nicht zur Steigerung der privaten Lebenshaltung der Bf. verwendet worden sind. Daß der landwirtschaftliche Betrieb trotz der Einschränkung in der Lebenshaltung der Bf. Mangel an flüssigen Mitteln hatte, kann wohl auch daraus entnommen werden, daß das Finanzamt mehrfach rückständige Steuern stundete.
Die weiteren Erwägungen des Finanzgerichts, daß der überhieb im Wirtschaftsjahr 1951/52 im Vergleich zum Gewinn nicht erheblich gewesen sei, und daß das Finanzamt schon in früheren Veranlagungszeiträumen überhiebe steuerbegünstigt habe, schließt nicht aus, daß der überhieb im Wirtschaftsjahr 1951/52 aus wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG geboten war.
Die Vorentscheidung ist demnach wegen mangelnder Sachaufklärung und möglicher rechtsirriger Nichtanwendung des § 34 Abs. 3 EStG aufzuheben. Bei der erneuten Behandlung der Sache muß das Finanzgericht erwägen, ob es, wenn seine eigene Sachkunde nicht ausreicht, nicht durch einen Sachverständigen oder einen landwirtschaftlichen Prüfer gutachtlich feststellen lassen soll, ob im landwirtschaftlichen Betrieb der Bf. ein zwangsläufiger Kapitalbedarf im Sinne des Urteils vom 29. Januar 1936 bestand, der den außerordentlichen Eingriff in den Holzbestand geboten erscheinen ließ. Dabei ist vor allem auf die Entwicklung und die Lage des Betriebs nach den Grundsätzen der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftslehre einzugehen, und auch zu dem im Rechtsbeschwerdeverfahren von den Bf. und dem Finanzamt vorgebrachten betriebswirtschaftlichen und anderen Material Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 408106 |
BStBl III 1955, 74 |
BFHE 1955, 192 |
BFHE 60, 192 |