Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines Onkels für seinen Neffen als außergewöhnliche Belastungen.
Normenkette
EStG §§ 33, 33a; LStDV §§ 25, 25a
Tatbestand
Streitig ist, ob die Aufwendungen des Antragstellers A. in Höhe von 1.400 DM für das Studium seines Neffen W. als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 25 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDVO) 1949 anzuerkennen sind.
Der Antragsteller ist Oberinspektor und hat ein Bruttogehalt von monatlich 544 DM. Der von dem Steuerpflichtigen (Stpfl.) unterstütze Neffe ist der Sohn des T., der einen Bruttoarbeitslohn von monatlich 378 DM bezieht. Seit seiner frühesten Kindheit lebte der Sohn im Haushalt seines Onkels B. Sein Onkel A. ist unverheiratet und lebt ebenfalls im Haushalt seines Schwagers B. Er zahlt für seinen Lebensunterhalt an seine Schwester, die Ehefrau von B., monatlich 80 DM. T. zahlt an seine Schwester für den Unterhalt seines Sohnes monatlich 20 DM. Er hat laut Mitteilung des Finanzamts vom 12. April 1950 in den Jahren 1948 und 1949 für das Studium seines Sohnes Steuerermäßigung erhalten.
Das Finanzgericht hat die Aufwendungen des Antragstellers, gekürzt um die zumutbare Mehrbelastung von 7 v. H. des Einkommens, in Höhe von 994 DM als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Es ist der Auffassung, daß W. nach der Währungsreform ohne die Unterstützung des Stpfl. sein Studium hätte aufgeben müssen, weil sein Vater nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Kosten hierfür aufzubringen. Bei dieser Sachlage habe der Antragsteller die sittliche Verpflichtung gehabt, seinem Neffen die Fortführung des bereits begonnenen und im Zeitpunkt der Währungsreform etwa zur Hälfte durchgeführten Studiums zu ermöglichen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers ist begründet.
Nach § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist der Vater verpflichtet, seinem Kind Unterhalt zu gewähren. Was er einem Kind mit Rücksicht auf die Erlangung seiner selbständigen Lebensstellung gewährt, behandelt das Gesetz nicht als Schenkung, sondern als Ausstattung (ß 1624 BGB). Kraft seiner elterlichen Gewalt hat der Vater die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen (ß 1627 BGB). Die Sorge für die Person des Kindes umfaßt auch das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen (ß 1631 BGB). Hieraus geht hervor, daß das Maß der sittlichen Verantwortung für die Ausbildung eines Kindes bei einem Vater größer ist als beim Onkel. Daher können Zuwendungen eines Onkels an seinen Neffen nur dann als auf sittlichen Gründen im Sinne des § 25 Absatz 2 LStDVO beruhend anerkannt werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die diesen Schluß rechtfertigen. Als solche wird man unter Umständen den Tod des Vaters oder einen unvorhergesehenen Vermögensverfall oder den Eintritt von Arbeitslosigkeit ansehen können, die es dem unvorhergesehen in soziale Bedrängnis geratenen Vater unmöglich machen, die Kosten des bereits begonnenen Studiums weiter zu bestreiten.
Der Antragsteller hat geltend gemacht, daß sein Bruder T. bombengeschädigt und nach der Währungsreform nicht mehr in der Lage gewesen sei, neben den Aufwendungen für Kleidung und Unterhalt auch noch die Studienkosten zu tragen. Ohne seines - des Antragstellers - Hilfe hätte der Neffe das Studium aufgeben müssen. Da der Bombenschaden spätestens im Jahre 1945 eingetreten sein muß, während die Währungsumstellung erst im Jahre 1948 erfolgte, kann es zweifelhaft sein, ob die Einlassung des Antragstellers schlüssig ist. Aber selbst wenn man dies bejaht, bedarf der Sachverhalt noch aus einem anderen Grunde der Aufklärung. Während der Antragsteller in seinem Schreiben an das Finanzgericht vom 5. Dezember 1950 erklärt, daß er erst infolge der Währungsumstellung, also infolge eines besonderen Umstandes, gezwungen worden sei, "einzugreifen" und zur Vermeidung der Aufgabe des Studiums dessen Kosten zu tragen, hat er in seiner Vernehmung vor dem Finanzamt am 15. März 1951 erklärt, daß er die Studienkosten in jedem Semester in Höhe von "600 RM bzw. DM" getragen habe. Trifft es aber zu, daß der Antragsteller bereits vor der Währungsumstellung die Aufwendungen für das Studium bezahlt hat, dann ist er nicht durch besondere Umstände zum "Eingreifen" gezwungen worden, sondern er hat die Zuschüsse zur Entlastung seines Bruders geleistet, der gesetzlich verpflichtet ist, für die Ausbildung seines Sohnes zu sorgen und in Kenntnis seiner unzureichenden Einkommensverhältnisse seinen Sohn studieren ließ. In einem solchen Falle vermag der Senat einen auf sittlichen Gründen beruhenden Zwang zu Aufwendungen des Onkels nicht anzuerkennen. Da der Sachverhalt nicht genügend geklärt ist, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden. Die Sache wird an die Vorbehörde zurückverwiesen, damit diese nach ausreichender Klärung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsausführungen erneut entscheide. Hierbei wird noch auf folgende Punkte zu achten sein:
In dem Antrag vom 28. Februar 1950 hat der Antragsteller zur Begründung des Zwanges zum Eingreifen eine andere Darstellung gegeben. Er hat erklärt, daß die Kosten des Studiums von ihm bestritten würden, weil sein Bruder T. als Pensionär hierzu nicht in der Lage wäre. In dem Schreiben vom 23. März 1950 gibt der Antragsteller dagegen an, daß sein Bruder noch tätig ist. In dem Antrag vom 1. März 1950 auf Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs 1949 hat sich auch sein Bruder nicht als Pensionär bezeichnet. Diese aktenmäßig vorhandenen Widersprüche wird das Finanzgericht aufzuklären haben.
Sollte das Finanzgericht nach Klärung des Sachverhalts die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen des Antragstellers erneut bejahen wollen, dann wird es zu überlegen haben, ob bzw. inwieweit die Tatsache, daß bereits der Vater des Neffen eine Steuerermäßigung für das Studium seines Sohnes erhalten hat, auf das vorliegende Verfahren von Einfluß ist. Bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit der entstandenen Kosten wird das Finanzgericht ferner der Frage Beachtung schenken müssen, ob nicht der Neffe im Interesse der Ersparung von Reisekosten eine näher gelegene Universität hätte besuchen können. Schließlich wird das Finanzgericht im Hinblick darauf, daß der Unterhaltsempfänger die Quellen, die ihm für seinen Unterhalt zur Verfügung stehen, ausschöpfen muß, prüfen müssen, ob der Neffe als Werkstudent sich Mittel zum Studium verschafft hat bzw. ob das Unterlassen einer unter den heutigen Verhältnissen auch bei Söhnen bemittelter Familien fast überall üblich gewordenen Erwerbstätigkeit von Einfluß auf die Beurteilung der Sachlage ist (siehe hierzu Abschnitt 39 Absatz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien in der Fassung der Verwaltungsanordnung vom 15. Januar 1952).
Fundstellen
Haufe-Index 407380 |
BStBl III 1952, 125 |
BFHE 1953, 321 |
BFHE 56, 321 |