Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufigkeit ,,hinsichtlich des Entnahmewerts"; Teilwert eines Werkstattgrundstücks bei Zufahrt und sanitären Anlagen im Privatvermögen
Leitsatz (NV)
1. Die Vorläufigkeit eines Einkommensteuerbescheids ,,hinsichtlich des Entnahmewerts" eines Werkstatt-Grundstücksteils läßt lediglich offen, welche Teilwerte das Werkstattgebäude und der dazugehörige Grund und Boden haben. Die Buchwerte können nicht mehr überprüft werden.
2. Die Teilwerte eines Werkstattgebäudes und des dazugehörigen Grund und Bodens werden nicht dadurch beeinflußt, daß das Gebäude nur über eine im Privatvermögen befindliche Hofzufahrt zu erreichen ist und die Betriebsangehörigen die sanitären Anlagen im Wohnhaus benutzen müssen.
Normenkette
AO 1977 § 165; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 1982 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger (Ehemann) ist außerdem Kläger und Revisionskläger in der Gewerbesteuermeßbetragssache 1982.
Der Kläger betreibt seit 1959 auf dem Anwesen X-Straße einen Handwerksbetrieb (Gewinnermittlung ab 1963 nach § 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Das Vordergebäude des Grundstücks wird als Wohnhaus, das Rückgebäude als Werkstatt genutzt. Das Wohngebäude war nach dem Abriß des Altgebäudes 1965 bis 1967 neu errichtet worden. Das Werkstattgebäude besteht in seinem älteren Teil aus einem 1955 umgebauten Stallgebäude und einem Anbau ebenfalls aus diesem Jahre, der 1962 aufgestockt wurde.
Der Kläger wies das Werkstattgebäude (ohne Grund und Boden) in der Bilanz zum 31. Dezember 1973 mit 1591 DM aus. Der Ansatz wurde zum 31. Dezember 1974 auf 1920 DM erhöht und 1977 auf 1 DM abgeschrieben. Zum 31. Dezember 1979 aktivierte der Kläger für einen Lagerraum 4659 DM. Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1980 vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß auch der Teil des Grund und Bodens, auf dem das Werkstattgebäude steht, zu aktivieren sei (140 qm x 40 DM = 5600 DM). Der Kläger schloß sich dieser Auffassung an. In den Bilanzen zum 31. Dezember 1981 und zum 31. Dezember 1982 wies er den Grund und Boden mit je 5600 DM und das Werkstattgebäude mit 4332 DM bzw. 4168 DM aus.
Mit notariellem Vertrag vom 2. März 1982 schenkte der Kläger seiner Ehefrau (der Klägerin) das Anwesen X-Straße lastenfrei. Das FA sah hierin nach einer Außenprüfung im Jahre 1985 eine Entnahme des Werkstattgebäudes einschließlich des dazu gehörigen Grund und Bodens. Es setzte den Teilwert des Werkstattgebäudes mit 55 000 DM, den Teilwert des Grund und Bodens mit 9100 DM an. Daraus ergab sich ein Entnahmegewinn von 50 832 DM für das Werkstattgebäude (55 000 DM ./. 4168 DM) und von 3500 DM für den Grund und Boden (9100 DM ./. 5600 DM). Das FA erließ entsprechende Änderungsbescheide betreffend Einkommensteuer 1982 und Gewerbesteuermeßbetrag 1982. Die Kläger wandten sich in den Einspruchsverfahren gegen die Höhe des für das Werkstattgebäude angesetzten Teilwerts. Sie hatten schon vor Erlaß der Änderungsbescheide ein Gutachten vorgelegt, das den Wert des Werkstattgebäudes mit 50 876 DM angab. Das FA änderte in den Einspruchsentscheidungen vom 11. März 1986 die angegriffenen Bescheide in der Weise, daß es sie ,,hinsichtlich des Entnahmewertes für das Grundstück X-Straße gem. § 165 (1) AO" für vorläufig erklärte. Es hatte zuvor darauf hingewiesen, daß diese Verfahrensweise auch eine Verböserung bedeuten könne. In den Gründen der Einspruchsentscheidungen bemerkte das FA, das es ,,die zum Ansatz gekommenen Werte durch einen Bausachverständigen überprüfen lassen" wolle. Die Kläger erhoben Klagen, die sie jedoch zurücknahmen.
Nachdem die Bewertungsstelle den Wert des Werkstattgebäudes zum Entnahmezeitpunkt auf 60 000 DM geschätzt hatte, erließ das FA erneut und nunmehr endgültige Änderungsbescheide, in denen es den Teilwert des Werkstattgebäudes auf 60 000 DM anhob; außerdem erhöhte es in dem Einkommensteuerbescheid die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung in Anpassung an einen inzwischen ergangenen Feststellungsbescheid um 4305 DM. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen teilweise statt: Die Einkommensteuer und der Gewerbesteuermeßbetrag seien wieder auf die Beträge herabzusetzen, mit denen sie in den ursprünglichen Änderungsbescheiden angesetzt gewesen seien. Diese Bescheide seien durch die Klagerücknahmen bestandskräftig geworden und nur nach Maßgabe der ihnen in den Einspruchsentscheidungen beigefügten Vorläufigkeitsvermerke abänderbar. Der Teilwert des entnommenen Grund und Bodens sei zutreffend mit 9100 DM bemessen worden. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob der Teilwert des entnommenen Werkstattgebäudes 60 000 DM betrage; er liege jedenfalls nicht niedriger als 55 000 DM. Allerdings habe der Gebäudebuchwert nicht nur 4168 DM, sondern wie das FA im gerichtlichen Verfahren eingräumt habe, 34 103 DM ausgemacht. Die damit verbundene Ermäßigung des Entnahmegewinns könne indessen aus verfahrensrechtlichen Gründen nur teilweise berücksichtigt werden. Die Vorläufigkeitsvermerke erstreckten sich nicht auf die Buchwerte. Es finde lediglich eine Saldierung nach § 177 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) in der Weise statt, daß die Erhöhung der Besteuerungsgrundlagen (Gebäudeentnahmewert um 5000 DM, der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 4305 DM) entfielen.
Die Kläger machen mit den Revisionen geltend: Die Teilwerte der entnommenen Wirtschaftsgüter seien lediglich mit ihren Buchwerten anzusetzen (Grund und Boden 5600 DM, Werkstattgebäude 34 103 DM), so daß ein Entnahmegewinn entfalle. Das FG habe nicht ausreichend berücksichtigt, daß der entnommene Grundstücksteil ohne Zufahrt und das entnommene Werkstattgebäude ohne sanitäre Anlagen gewesen seien. Die Vorentscheidungen verletzten § 165 AO 1977, soweit das FG nicht den vollen Gebäudebuchwert von 34 103 DM gegengerechnet habe.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat die Revisionen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (§ 121 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 73 Abs. 1 FGO) verbunden.
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, daß ein in den ursprünglichen Änderungsbescheiden möglicherweise zu niedrig bemessener Buchwertansatz der entnommenen Wirtschaftsgüter nur nach Maßgabe des § 177 AO 1977 erhöht werden kann.
a) In den Einspruchsentscheidungen vom 11. März 1986 wurden die ursprünglichen Änderungsbescheide nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für teilweise vorläufig erklärt. Nach dieser Vorschrift kann die Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiß ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Das FA wollte sich mit dem Vorläufigkeitsvermerk ,,hinsichtlich des Entnahmewertes für das Grundstück X-Straße" erklärtermaßen die Möglichkeit offenhalten, die von den Klägern unter Vorlage eines Wertgutachtens fundiert angezweifelte Bewertung des Werkstattgebäudes durch einen Bausachverständigen prüfen zu lassen.
Im Streitfall ist nicht über die Zulässigkeit der Vorläufigkeitsvermerke zu befinden; Gegenstand des Verfahrens sind vielmehr die gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ergangenen Zweitänderungsbescheide. Einwendungen gegen die Vorläufigkeitsvermerke sind in diesem Verfahrensstadium nicht mehr zulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. März 1991 IX R 282/87, BFH/NV 1991, 506; vgl. auch für die Rechtslage nach der Reichsabgabenordnung - AO - Urteil des erkennenden Senats vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, 461, BStBl II 1987, 746).
Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit (§ 125 AO 1977) der Vorläufigkeitsvermerke sind nicht ersichtlich. Die Zweifel über den Wert eines Gegenstandes begründen eine tatsächliche Ungewißheit i. S. des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 (Woerner / Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl. 1988, S. 64). Ob das FA bei Anspannung seiner Ermittlungstätigkeit die Ungewißheit sogleich hätte beheben können (dazu BFH-Urteil vom 26. September 1990 II R 99/88, BFHE 161, 489, BStBl II 1990, 1043), berührt allenfalls die Rechtmäßigkeit der Vorläufigkeitsvermerke. Gleiches gilt für den Umstand, daß die Vermerke erst den Einspruchsentscheidungen beigefügt wurden. Im Schrifttum wird diese Verfahrensweise im übrigen jedenfalls dann als zulässig angesehen, wenn, wie hier, zuvor auf die Verböserung hingewiesen wurde (Woerner / Grube, a. a. O., S. 66).
b) Unzutreffend ist die Auffassung der Kläger, das FA habe die ursprünglichen Änderungsbescheide in vollem Umfang für vorläufig erklären wollen. Die in den Entscheidungssätzen der Einspruchsentscheidungen aufgenommene Formel, die Steuerfestsetzung sei ,,hinsichtlich des Entnahmewerts für das Grundstück X-Straße" vorläufig, läßt - ebenso wie die hierzu mitgeteilte Begründung - deutlich erkennen, daß das FA die Vorläufigkeit beschränken wollte. Das Fehlen eines Hinweises, daß die Einsprüche ,,im übrigen unbegründet" seien, berührt nicht die Teilvorläufigkeit. Dazu ist auch auf die Äußerung des FA in den Gründen der Einspruchsentscheidung betr. Einkommensteuer zu verweisen, auf die in der Einspruchsentscheidung betr. Gewerbesteuermeßbetrag Bezug genommen ist, ,,im übrigen habe die Prüfung . . . keine Hinweise auf eine unzutreffende Sachbehandlung oder Rechtsauffassung ergeben".
c) Der Umfang der Teilvorläufigkeit (§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) ist durch Auslegung zu ermitteln (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1988 I R 189/84, BFHE 155, 8, BStBl II 1989, 130). Vorläufigkeitsvermerke sind als Nebenbestimmungen wie die Steuerbescheide, denen sie beigefügt worden sind, mit dem Inhalt wirksam geworden, mit dem sie bekanntgegeben worden sind (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Die nachträglichen Erläuterungen des FA sind unerheblich. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert.
Der Satzteil ,,hinsichtlich des Entnahmewertes" ist mit dem FG so zu verstehen, daß die nähere Bestimmung der Teilwerte des betrieblich genutzten Grund und Bodens und des Werkstattgebäudes i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG offengehalten werden sollte. Hierfür spricht auch der Zusammenhang mit dem Einspruchsvorbringen der Kläger und der Bemerkung in den Einspruchsentscheidungen, daß die Werte durch einen Bausachverständigen überprüft werden sollten.
Die Buchwertbemessung wäre nur dann vorbehalten worden, wenn das FA die ursprünglichen Änderungsbescheide etwa hinsichtlich des ,,Entnahmegewinns" für vorläufig erklärt hätte. Der Entnahmegewinn (als Differenz zwischen Teilwert und Buchwert des entnommenen Wirtschaftsguts) ergreift auch die Buchwertermittlung. Ein derart weitgehendes Verständnis jedoch schließt der Senat für den Streitfall aus, weil das FA nach dem Einspruchsvorbringen lediglich die Bewertung der entnommenen Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) als streitig ansehen konnte und mit dem Hinweis auf die Einschaltung eines Bausachverständigen auch deutlich machte, daß es sich nicht eine Überprüfung des Entnahmegewinns im ganzen vorbehalten wollte.
Es mag zutreffen, daß dieses Verständnis des Teilvorläufigkeitsvermerks einige steuerrechtliche Kenntnisse erfordert. Die Kläger müssen sich insoweit jedoch entgegenhalten lassen, daß sie von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten waren.
d) Danach hat das FG zutreffend die erst im finanzgerichtlichen Verfahren erkannte Buchwertanhebung des Werkstattgebäudes (und die damit verbundene Minderung des Entnahmegewinns) nur im Rahmen des § 177 AO 1977 berücksichtigt (Rückgängigmachung der Erhöhung des Teilwertansatzes um 5000 DM, Nichtansatz der erhöhten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 4305 DM).
2. Die Vorläufigkeitsvermerke lassen die Bewertung des entnommenen Werkstattgebäudes (einschließlich des dazugehörigen Grund und Bodens) offen. Diese infolge der Schenkung entnommenen Wirtschaftsgüter sind mit ihren Teilwerten im Entnahmezeitpunkt anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
a) Rechtsfehlerfrei hat das FG die Teilwerte des entnommenen Grund und Bodens mit 9100 DM und des entnommenen Werkstattgebäudes mit mindestens 55 000 DM bemessen. Das FG hat den Begriff des Teilwerts nicht verkannt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß unter den Umständen des Streitfalls die zugrunde gelegten Verkehrswerte von den Teilwerten abweichen. Im übrigen liegt die Wertermittlung weitgehend im Bereich der Tatsachenwürdigung und ist insoweit mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Der Ansatz des Werkstattgebäudes mit dem annähernden Mittelwert zwischen den beiden vorliegenden Gutachten (Bewertungsstelle 60 000 DM, von den Klägern vorgelegtes Gutachten 50 876 DM) ist nicht zu beanstanden. Gegen den von den Klägern angestrebten Ansatz der entnommenen Wirtschaftsgüter lediglich mit ihren Buchwerten spricht, daß die Buchwerte auf zeitlich zurückliegenden Bewertungsvorgängen beruhen.
b) Der Umstand, daß eine Zufahrt zu dem Werkstattgebäude lediglich über den auf dem vorderen Teil des Grundstücks befindlichen Hof führt, beeinflußt den Teilwert nicht. Es könnte zunächst die Annahme naheliegen, daß die Hoffläche im Zeitpunkt der Entnahme ebenfalls notwendiges Betriebsvermögen war, dann nämlich, wenn der Hof ganz überwiegend für betriebliche Zwecke (Kundenzugang, Holzanfuhr usw.) genutzt worden sein sollte.
Aber auch wenn der Hof zu Recht dem Privatvermögen zugeordnet worden sein sollte, bleibt seine betriebliche Mitbenutzung zu beachten. Würden Werkstattgelände und -gebäude zusammen mit dem Privatanteil des Grundstücks veräußert, könnte der gedachte Erwerber des Betriebs (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) die Hofzufahrt wie bisher nutzen. Für den Fall, daß Werkstattgelände und -gebäude ohne den Hof veräußert werden sollten, ist davon auszugehen, daß der Steuerpflichtige und der gedachte Erwerber eine wirtschaftlich vertretbare Lösung aushandeln und dem gedachten Erwerber etwa ein Wegerecht an der Hoffläche eingeräumt wird.
Die gleichen Überlegungen gelten für die sanitären Anlagen. Es ist kein Mangel des Werkstattgebäudes, daß die Betriebsangehörigen die sanitären Anlagen im Wohngebäude aufsuchen müssen, solange beide Gebäudeteile im Eigentum derselben Person stehen. Für den Fall, daß es zu einer Veräußerung des Werkstattgebäudes ohne das Wohngebäude kommen sollte, ist für die Ermittlung des Teilwerts ebenfalls davon auszugehen, daß eine wirtschaftlich vertretbare Lösung gefunden wird, die dem gedachten Erwerber eine Weiterbenutzung der sanitären Anlagen wie bisher erlaubt oder ihm einen vergleichbaren Ersatz verschafft.
c) Unerheblich ist der Hinweis der Kläger darauf, daß das Grundstück nach der Schenkung in das Eigentum der Klägerin überging. Im Streitfall sind allein die Verhältnisse des Klägers im Entnahmezeitpunkt zu beurteilen, als er noch Eigentümer beider Grundstücksteile war.
Fundstellen
Haufe-Index 418497 |
BFH/NV 1992, 819 |