Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung bei der unentgeltlichen Übertragung eines immateriellen Wirtschaftsgutes von einer Tochter- auf die Muttergesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Die unentgeltliche Übertragung eines bestimmten Exportmarktes durch eine Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft ist keine Teilbetriebsveräußerung, sondern nur die Übertragung eines geschäftswertähnlichen immateriellen Wirtschaftsgutes ,,Kundenstamm".
2. Die unentgeltliche Übertragung eines bestimmten Exportmarktes durch eine Tochtergesellschaft auf ihre Muttergesellschaft ist nur dann verdeckte Gewinnausschüttung, wenn der Muttergesellschaft ein Vermögenswert zufließt, den sie vorher nicht gehabt hat. Eine Vorteilszuwendung an die Muttergesellschaft kann auch darin liegen, daß die Tochtergesellschaft in die sofortige Auflösung eines seit Jahren bestehenden Vertragsverhältnisses, das das Recht der Kundenbelieferung in einem bestimmten Land umfaßt, einwilligt, ohne dafür eine Entschädigung zu verlangen.
Normenkette
KStG 1969 § 6 Abs. 1 S. 2, § 7a; EStG § 5 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin, eine Konzernmuttergesellschaft, war mit ihrer Tochtergesellschaft T organschaftlich verbunden. Der T war die Enkelgesellschaft E nachgeschaltet. Zwischen T und E bestand ebenfalls ein Organschaftsvertrag. E gab im Jahre 1972 einen bestimmten Exportmarkt für die Artikel des Konzerns an T ab. Das FA sah hierin eine verdeckte Gewinnausschüttung des geschäftswertähnlichen Wirtschaftsgutes ,,Markt und Kundenstamm". Auf Grund der Organschaftsverhältnisse wurde die verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin zugerechnet.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entscheidungsgründe
Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob und ggf. in welcher Höhe eine verdeckte Gewinnausschüttung der E vorliegt, die über die T der Klägerin zugerechnet werden könnte.
1. Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß die unentgeltliche Übertragung des Exportmarktes von der E auf die T keine Teilbetriebsveräußerung darstellt, bei der ein immaterielles Wirtschaftsgut ,,Geschäftswert" hätte übergehen können. Es hat aber in diesem Vorgang die unentgeltliche Übertragung eines geschäftswertähnlichen immateriellen Wirtschaftsguts ,,Kundenstamm" auf die T gesehen. Das FG leitet das Vorhandensein eines Kundenstamms aus den vorteilhaften Geschäftsbeziehungen der E ab, über die diese als eine zu den ausländischen Abnehmern eines inländischen . . . herstellers zwischengeschaltete Verkaufsgesellschaft verfügt hätte. Die bisherigen Feststellungen des FG erlauben nicht diese weitreichende Schlußfolgerung. Das FG hat in diesem Zusammenhang dem Vorbringen der Klägerin in der Vorinstanz, die Kundschaft der E im Raume . . . habe lediglich aus zwei konzernangehörigen Tochtergesellschaften der Klägerin bestanden, nicht genügend Bedeutung beigemessen. Das FG hat nicht festgestellt, ob diese entscheidungserhebliche Behauptung zutrifft. Hatte die E in dem genannten geographischen Bereich nur diese beiden konzernangehörigen Abnehmer zu beliefern, entfällt das Argument, sie habe sich durch ihre Anstrengungen einen eigenen Kundenstamm geschaffen, den sie bei Auflösung des Vertriebsverhältnisses hinsichtlich des Bereiches . . . ihrer Gesellschafterin T unentgeltlich überlassen hätte. Der T hätte ein Vermögenswert zufließen müssen, den sie vorher nicht gehabt hat. Die Rechtslage ist hier vergleichbar den Fällen, in denen es darum geht, ob einem Vertragshändler (Eigenhändler) gegenüber seinem Lieferanten, der meistens Hersteller bestimmter Markenerzeugnisse ist, bei Auflösung des Vertragshändlerverhältnisses in entsprechender Anwendung des § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) ein Ausgleichsanspruch zusteht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in dem Urteil vom 16. Februar 1961 VII ZR 239/59 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1961, 662) ausgeführt, die Verpflichtung des Vertragshändlers, bei Auflösung des Vertragsverhältnisses den Kundenstamm auf den Fabrikanten zu übertragen, sei dann nicht ursächlich für einen Vorteilszufluß beim Fabrikanten, wenn und soweit dem Fabrikanten die Kunden auch ohne die Überlassung des Kundenstamms seitens des Vertragshändlers zugeflossen wären, z. B. aufgrund der ,,Sogwirkung" des vertriebenen Markenerzeugnisses. Da die T Markenerzeugnisse herstellte, die nach dem Vortrag der Klägerin auf dem . . .-Markt und in . . . durch konzernangehörige Vertriebsgesellschaften weitervertrieben wurden, ist es ohne Kenntnis noch näher festzustellender Einzelheiten ungewiß, ob im Streitfall die Auflösung des Vertriebsverhältnisses hinsichtlich eines bestimmten geographischen Bereichs zu einer Auskehrung eines geldwerten Vorteils in Gestalt eines wertmäßig bestimmbaren Wirtschaftsguts ,,Kundenstamm" an die T geführt hat.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß die E ihrer Gesellschafterin T einen Vorteil dadurch zugewendet hat, daß sie in die sofortige Auflösung eines seit drei Jahren bestehenden Vertragsverhältnisses, das das Recht der Belieferung der Kunden in . . . beinhaltete, eingewilligt hat, ohne eine Entschädigung zu verlangen. In Höhe einer angemessenen Entschädigung, die an einen fremden Dritten bei gleichen Gegebenheiten zu zahlen wäre, könnte eine verdeckte Gewinnausschüttung an die T vorliegen (hinsichtlich der sich ergebenden Auswirkungen im Streitfall vgl. unter 2. am Ende).
2. Da nicht geklärt ist, ob es zu einer sich auf das Einkommen der Klägerin auswirkenden verdeckten Gewinnausschüttung an die T, die eine Organgesellschaft der Klägerin ist, gekommen ist, ist die Entscheidung des FG aufzuheben.
Sollte das FG zu dem Ergebnis gelangen, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung der E an ihre Gesellschafterin vorliegt, ergibt sich folgendes:
Bei einem steuerrechtlich anerkannten Organschaftsverhältnis mit Gewinnabführungsvertrag ist nach § 7a Abs. 2, 5 KStG a. F. das Einkommen der Organgesellschaft dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen. Im Streitfall geht es um die Zurechnung des Einkommens der E als der Organgesellschaft zum Einkommen der T als ihrem Organträger und sodann um die Zurechnung des Einkommens der T als Organgesellschaft zum Einkommen der Klägerin als dem letzten Organträger in dieser Reihe. T und E sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG a. F., deren Einkommen nach den Vorschriften des EStG und denen der §§ 7 bis 16 KStG a. F. zu ermitteln ist (§ 6 Abs. 1 KStG a. F.). Das Einkommen einer Organgesellschaft ist ohne Berücksichtigung des an den Organträger abzuführenden Gewinns zu ermitteln und erst danach dem ebenfalls selbständig ermittelten Einkommen des Organträgers für das Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) zuzurechnen, in dem die Organgesellschaft das Einkommen bezogen hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Oktober 1974 I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126).
Bei der Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft gelten auch die Vorschriften des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG a. F. über verdeckte Gewinnausschüttungen. Hat die E (Organgesellschaft) Gewinne an ihren Organträger T in verdeckter Form ausgeschüttet, ist die verdeckte Gewinnausschüttung bei dem Einkommen der E anzusetzen. Das Einkommen der E ist bei der T und über deren Einkommen sodann beim Einkommen der Klägerin zu erfassen.
Die Hinzurechnung eines verdeckte Gewinnauschüttungen enthaltenden Einkommens der Organgesellschaft beim Organträger kann aber eine doppelte steuerliche Belastung zur Folge haben; denn in der Regel hat die als verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzende Vorteilszuwendung der Organgesellschaft den Bilanzgewinn des Organträgers schon erhöht oder dessen Bilanzverlust gemindert. Diese doppelte Auswirkung widerspricht dem Grundgedanken des § 7a KStG a. F., der eine Ausnahme von dem Grundsatz der steuerlichen Doppel- und Mehrfachbelastung der Gewinne der Kapitalgesellschaft - einmal durch die Körperschaftsteuer bei der Gesellschaft, sodann bei Ausschüttung durch die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer bei den Gesellschaftern - darstellt.
Aus den Entscheidungen des erkennenden Senats vom heutigen Tage I R 150/82 (BFHE 149, 25) und I R 151/82 (BFH/NV 1987, 468), die zwischen denselben Beteiligten ergangen sind und auf die verwiesen wird, ergibt sich, daß der Gesellschafter, der von seiner Gesellschaft im Wege einer verdeckten Gewinnausschüttung ein immaterielles Wirtschaftsgut (Geschäftswert oder Kundenstamm) erhält, dieses - unter Realisierung des Gewinns - anzusetzen hat. Bei einem bilanzierenden Gesellschafter greift das Bilanzierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG nicht ein. Die Vorteile aus dem Bezug des immateriellen Wirtschaftsguts haben sich im Zeitpunkt des Erwerbs konkretisiert. Das hätte im Streitfall zur Folge, daß - im Falle des Übergangs eines Kundenstamms von E auf T - der Gewinn der T um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung zu erhöhen ist. Zur Ausschaltung der Doppelbelastung ist das der T zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft E um die verdeckte Gewinnausschüttung zu kürzen.
Besteht die verdeckte Gewinnausschüttung der E darin, daß diese kein Entgelt für die Einschränkung ihres Vertragsverhältnisses verlangt hat, ist die Klägerin dadurch doppelt belastet, daß ihr Einkommen - da ihre Organgesellschaft T nichts an die E für die Aufgabe des . . . Marktes gezahlt hat - um die ersparten Aufwendungen höher ist. Bei der T oder spätestens bei der Klägerin als der Organträgerin der T ist das Einkommen um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung zu kürzen. Das hätte zur Folge, daß in diesem Fall bei der Klägerin im Ergebnis nichts zuzurechnen wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 414717 |
BFH/NV 1987, 471 |