Leitsatz (amtlich)
Ein österreichischer Hochschullehrer für das Gebiet des österreichischen Privatrechts ist eine besonders befähigte Kraft anderer Fachrichtung im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG.
Normenkette
StBerG § 50 Abs. 3
Tatbestand
Mit Schreiben vom 4. Juni 1976 an das Finanzministerium (den Beklagten und Revisionsbeklagten - Beklagten -) wurde beantragt, die Bestellung des Beigeladenen zu 2 zum Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 - einer Steuerberatungsgesellschaft - zu genehmigen. Der Beigeladene zu 2 ist ordentlicher Hochschulprofessor für Privatrecht und Arbeitsrecht in A/Österreich und österreichischer Staatsangehöriger. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - Steuerberaterkammer - bat, die Genehmigung wegen der Staatsangehörigkeit des Beigeladenen zu 2 zu versagen. Der Beklagte erteilte sie gleichwohl.
Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es aus, ein Jurist, insbesondere ein Hochschulprofessor mit der Lehrberechtigung über ausländische Rechtsgebiete, sei eine Kraft anderer Fachrichtung im Sinne von § 50 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Daß der Beigeladene zu 2 auf seinem Fachgebiet, insbesondere dem österreichischen Privatrecht, besonders befähigt sei, sei unstreitig und folge bereits aus seiner Tätigkeit als ordentlicher Hochschulprofessor auf diesem Gebiet. Steuerberatungsgesellschaften benötigten häufig für besondere Fachgebiete besondere Spezialisten. Eine Steuerberatungsgesellschaft werde heutzutage häufig über den nationalen Rahmen hinaus tätig, sei es, daß sie ausländische Mandanten betreue, sei es, daß die Rechtsbeziehungen inländischer Kunden zum Ausland zu beurteilen seien. Dies zeige deutlich, daß auch eine besonders befähigte Fachkraft, deren Fachgebiet ausländisches Privatrecht sei, nach dem Sinn des Gesetzes eine Fachkraft sei, die bei Vorliegen der übrigen, hier nicht streitigen Voraussetzungen zum Geschäftsführer zu bestellen sei.
Die Klägerin legte gegen das Urteil des FG Revision ein, die sie wie folgt begründet:
Im vorliegenden Rechtsstreit gehe es nur darum, ob bei dem Beigeladenen zu 2 die Voraussetzungen für eine Genehmigung seiner Bestellung zum Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 vorlägen. Das FG habe die Voraussetzungen unzutreffenderweise angenommen. Der Beigeladene zu 2 besitze nicht die nach § 50 Abs. 3 StBerG erforderliche besondere Fachkunde. Kräfte anderer Fachrichtungen im Sinne dieser Vorschrift seien solche, deren Kenntnisse im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft besonders gut verwendbar seien. Zu diesen Kräften gehörten daher in erster Linie Angehörige solcher Berufe, die bei entsprechender Weiterbildung und Prüfung in den Beruf des Steuerberaters einmünden könnten, also insbesondere Volkswirte, Betriebswirte, Juristen und Diplomkaufleute. Das gelte jedoch nicht für einen Juristen nach ausländischem Recht. Der Beigeladene zu 2 habe selbst dann nicht die Möglichkeit, Steuerberater nach deutschem Recht zu werden, wenn er einige Jahre bei einem deutschen Steuerberater hauptberuflich praktisch tätig werde. Die besondere Qualifikation, die dieser als österreichischer Hochschulprofessor für österreichisches Privatrecht und Arbeitsrecht unstreitig besitze, werde ihm dabei nichts nutzen. Abgesehen davon sei vom Beklagten und von den Beigeladenen bisher nicht vorgetragen worden, daß die Tätigkeiten des Beigeladenen zu 2 bisher irgendeinen Bezug zur steuerberatenden Tätigkeit gehabt habe. Die besonderen Kenntnisse des Beigeladenen zu 2 auf den genannten Rechtsgebieten seien in der Geschäftsführung einer deutschen Steuerberatungsgesellschaft nicht verwendbar, so daß sich die besondere Qualifikation auf diesen Rechtsgebieten nicht als besondere Befähigung im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG erweisen könne. Die Kenntnisse auf den genannten Rechtsgebieten könnten den Beigeladenen zu 2 nur dann zu einer besonders befähigten Kraft im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG machen, wenn die Beigeladene zu 1 überhaupt Auslandsbeziehungen nachweisen könnte. Aber selbst wenn dieser Nachweis gelänge, könnte das noch nicht die besondere Befähigung des Beigeladenen zu 2 im Sinne von § 50 Abs. 3 StBerG begründen. Inwieweit Kenntnisse auf den Gebieten des Arbeits- und Sozialrechts der steuerberatenden Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft nutzen sollten, sei nicht erfindlich. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit Kenntnisse auf dem Gebiet des österreichischen Privatrechts eine besondere Befähigung als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft begründen könnten. Dabei sei zu beachten, daß Angehörigen der steuerberatenden Berufe eine steuerberatende Tätigkeit etwa bei der Gestaltung von Verträgen untersagt sei. § 50 Abs. 3 StBerG sei eine Ausnahmevorschrift, die restriktiv auszulegen sei. Eine besondere Befähigung liege danach nur dann vor, wenn einer Steuerberatungsgesellschaft Kenntnisse und Fähigkeiten zugänglich gemacht würden, die mit der eigentlichen Tätigkeit der Steuerberatungsgesellschaft im engen Zusammenhang stünden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG und die Genehmigung des Beklagten aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, ob eine Kraft anderer Fachrichtung vorhanden sei, müsse nach Berufsbildern und nicht nach Ausbildungsgängen ermittelt werden. Danach sei der Beigeladene zu 2 schon deshalb eine Kraft anderer Fachrichtung, weil er als Hochschullehrer nicht einen der in § 50 Abs. 1 und 2 StBerG genannten Berufe ausübe. Dabei komme es nicht darauf an, ob er eine Ausbildung im Ausland erworben habe. § 50 Abs. 3 StBerG trage der in einer modernen Industriegesellschaft notwendigen Spezialisierung in allen Fachbereichen Rechnung und ermögliche es einer Steuerberatungsgesellschaft, die für ihre Zwecke benötigten Spezialisten zu werben. Dabei werde eine Steuerberatungsgesellschaft, die ausländische Mandanten oder deutsche Mandanten hinsichtlich ihrer internationalen Rechtsbeziehungen betreue, eine Person mit Kenntnissen aufgrund einer im Ausland erworbenen Ausbildung gerade als besonders befähigt ansehen. Das Gesetz enthalte keinen Hinweis dafür, daß als Kräfte anderer Fachrichtungen nur Personen in Frage kämen, deren Kenntnisse im Rahmen einer Steuerberatungsgesellschaft besonders gut verwertbar seien. Der Prüfung, ob eine Person derartige Kenntnisse besitze, seien im übrigen enge Grenzen gesetzt. Sie müßte nämlich nicht nur die Kenntnisse der Person, sondern auch die einzelnen Zwecke der individuellen Steuerberatungsgesellschaft umfassen. Eine Prüfung, ob die Kenntnisse des Bewerbers allgemein für Steuerberatungsgesellschaften gut verwertbar seien, sei wegen der Vielfalt der Zwecke und Ausrichtungen von Steuerberatungsgesellschaften untauglich. Der Steuerberatungsgesellschaft dürfe auch nicht ein zu enger Spielraum für die Entscheidung verbleiben, ob sie den Bewerber brauchen könne. Alles andere sei eine unvertretbare Einmischung in die Berufsfreiheit. Der Beklagte könne sich nur darauf beschränken, völlig ungeeignete Personen von der Steuerberatungsgesellschaft fernzuhalten. Im übrigen habe die Beigeladene zu 1 internationale Rechtsbeziehungen, insbesondere habe sie Mandanten in Österreich zu betreuen, so daß es außer Frage stehe, daß die Kenntnisse des Beigeladenen zu 2 für die Beigeladene zu 1 besonders gut verwertbar seien.
Der Beigeladene zu 2 sei auch besonders befähigt im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG. Dieser habe unbestritten eine überdurchschnittliche Befähigung in der eigenen Fachrichtung. Richtigerweise werde man den Begriff der besonderen Befähigung aber dahin verstehen müssen, daß Kenntnisse vorhanden seien, die weiter reichten als die durchschnittlichen Kenntnisse eines Steuerberaters, Rechtsanwalts, Wirtschaftsprüfers, vereidigten Buchprüfers oder Steuerbevollmächtigten. Die Kenntnisse des Beigeladenen zu 2 im österreichischen Privat-, Arbeits- und Sozialrecht seien auf diesen Fachgebieten unbestritten hoch qualifiziert und lägen erheblich über den durchschnittlichen Kenntnissen der Angehörigen des in § 50 Abs. 1 und 2 StBerG genannten Personenkreises. Verlange man darüber hinaus, daß auch eine Fortbildung auf den Gebieten vorliege, die von einem Steuerberater üblicherweise beherrscht würden, so würden dadurch gerade besondere Spezialisten, die im Einzelfall in einer Steuerberatungsgesellschaft von großem Nutzen sein könnten, ohne erkennbaren Grund von Steuerberatungsgesellschaften ferngehalten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beigeladene zu 2 eine besonders befähigte Kraft anderer Fachrichtungen im Sinne von § 50 Abs. 3 StBerG ist und daß der Beklagte die Genehmigung nach dieser Vorschrift zu Recht erteilt hat.
Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, sind als "Kräfte anderer Fachrichtungen" solche anzusehen, deren Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft besonders gut verwendbar sind (vgl. Urteile vom 13. Dezember 1977 VII R 72/76, BFHE 124, 290, BStBl II 1978, 243, und vom 3. August 1976 VII R 103/75, BFHE 120, 97, BStBl II 1976, 800). Diese Entscheidung hat der Senat zwar bei der Anwendung des § 17 Abs. 2 StBerG vom 16. August 1961 (BGBl I 1301) - StBerG a. F. - getroffen. Sie ist aber auch bei der Anwendung des § 50 Abs. 3 StBerG zu beachten, da die genannten Vorschriften in den hier maßgeblichen Punkten übereinstimmen.
Nach den Feststellungen des FG erfüllt der Beigeladene zu 2 die genannten Voraussetzungen für das Erfordernis "Kräfte anderer Fachrichtungen". Das FG ist davon ausgegangen, daß Kenntnisse auf dem Gebiet des österreichischen Privatrechts im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft über die innerstaatlichen Rechtsbereiche hinaus besonders gut verwendbar sind. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei genügt es, daß das Erfordernis derartiger Kenntnisse, wie das FG dargelegt hat, im Rahmen der Tätigkeit von Steuerberatungsgesellschaften potentiell besteht. Wenn die Entscheidung davon abhängig gemacht würde, ob die Kenntnisse im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft bereits tatsächlich erforderlich sind, so könnte das zu einer Behinderung der Steuerberatungsgesellschaft bei der Gestaltung ihrer Beratungstätigkeit für die Zukunft führen, die sie gegenüber den Steuerberatungsgesellschaften, deren Beratungstätigkeit bereits Kenntnisse auf dem Gebiet des österreichischen Privatrechts erfordert, benachteiligen könnte. Zur Wahrung der freien Berufsausübung muß das jedoch vermieden werden.
Es ist auch ohne Bedeutung, ob das in Österreich abgeschlossene rechtswissenschaftliche Hochschulstudium des Beigeladenen zu 2 die erste der durch § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG festgelegten Vorbildungsvoraussetzungen erfüllt und der Beigeladene zu 2 bei entsprechender Weiterbildung und Prüfung in den Beruf des Steuerberaters einmünden kann. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann zwar dem Abschluß eines rechtswissenschaftlichen Hochschulstudiums und der Möglichkeit, daß jemand bei entsprechender Weiterbildung und Prüfung in den Beruf des Steuerberaters einmünden kann, entnommen werden, daß derjenige, der diese Voraussetzungen erfüllt, eine Kraft anderer Fachrichtung ist. Daraus folgt aber nicht, daß eine Kraft anderer Fachrichtung diese Voraussetzungen stets erfüllen muß. Wie bereits dargelegt, ist dafür maßgebend, daß Kenntnisse und Fähigkeiten vorhanden sind, die im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft besonders gut verwendbar sind. Die Möglichkeit, daß jemand aufgrund seines Studiums bei entsprechender Weiterbildung und Prüfung in den Beruf des Steuerberaters einmünden kann, ist nur ein Umstand, dem die Verwendbarkeit der Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft entnommen werden kann.
Da diese Verwendbarkeit des Beigeladenen zu 2 nach den Feststellungen des FG vorhanden ist, greift auch der Einwand der Klägerin nicht durch, daß die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2 bisher nicht Bezug zur steuerberatenden Tätigkeit gehabt habe. Auch ein derartiger Bezug ist für die Verwendbarkeit von vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft nicht erforderlich.
Der Beigeladene zu 2 ist nach den Feststellungen des FG auch eine "besonders befähigte" Kraft im Sinne von § 50 Abs. 3 StBerG. Wie der Senat ebenfalls bei der Anwendung des § 17 Abs. 2 StBerG a. F. bereits mehrfach entschieden hat, ist die besondere Befähigung danach zu beurteilen, ob die im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft besonders gut verwendbaren Kenntnisse und Fähigkeiten über dem Durchschnitt dessen liegen, was das einschlägige Berufsbild verlangt (vgl. Urteile VII R 72/76 und VII R 103/75). Auch diese Entscheidung ist bei der Anwendung des § 50 Abs. 3 StBerG zu beachten, da die besondere Befähigung im Sinne dieser Vorschrift keine andere Bedeutung hat als die im Sinne des insoweit gleichlautenden § 17 StBerG a. F. Nach den Feststellungen des FG und auch nach den Ausführungen der Klägerin besitzt der Beigeladene zu 2 auf dem Gebiet des österreichischen Privatrechts - unbestritten - überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten. Da diese im Rahmen der Tätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft besonders gut verwendbar sind, folgt daraus auch die besondere Befähigung des Beigeladenen zu 2 im Sinne des § 50 Abs. 3 StBerG. Für die Ansicht der Klägerin, der Beigeladene zu 2 müsse in seinem Beruf als Hochschullehrer besonders hervorragen, bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte.
Für die Genehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG ist es auch unschädlich, daß der Beigeladene zu 2 österreichischer Staatsbürger ist und in Österreich wohnt. Nach § 50 Abs. 3 Satz 2 StBerG darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die besondere Fachkunde fehlt oder die persönliche Zuverlässigkeit nicht vorhanden ist. Daraus ist zu entnehmen, daß eine ausländische Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz im Ausland nicht rechtfertigen, die Genehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG zu versagen.
Fundstellen
Haufe-Index 73131 |
BStBl II 1979, 459 |
BFHE 1979, 489 |