Entscheidungsstichwort (Thema)
Steueranpassungsgesetz. Vermögensabgabe
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Nacherbe haftet nicht gemäß § 8 StAnpG i.V. mit § 7 StAnpG, wenn der Nacherbe nur einzelne Nachlaßgegenstände vom Vorerben erworben hat und der Nacherbfall noch nicht eingetreten ist.
2. Erwirbt die Tochter als Nacherbin von der Mutter als Vorerbin Nachlaßgegenstände, kann eine gemischte Schenkung im Sinne des § 61 LAG nicht ohne weiteres unterstellt und die Haftung nicht angeordnet werden, wenn erhebliche Zweifel an der (teilweisen) Unentgeltlichkeit des Erwerbes bestehen.
Orientierungssatz
Haftung des Nacherben für Vermögensabgabe
Normenkette
StAnpG §§ 7-8; LAG § 61
Tatbestand
Der im Jahre 1948 verstorbene Vater der Bfin. ist gemeinsam mit seiner Ehefrau zur Vermögensabgabe (VA) veranlagt worden. Die nicht angefochtene Veranlagung hat zur Festsetzung einer Vermögensabgabe von insgesamt 20.000 DM geführt.
Auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute im Jahre 1944 ist der Anteil des Vaters der Bfin. am abgabepflichtigen Vermögen zunächst auf seine Ehefrau als alleinige befreite Vorerbin übergegangen. Die Bfin. und ihr Bruder sind testamentarisch zu Nacherben eingesetzt worden. Der Nacherbfall ist bislang nicht eingetreten.
Wohl aber hat die Mutter der Bfin. in dem Erbauseinandersetzungsvertrage vom Jahre 1949 über Teile des Nachlasses zugunsten ihrer Kinder, vorwiegend zugunsten ihres Sohnes, des Bruders der Bfin., verfügt. Diesem ist durch Vertrag der wertvollste Teil des Nachlasses, nämlich das Geschäft seines Vaters einschließlich des Firmenrechtes, mit Wirkung vom Jahre 1948 mit der Maßgabe übertragen worden, daß sämtliche Zeichnungen und Modelle Eigentum der Vorerbin bleiben sollten und eine Veräußerung ihrer Zustimmung bedurfte. Außerdem wurde dem Bruder der Bfin. das Recht zur Erteilung von Lizenzen innerhalb Deutschlands zugesprochen, während die Bfin. nur das Fabrikationsrecht und das Recht zur Erteilung von Lizenzen im Ausland erhielt, im übrigen aber auf alle weiteren Rechte am Firmenvermögen verzichtete.
Nachdem dies geschehen und der VA-Bescheid ergangen war, haben der Bruder und die Mutter der Bfin. gemeinsam einen Antrag auf Aufteilung der VA gestellt, dem das FA entsprochen hat. Nach diesem Aufteilungsbescheid, der sich auf die ab 1. April 1956 fällig gewordenen und noch fällig werdenden Vierteljahrsbeträge der VA erstreckt, ist nunmehr der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag in seiner Gesamthöhe vom Bruder der Bfin., der für die Folgezeit zum Abgabeschuldner geworden ist, zu entrichten.
Für die vorangegangene Zeit vom 1. April 1952 bis 1. April 1956 ist die Mutter der Bfin. Abgabeschuldnerin der VA-Leistungen geblieben. Als die Einziehung der rückständigen VA-Leistungen aus diesem Zeitraum auf Schwierigkeiten stieß, erließ das FA einen Haftungsbescheid, der sowohl gegen den Bruder der Bfin. als auch gegen diese selbst gerichtet war. Der Haftungsanspruch wurde vom FA auf § 8 i. Verb, mit § 7 StAnpG gestützt und damit begründet, daß die Bfin. und ihr Bruder als Erben des verstorbenen Abgabeschuldners für die VA hafteten.
Der Einspruch der Bfin., in dem sie geltend machte, daß sie gemeinsam mit ihrem Bruder nur als Nacherbin eingesetzt, der Nacherbfall aber noch nicht eingetreten sei, blieb erfolglos. Das FA hat im Einspruchsbescheid den Haftungsanspruch aus §§ 7, 8 StAnpG aufrechterhalten und ihn unter Hinweis darauf, daß die Mutter der Bfin. durch späteren Überlassungsvertrag auch die Grundstücke W- und H-Straße ihren Kindern unentgeltlich überlassen habe, durch einen zusätzlichen Haftungsanspruch aus § 61 LAG ergänzt.
Die Berufung, in der die Bfin. auch die Unentgeltlichkeit beim Erwerbe des ihr überlassenen Grundstückes H-Straße bestritten hat, ist als unbegründet zurückgewiesen worden. Das FG hat zwar die Haftung der Bfin. aus den §§ 7, 8 StAnpG fallen lassen, diejenige aus § 61 LAG aber aufrechterhalten. Es hat seine Entscheidung insoweit allein auf die Erwägung gestützt, daß die Bfin. das wertvolle Grundstück H-Straße nur gegen Überlassung des Nießbrauchsrechtes erhalten habe; es handle sich daher ganz augenscheinlich um eine Veräußerung, die allein unter dem Gesichtspunkte der nahen verwandtschaftlichen Beziehungen vorgenommen worden sei. Die Haftung aus § 61 Abs. 1 LAG sei deshalb begründet.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, daß eine Haftung der Bfin. aus den §§ 7 und 8 StAnpG nicht zu begründen ist. Es kann zwar nicht bezweifelt werden, daß auch die Nacherbfolge eine Gesamtrechtsnachfolge i.S. des § 8 StAnpG darstellen kann. Dies setzt aber voraus, daß auf Grund der angeordneten Nacherbfolge das Nachlaßvermögen auf die Nacherben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist. Der Fall der Nacherbfolge ist hier noch nicht eingetreten. Soweit die Nacherben Gegenstände aus dem Nachlaß ihres Vaters erworben haben, handelt es sich um Einzelerwerbe, und zwar um Einzelrechtsnachfolge gegenüber ihrer Mutter als Vorerbin, nicht gegenüber dem Erblasser. Dies gilt insbesondere auch für den Erwerb des Grundstückes H-Straße durch die Bfin., das sie u.a. gegen Überlassung des lebenslänglichen Nießbrauches von ihrer Mutter erhalten hat. Da nach § 8 Abs. 2 StAnpG die Haftung der Erben, also auch der Nacherben gemäß den Vorschriften des bürgerlichen Rechts eintritt, kann nicht aus der Tatsache, daß die Vorerbin den Nachlaß ihres Mannes im Wege von Einzelverfügungen an ihre Kinder verteilt hat, auf den Eintritt der Nacherbfolge geschlossen werden. Der Fall der Gesamtrechtsnachfolge liegt demnach bei der Bfin. nicht vor.
Das FG hat seine Entscheidung deshalb ausschließlich auf die Anwendung des § 61 LAG gestützt. Da ein Fall der unentgeltlichen Zuwendung im eigentlichen Sinne auch nach der Ansicht des FG nicht vorliegt, weil die Mutter der Bfin. als Gegenleistung den Nießbrauch erhalten hat, so kann nur die Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift steht dem unentgeltlichen Erwerbe ein solcher Erwerb gleich, bei dem die Gegenleistung mehr nach den persönlichen Beziehungen als unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit bemessen wird, wie z.B. beim Altenteilsvertrage. Es handelt sich in derartigen Fällen regelmäßig um eine gemischte Schenkung; § 61 Abs. 1 Satz 2 beruht auf der Erwägung, daß bestimmte enge persönliche Beziehungen eine Vermutung dafür begründen können, daß die Gegenleistung auf Grund dieser Beziehungen niedriger als nach dem sonst üblichen Preise bemessen worden ist (vgl. Harmening, LAG, Bem. 15 e zu § 61). Die Bfin. hat von Anfang an bestritten, daß sie ihr Grundstück unentgeltlich erworben habe. Wenn auch die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bfin. und ihrer Mutter zunächst eine gewisse Vermutung dafür begründen konnten, daß der Überlassungspreis zu niedrig bemessen sei, so wäre es besonders deshalb, weil der Vorinstanz die Übernahme der sehr erheblichen Nießbrauchslast durch die Bfin. bekannt war, geboten gewesen, an Hand des Grundstücksüberlassungsvertrages eine wenigstens überschlägliche Berechnung über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung vorzunehmen und sich den Überlassungsvertrag vorlegen zu lassen. Eine nähere Prüfung der Unentgeltlichkeit konnte schon deshalb nicht unterbleiben, weil die Bfin. außer der unmittelbaren Gegenleistung für den Erwerb des Grundstückes offenbar auch insoweit materielle Opfer gebracht hat, als sie nach dem Erbauseinandersetzungsvertrage von 1949 auf ihre sonstigen Nacherbrechte am übrigen Nachlaß, insbesondere am Gewerbebetriebe ihres Vaters, verzichtete, ohne einen nennenswerten Vermögensvorteil aus dieser Nachlaßregelung zu erlangen, anscheinend in der Erwartung auf eine künftige günstigere Behandlung bei der Verteilung des noch vorhandenen Nachlaßvermögens, insbesondere der Nachlaßgrundstücke. Sollte dies zutreffen, so muß bezweifelt werden, ob bei der Mutter der Bfin., die aus der Verzichtserklärung ihrer Tochter erhebliche Vorteile (Bestellung einer Rente) gezogen hat, das Bewußtsein einer auch nur teilweisen Unentgeltlichkeit der Grundstücksübertragung vorhanden gewesen ist, zumal ihr der lebenslängliche Nießbrauch an diesem Grundstück erhalten blieb. Hinzu kommt, daß die Mutter der Bfin. in ihrer Rechtsstellung als Vorerbin insoweit beschränkt war, als sie unentgeltliche Verfügungen über das Grundstück nicht vornehmen durfte, und ihr die Nutzung des Grundstückes nach der Veräußerung in dem gleichen Umfange verbleibt, wie sie ihr zuvor als Vorerbin zugestanden hat. Demgegenüber beschränkt sich der Vorteil der Bfin. aus dem Grundstückserwerbe zunächst praktisch darauf, daß sie vor eventuellen Veräußerungsabsichten ihrer Mutter in Zukunft gesichert wurde. Die Annahme einer gemischten Schenkung muß hiernach zweifelhaft erscheinen. Das FG hätte daher vor einer Anwendung der Vorschrift des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG in eine nähere Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse eintreten müssen.
Fundstellen