Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Schauspielers als Sprecher von Werbetexten ist in der Regel nicht als eine künstlerische anzusehen. Ihm steht daher die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 4 EStG nicht zu.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 4
Tatbestand
Für die Einkommensteuer 1956 ist streitig, ob der Bf. als Sprecher im Werbefunk eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt hat und infolgedessen für die bezogenen Einkünfte die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1955 in Anspruch nehmen kann.
Der Bf., der sich als Regisseur und Schauspieler bezeichnet, ist als Rundfunksprecher und Ansager beim Sender X. fest angestellt und insoweit Arbeitnehmer. Außerhalb dieser nicht selbständig ausgeübten Tätigkeit war er im Streitjahr Sprecher für den Werbefunk, woraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit angefallen sind. Für diese Einkünfte begehrt der Bf. für die Einkommensteuerveranlagung 1956 Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG 1955. Er beruft sich darauf, daß seine Tätigkeit für den Werbefunk überwiegend in Form der unterhaltend-künstlerischen Art gebracht werde. Art und Weise des Werbefunks könne nicht mit den sonstigen Werbeerscheinungen auf eine Stufe gestellt werden, weil man sich hierbei bevorzugt künstlerischer Ausdrucksmittel bediene. Darüber hinaus seien die im Werbefunk tätigen Personen - wie auch er - anerkannte Künstler.
Das Finanzamt hat - auch in der Einspruchsentscheidung - die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 EStG 1955 mit Rücksicht darauf abgelehnt, daß der Bf. im Werbefunk seine künstlerischen Fähigkeiten nicht in den Dienst der Kunst, sondern unmittelbar in den Dienst der Werbung gestellt habe. Es wende sich nicht an das Kunstempfinden des Zuhörers. Zweck seiner Tätigkeit sei vielmehr, im Auftrag der Firma Y. unter Zuhilfenahme eines modernen technischen Apparates, wie des Rundfunks, einen möglichst großen Anreiz auf die Kauflust der breiten Masse auszuüben. Im Vordergrund stehe also der kommerzielle Zweck des vom Bf. mitbestrittenen Sendeprogramms. Die akustische Wiedergabe der von Reklamefachleuten entworfenen Texte sei daher nicht anders zu werten als etwa die Drucklegung des Inseratenteils einer Zeitung, nur daß man sich hier anderer technischer Mittel bediene.
Die Berufung blieb gleichfalls ohne Erfolg. Das Finanzgericht ließ sich im wesentlichen von der Erwägung leiten, daß von einer künstlerischen Tätigkeit bei einer derartigen Berufsausübung nur dann die Rede sein könne, wenn der Bf. hierbei die Möglichkeit der Entfaltung und übermittlung seiner schauspielerischen Fähigkeiten habe und von ihnen tatsächlich Gebrauch mache. Wohl liege bei der schauspielerischen Mitwirkung als Sprecher in einem Hörspiel, das durch Funk übertragen werde, eine künstlerische Tätigkeit vor. In der künstlerischen Gestaltung hielten aber Reklamesendungen schon ihrer Zweckbestimmung nach einen Vergleich hiermit nicht aus. Es handle sich dem Sinn und Zweck der Werbesendung entsprechend nur um Werbemittel, nicht aber um die übermittlung einer künstlerischen Leitung an das Publikum.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der der Bf. sein Begehren wiederholt hat, ist nicht begründet.
Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1955 ist Voraussetzung für die Gewährung der Tarifbegünstigung, daß der Bf. bei seiner Mitwirkung im Werbefunk in objektiver Hinsicht eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt hat. Für die Erfüllung dieser Voraussetzung ist es unerheblich, aus welcher Zielsetzung heraus der Künstler schafft und wozu das von ihm Geschaffene verwendet wird (vgl. das Urteil des Senats IV 560/56 U vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 182, Slg. Bd. 66 S. 471). Leistungen, die dazu bestimmt sind, einen Nützlichkeits (Gebrauchs-) Zweck zu erfüllen, können Gegenstand künstlerischen Schaffens sein. Eine künstlerisch gestaltete schauspielerische Leistung verliert allein dadurch, daß sie einem gewerblichen Zweck dient, z. B. dem Zweck, für ein bestimmtes Industrieprodukt zu werben, nicht die Eigenschaft einer künstlerischen Leistung. Allein entscheidend ist, ob der Schaffende schöpferische Leistungen vollbringt, d. h. Leistungen, in denen sich seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft widerspiegeln und die neben einer hinreichenden Beherrschung der Technik der betreffenden Kunstart eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Hieran und damit an der Tätigkeit als Künstler fehlt es, wenn sich der Schauspieler so ins einzelne an Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hat, daß ihm kein oder kein genügender Spielraum für eine eigene schöpferische Leistung bleibt. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn die Tätigkeit, wie hier die des Bf., als Sprecher im Werbefunk nicht mehr Ausdruck seiner individuellen Anschauungsweise und Gestaltungskraft ist, insbesondere wenn sie eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe nach Lage des Falles vermissen läßt. Unter diesen Gesichtspunkten wird die Tätigkeit eines Schauspielers als Sprecher von Werbetexten in der Regel nicht als die eines Künstlers anzusehen sein. Die Tätigkeit der Sprecher im Werbefunk wird daher steuerlich nicht anders als die der Rundfunksprecher im allgemeinen zu behandeln sein. Diese kann nur dann als eine künstlerische gelten, wenn die Sprecher im Einzelfall selbständige künstlerische Leistungen, z. B. in einer Hörspielrolle, erbringen, nicht dagegen, wenn sie Programme ansagen, Nachrichten, Börsenzettel und dergleichen verlesen (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 96/59 S vom 11. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 453, Slg. Bd. 71 S. 549; Plückebaum- Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage, Tz. 3197). Ob im Einzelfall schöpferische Leistungen vorliegen und infolgedessen der Tätigkeit eines Werbefunksprechers künstlerischer Rang zukommt, ist eine Frage, die tatsächliche Verhältnisse betrifft, über die das Finanzgericht nach seiner freien überzeugung entscheidet (§ 278 AO). Wenn das Finanzgericht insoweit zu der überzeugung gelangt ist, daß das Sprechen vorgeschriebener Werbetexte in Werbefunksendungen durch den Bf. keine schöpferische Leistung darstellt, so ist dies schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Bf. hierbei nicht in genügendem Masse, wie z. B. in einer Hörspielrolle, die Möglichkeit der Entfaltung und übermittlung seiner schauspielerischen Fähigkeiten hatte, im übrigen aber die Werbefunksendungen bekanntermassen eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe, die Hauptvoraussetzung für die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit ist, vermissen lassen.
Da die Feststellung der Vorinstanz weder einen Rechtsverstoß noch einen Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten, die Denkgesetze oder die Erfahrungen des täglichen Lebens enthält, war der Senat bei der beschränkten Rechtsnatur der Rb. gemäß §§ 288, 296 AO hieran gebunden.
Das Finanzgericht hat daher die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1955 zu Recht versagt. Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410497 |
BStBl III 1962, 385 |
BFHE 1963, 322 |
BFHE 75, 322 |