Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
In den Vergleichsbilanzen ausgewiesene Bankschulden aus dem laufenden Konto einer OHG führen zu Schuldnergewinnen bei der Kreditgewinnabgabe, auch wenn sie durch die Zahlung nichtbetrieblicher Steuern für die Gesellschafter entstanden oder erhöht worden sind.
Normenkette
LAG §§ 161, 163
Tatbestand
I. Bescheid
Die abgabepflichtige OHG hat vor der Währungsreform über ihre Bankkonten Personensteuern ihrer Gesellschafter in Höhe von rd. 200.000 RM gezahlt. Der Betrag wurde zusammen mit anderen Schulden in einer Gesamthöhe von 220.000 RM als Verbindlichkeiten an Banken in der RM-Schlußbilanz und im Verhältnis 10 : 1 auch in der DM-Eröffnungsbilanz passiviert. Das Finanzamt hat den durch die Umstellung entstandenen Schuldnergewinn zur Kreditgewinnabgabe herangezogen.
Mit der gegen die Veranlagung eingelegten Sprungberufung beantragte die Abgabepflichtige, die sich aus der Umstellung der Bankschulden ergebenden Schuldnergewinne außer Ansatz zu lassen. Nach den Feststellungen eines vom Finanzgericht eingesetzten Prüfers wurden die persönlichen Steuern der drei Gesellschafter, wie Vermögen-, Einkommen- und Kirchensteuern, auf Anweisung des Treuhänders der Gesellschaft über die der Firma zustehenden Bankinstitute jeweils aus dem Betriebskonto gezahlt. Die Belastung der Gesellschafter bei der Firma wurde auf einem privaten Sammelkonto vorgenommen. Nach der Erklärung der Abgabepflichtigen wurde diese Art der Steuerzahlung deshalb eingeschlagen, weil das Vermögen und die persönlichen Konten der Gesellschafter damals gesperrt waren und der Betrieb unter Treuhänderschaft gestanden hat.
Die Abgabepflichtige ist der Ansicht, daß die persönlichen Steuerschulden sowie die entsprechenden Erstattungsansprüche der Unternehmer oder Mitunternehmer gewerblicher Betriebe stets als privat anzusehen und also ohne Rücksicht auf ihre bilanzmäßige Behandlung für die Kreditgewinnabgabe außer Betracht zu lassen sind. Aus den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ergebe sich der ursächliche und unmittelbare Zusammenhang der Bankschulden mit den privaten Steuerzahlungen. Wirtschaftlich seien diese Kredite für die Gesellschafter persönlich bestimmt und durch ihre privaten Vermögenswerte gedeckt gewesen. Durch die Aufnahme der Bankschulden sei dem Betriebe keinerlei Gegenwert zugeflossen.
Das Finanzgericht hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Maßgebend für die Feststellung der Kreditgewinnabgabe sei die DM-Eröffnungsbilanz. Nach § 40 HGB müßten die Schulden des Betriebes in der Bilanz ausgewiesen werden, wobei ihr Entstehungsgrund ohne Bedeutung sei. Die Bindung an die in der DM-Eröffnungsbilanz eingestellten Werte für die Steuern vom Vermögen nach § 75 Abs. 1 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) trete auch dann ein, wenn sich die höhere Bewertung in der DM-Eröffnungsbilanz im Einzelfalle bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht steuermindernd auswirke. Im vorliegenden Falle komme in der Bilanzierung der Wille der Gesellschafter zum Ausdruck, daß sie die für private Zwecke entnommenen Beträge als Betriebsschulden hätten angesehen wissen wollen. Die Einzelbeträge verlören nach § 355 HGB ihren speziellen Charakter als für private Zwecke aufgenommene Schulden, da die Saldofeststellung den Untergang der verrechneten Ansprüche und Leistungen und die Begründung einer neuen, vom Schuldgrund gelösten Forderung, die sogenannte Saldoforderung, zur Folge habe.
Die Abgabepflichtige hat Rb. eingelegt und rügt unrichtige Rechtsanwendung durch das Finanzgericht. Obwohl Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt ist, hält der Senat es für zweckmäßig, vorerst einen Bescheid gemäß § 294 Abs. 2 AO zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kreditgewinnabgabe jeder gewerbliche Betrieb im Sinne des § 56 des Bewertungsgesetzes (BewG) unterliegt, zur Feststellung der Schuldnergewinne von den maßgeblichen steuerlichen Erfolgsbilanzen auszugehen ist und nur Betriebsschulden zu einem Schuldnergewinne führen können. Mit Recht beanstandet aber die Bfin., daß das Finanzgericht die hier in Rede stehenden Schulden als gewillkürtes passives Betriebsvermögen betrachtet. In übereinstimmung mit dem Urteil III 218/54 S vom 24. August 1956, BStBl 1956 III S. 325, Slg. Bd. 63 S. 334, hält der Senat daran fest, daß eine Schuld entweder mit dem Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang steht und darum notwendigerweise Betriebsschuld ist oder notwendige Privatschuld, wenn dieser wirtschaftliche Zusammenhang fehlt; auf den Willen der Gesellschafter kommt es bei Beurteilung der Frage, ob eine Betriebsschuld vorliegt, nicht an. Es ist auch nicht richtig, daß bei der Kreditgewinnabgabe Personen- und Kapitalgesellschaften einander gleichzusetzen sind, wie das Finanzgericht meint. Als der unterschiedlichen Behandlung dieser von den Beteiligten geschaffenen Unternehmensformen bei der Kreditgewinnabgabe hält der erkennende Senat fest. Es ist zwar davon auszugehen, daß persönliche Schulden der Gesellschafter keine Schulden der Personengesellschaft sind. Im vorliegenden Falle handelt es sich aber nicht um Schulden der Gesellschafter, sondern um eine Schuld der OHG gegenüber den Banken. Da die OHG mit der Erhöhung ihres Schuldsaldos aus den laufenden Konten eine Schuld ihrer Gesellschafter beglichen hat, wäre zu erwägen, ob nicht die OHG eine Forderung gegen ihre Gesellschafter hätte. Selbst wenn man das annehmen dürfte, wäre eine solche Forderung gemäß § 164 Abs. 3 Ziff. 2 LAG für die Kreditgewinnabgabe außer Betracht zu lassen.
Der Rb. ist auch darin zuzustimmen, daß die Ansicht der Vorinstanz, die Bilanzbündeltheorie komme allgemein im Bewertungsrecht nicht zum Zuge, nicht richtig ist. Zutreffend aber hat das Finanzgericht angenommen, daß im vorliegenden Falle die Bilanzbündeltheorie nicht herangezogen werden kann. Für den Begriff der eine Verbindlichkeit schuldenden Personengesellschaft bezieht sich § 161 LAG ausdrücklich auf den Betrieb im Sinne des BewG, d. h. auf § 56 Abs. 1 Ziff. 7 BewG. Die Bilanzbündeltheorie geht im wesentlichen davon aus, daß die Bilanz der Personengesellschaft eine Zusammenfassung der Bilanzen der Gesellschafter ist. Diese Betrachtung hat ihre Bedeutung bei den Personensteuern (Einkommensteuer, Vermögensteuer), bei denen nicht die Personengesellschaft, sondern die beteiligten Gesellschafter zur Steuer herangezogen werden, deren Anteil am Einkommen oder Vermögen festzustellen ist. Eine andere Beurteilung muß aber bei der Kreditgewinnabgabe Platz greifen, bei der die Firma selbst besteuert wird. Hierbei ist grundsätzlich - wenn nicht vom Gesetz etwas anderes bestimmt ist - kein Raum für die Erörterung von Teilhaberbilanzen der Gesellschafter.
Das bedeutet, daß Schulden der Gesellschaft nicht unmittelbar Schulden der Gesellschafter sind und umgekehrt. Ferner bedeutet es, daß Schulden und Forderungen zwischen Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern hier möglich sind, andernfalls die §§ 163 Abs. 3 Ziff. 2 und 164 Abs. 3 Ziff. 2 LAG ohne Bedeutung wären. Infolgedessen sind die Bankschulden der OHG nicht identisch mit den Schuldkonten der Gesellschafter; die OHG ist vielmehr durch die Erhöhung des Schuldsaldos ihrer Konten eine eigene Verbindlichkeit eingegangen, die darum bei der Gesellschaft bilanziert werden muß. Da Personengesellschaft und Einzelkaufmann nicht einander gleichgesetzt werden können, kann auch das Urteil III 218/54 S vom 24. August 1956 a. a. O. von der Bfin. nicht zur Stützung ihrer Ansicht unmittelbar herangezogen werden; denn dieses Urteil behandelt die Abgrenzung zwischen Betriebsschulden und privaten Schulden für den Einzelkaufmann. Infolgedessen können auch die Ausführungen der Bfin., die Valuta des Kredites habe die liquiden Betriebsmittel der Gesellschaft nicht erhöht, der Rb. nicht zum Erfolge verhelfen.
Es kommt hinzu, daß die Leistungen zugunsten der Gesellschafter aus dem laufenden Betriebskonto der OHG gezahlt worden sind. In seinem Urteile III 162/59 U vom 23. September 1960 (BStBl 1960 III S. 497, Slg. Bd. 71 S. 666) hat der Senat ausgesprochen, daß ein laufendes Betriebskonto, über das die betrieblichen Einnahmen und Ausgaben geleitet werden, nicht dadurch zum Teil privaten Charakter erhält, daß daraus private Schulden beglichen werden; soweit das geschieht, liegt eine Entnahme vor, die den betrieblichen Charakter des Kontos nicht berührt. Der Saldo des Betriebskontos ist eine betriebliche Forderung bzw. Schuld. Maßgebend ist der Wert am Währungsstichtag; ein Zurückgehen auf die Entwicklung des Kontokorrentkontos in früher liegenden Zeiträumen für die Kreditgewinnabgabe ist nach § 163 LAG nicht zulässig. Der Ausweis der Bilanzen zur Zeit der Währungsumstellung entscheidet.
Da aus diesem Grunde die Bankschulden der OHG als betriebliche Schulden anzusehen sind, sind sie mit Recht vom Finanzamt zur Ermittlung des Schuldnergewinnes herangezogen worden, und die Rb. muß als unbegründet zurückgewiesen werden.
II. Urteil Wegen des Tatbestandes wird auf den Bescheid vom 30. September 1960 verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung räumte die Bfin. ein, daß die OHG die in Rede stehenden Kredite als Schulden habe ausweisen müssen. Gleichwohl könne sie das Ergebnis des Bescheides nicht als richtig anerkennen. Sowohl die Hypothekengewinnabgabe wie auch die Kreditgewinnabgabe würden auf Schuldnergewinne erhoben; während es bei der Hypothekengewinnabgabe aber eine Sondervorschrift für spätvalutierte Verbindlichkeiten gebe, fehle es an einer solchen bei der Kreditgewinnabgabe. Wenn bei dieser davon ausgegangen werde, daß den Schulden des Betriebes ein gesicherter Vermögenswert gegenüberstehe, so sei die Abgabe nur gerechtfertigt für die Umstellung von Verbindlichkeiten, für die der Abgabepflichtige den vollen Gegenwert behalten habe. Hier handle es sich um Steuerschulden, bei denen diese Voraussetzung nicht erfüllt sei. Für den vorliegenden Fall habe der Gesetzgeber eine Abgabepflicht nicht beabsichtigt, so daß eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes am Platze sei. Das Ergebnis scheine ihr auch deshalb unbillig, weil sie auf ihr Einkommen eine hohe Einkommensteuer gezahlt habe und auf den Kredit, der zur Zahlung dieser Steuer aufgenommen worden sei, noch zusätzlich Kreditgewinnabgabe zahlen solle; hinzu komme die überlegung, daß keine Kreditgewinnabgabe angefallen wäre, wenn sie die persönliche Steuerschuld nicht erfüllt hätte.
Für die Gesellschafter der Steuerpflichtigen wäre es auch leicht gewesen, die Steuerschulden über einen ihrer kleineren Betriebe zu bezahlen, bei denen dann der Schuldsaldo so hoch geworden wäre, daß die Kreditgewinnabgabe hätte erlassen werden müssen.
Sie beantragte, das Gesetz gegen seinen Wortlaut dahin auszulegen, daß Schulden privater Art, die allein die Abgabe auslösten, außer Betracht zu lassen seien. Außerdem beantragte sie, den Streitwert auf die Hälfte des im Bescheide genannten Wertes herabzusetzen.
Der Vertreter des Finanzamts wies u. a. darauf hin, daß zum Ausgleiche einer Härte bereits bei der Gewerbesteuer die in Rede stehenden Steuerschulden nicht als Dauerschulden behandelt worden seien, und die Kreditgewinnabgabe seit acht Jahren zinslos gestundet sei.
Die Ausführungen der Bfin. vermögen der Rb. nicht zum Erfolge zu verhelfen.
Daß die Zurückweisung der Rb. dem Gesetze entspricht, hat die Bfin. nicht angezweifelt. Der Bundesfinanzhof hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß auch gegenüber dem Wortlaute eines Gesetzes dem Zwecke und der wirtschaftlichen Bedeutung Geltung zu verschaffen ist, wenn diese erkennbar eine vom Wortlaute abweichende Auslegung verlangen. Eine Auslegung gegen den klaren und vom Gesetzgeber gewollten Wortlaut hat er aber nicht für tragbar gehalten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 206/52 U vom 16. April 1953, BStBl 1953 III S. 166, Slg. Bd. 57 S. 427). Auch im vorliegenden Falle vermag der Senat der Bfin. nicht darin zuzustimmen, daß das gefundene Ergebnis dem erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers widerspricht. Die Kreditgewinnabgabe erfaßt grundsätzlich die Schuldnergewinne, die durch die Umstellung von betrieblichen RM-Verbindlichkeiten entstanden sind. Auch die Bfin. kann nicht bestreiten, daß es sich um eine betriebliche Verbindlichkeit handelt, und daß ein Schuldnergewinn entstanden ist; denn unstreitig ist die Bfin. durch die Währungsumstellung von 9/10 ihrer Schuld befreit worden. Wie die Schuld entstanden ist, ist für die Kreditgewinnabgabe grundsätzlich nicht maßgebend und kann - wie im Bescheide begründet - hier um so weniger von Bedeutung sein, als es sich um einen Kontokorrentsaldo handelt. Keinesfalls läßt sich dem Gesetze entnehmen, daß der Gewinn nur aus solchen Schulden zur Kreditgewinnabgabe heranzuziehen sei, denen ein gesicherter Vermögenswert unter den Aktiven gegenüberstehe. Insofern verkennt die Bfin., daß der Schuldnergewinn aus der Umstellung einer betrieblichen Verbindlichkeit Grund und Ursache für die Erhebung der Kreditgewinnabgabe sind. Da Bemessungsgrundlage der Gewinnsaldo aus Schuldnergewinnen und Gläubigerverlusten ist, hat die Kreditgewinnabgabe im LAG eine eigene Gestalt erhalten, die es verbietet, Regelungen für die Hypothekengewinnabgabe zur Auslegung der Kreditgewinnabgabe-Vorschriften heranzuziehen.
Richtig ist allerdings der Vortrag der Bfin., daß keine Kreditgewinnabgabe angefallen wäre, wenn sie die Einkommensteuer nicht gezahlt hätte. Ob die Einkommensteuerschuld getilgt wird, ist nicht nur vom Willen des Steuerpflichtigen abhängig, da die Steuerleistung erzwungen werden kann. Darüber hinaus kann der Einwand nicht zur Freistellung von der Kreditgewinnabgabe führen, da der Senat nicht danach urteilen darf, was die Bfin. hätte tun können, sondern nach dem, was tatsächlich geschehen ist. Der Tatbestand begründet aber nach Wortlaut wie auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes die Kreditgewinnabgabepflicht.
Ob sich im vorliegenden Falle eine Härte ergibt, die einen Ausgleich rechtfertigt, und ob die Nichtheranziehung der Verbindlichkeit als Dauerschuld zur Gewerbesteuer und die Stundung der Kreditgewinnabgabe bereits einen hinreichenden Ausgleich darstellen, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Auch dem Antrage auf Herabsetzung des Streitwertes kann nicht entsprochen werden. Für die Entscheidung über den Streitwert gilt nach § 320 Abs. 4 AO zwar freies Ermessen; der Bundesfinanzhof ist aber stets davon ausgegangen, daß es sich hierbei um einen objektiven Wert handelt, der durch das Interesse der Beteiligten an dem Ausgang des Rechtsstreites bestimmt wird. Ein Anlaß zum Erlaß der Rechtsmittelkosten aus Gründen des § 319 AO liegt ebenfalls nicht vor. Ob ein Erlaß nach § 131 AO angebracht ist, bleibt der Entscheidung der Verwaltungsbehörden überlassen.
Fundstellen
Haufe-Index 409950 |
BStBl III 1961, 137 |
BFHE 1961, 374 |
BFHE 72, 371 |