Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Lohnzufluss bei verbilligtem Aktienbezug eines Arbeitnehmers aufgrund eines nicht handelbaren Optionsrechts
Leitsatz (amtlich)
Wird einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber oder einem Dritten im Hinblick auf das Dienstverhältnis ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht eingeräumt, fließt ein geldwerter Vorteil weder bei der Einräumung, noch zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit zu, sondern erst bei verbilligtem Aktienbezug nach Optionsausübung (Anschluss an BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFH/NV 2001, 965, DStR 2001, 931, und I R 119/98, BFH/NV 2001, 968, DStR 2001, 934).
Normenkette
EStG § 8 Abs. 1, 2 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 19a Abs. 8 Sätze 1-2
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (EFG 1999, 825) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden zum Streitjahr 1995 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zu seinem Ausscheiden am 30. Juni 1995 nationaler Verkaufsdirektor der K KG (Arbeitgeber), einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der P Incorporated, USA (Muttergesellschaft). In den Jahren 1990, 1992 und 1993 waren dem Kläger im Rahmen des Dienstverhältnisses durch die Muttergesellschaft unentgeltlich Optionen mit einer Laufzeit von 10 Jahren auf den Erwerb ihrer Aktien eingeräumt worden. Eine Übertragung der Optionen war grundsätzlich ―von Ausnahmen, wie beispielsweise im Todesfall abgesehen― nicht zulässig. In den Jahren der Optionseinräumung waren daraus keine lohnsteuerlichen Konsequenzen gezogen worden. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erzielte der Kläger durch Erwerb von Aktien zu dem in der Option festgelegten Basispreis einen Vermögenszuwachs von 84 601 DM, der nicht mehr der Lohnsteuer unterworfen worden ist. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erfasste die 84 601 DM im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung als Arbeitslohn und gewährte darauf die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte mit abgekürztem Urteil (§ 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) der Einspruchsentscheidung. Ergänzend führte es aus, es schließe sich der Auffassung des FG Köln (Urteil vom 9. September 1998 11 K 5153/97, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1634) an, dass bei der Einräumung eines nicht handelbaren Optionsrechts ein geldwerter Vorteil erst bei dessen Ausübung zufließe.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die 84 601 DM bei der Besteuerung unberücksichtigt zu lassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der einem Arbeitnehmer aus einer Aktienoption eingeräumte Vorteil erst bei deren Erfüllung zufließt. Bei der Bewertung eines solchen Vorteils greift jedenfalls im Streitfall § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG nicht ein.
1. Werden einem Arbeitnehmer im Hinblick auf das Dienstverhältnis Aktien vom Arbeitgeber oder einem Dritten verbilligt überlassen, stellt der Preisnachlass Arbeitslohn dar. Dieser fließt, auch wenn die Verschaffung der Aktien auf einer zuvor eingeräumten Option beruht, grundsätzlich nicht bereits mit der diesbezüglichen Zusage, sondern erst mit deren Erfüllung zu. Zur Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 23. Juli 1999 VI B 116/99 (BFHE 189, 403, BStBl II 1999, 684, m.w.N.) und auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Januar 2001 I R 100/98 (BFH/NV 2001, 965, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2001, 931) und I R 119/98 (BFH/NV 2001, 968, DStR 2001, 934) verwiesen. Hierfür ist ―entgegen der Ansicht des FG― weder maßgebend, ob das Optionsrecht einen Vermögensgegenstand darstellt, noch ob dieser leicht zu bewerten ist. Entscheidend ist vielmehr, dass für Bar- wie Sachlohn nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung das Realisierungsprinzip gilt, wonach nicht schon das Einräumen von Ansprüchen, sondern erst deren Erfüllung einen Zufluss bewirkt. Für Nutzungsüberlassungen (z.B. bezüglich eines Kfz oder einer Wohnung) gilt insofern nichts anderes, weil mit der Überlassung das Nutzungsrecht laufend erfüllt wird.
Ein Zufluss wird auch nicht bereits zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem der Arbeitnehmer das ihm eingeräumte Optionsrecht erstmals ausüben darf. Der Senat kann ―wie der I. Senat― offen lassen, wie zu entscheiden ist, wenn der Arbeitnehmer den Wert der Option vor deren Einlösung beim Arbeitgeber durch "Glattstellung" oder in anderer Weise realisiert, da ein diesbezüglicher Sachverhalt nicht zu beurteilen ist. Er ist mit dem I. Senat jedoch der Auffassung, dass der Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit des Optionsrechts unbeachtlich ist. Folgerichtig hat der I. Senat im Fall I R 119/98 einen Zufluss erst im Ausübungsjahr 1990 angenommen, obwohl das 1986 eingeräumte Optionsrecht spätestens nach drei Jahren, mithin im Jahre 1989, erstmals ausgeübt werden konnte.
2. Das FA hat im Zuflussjahr 1995 zu Recht als geldwerten Vorteil die Differenz zwischen Börsenpreis am Verschaffungstag und den diesbezüglichen Aufwendungen des Klägers für die überlassenen Aktien angesetzt. Dies entspricht den Bewertungsvorschriften des § 8 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 19a Abs. 8 Satz 1 EStG.
a) Ob auf Aktien, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer verschafft, die Bewertungsvorschrift des § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG auch in Fällen anwendbar ist, in denen die Überlassung auf einem Aktienoptionsplan beruht, kann dahinstehen (vgl. auch BFH in BFH/NV 2001, 968, DStR 2001, 934). Im Streitfall ist die Vorschrift jedenfalls deswegen nicht einschlägig, weil am Tag der Überlassung mehr als neun Monate seit dem Tag der Beschlussfassung über die Überlassung vergangen waren. Tag der Beschlussfassung über die Überlassung ist dabei nicht der Tag, an dem der Arbeitgeber beschließt, seiner Verpflichtung aus dem bereits ausgeübten Optionsrecht nachzukommen, sondern der Tag, an dem der Beschluss über das Bezugsrecht getroffen wird.
b) Die von den Klägern befürchtete Doppelbesteuerung, wenn die im Rahmen des Dienstverhältnisses verbilligt bezogenen Aktien vor Ablauf der Spekulationsfrist veräußert werden, greift nicht ein. Ungeachtet dessen, von welchen Anschaffungskosten dabei im Einzelnen auszugehen wäre (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2000 IV R 45/99, BFHE 193, 429, BStBl II 2001, 190), zählte jedenfalls der als Arbeitslohn erfasste und damit aus versteuertem Einkommen des Arbeitnehmers stammende Anteil neben den Aufwendungen für den Basispreis ebenfalls zu den Anschaffungskosten. Folglich würde dieser Anteil nicht nochmals bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG (§ 22 Nr. 2 EStG) erfasst.
c) Schließlich ist auch nicht der Auffassung der Kläger zu folgen, bei "nachgelagerter Besteuerung" zum Zeitpunkt der Optionsausübung könnte der Vorteil aus der Option im Inland nicht mehr erfasst werden, wenn der bezugsberechtigte Arbeitnehmer dann nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sei (vgl. dazu BFH in BFH/NV 2001, 968, DStR 2001, 934); abgesehen davon würde dies nichts am Zuflusszeitpunkt ändern.
Fundstellen
Haufe-Index 603042 |
BFH/NV 2001, 1185 |
BStBl II 2001, 689 |
BFHE 195, 395 |
BFHE 2002, 395 |
BB 2001, 1616 |
DB 2001, 1861 |
DStR 2001, 1341 |
DStRE 2001, 909 |
DStZ 2001, 675 |
HFR 2001, 989 |
StE 2001, 466 |