Entscheidungsstichwort (Thema)
(Kraftfahrzeugsteuer im Markenverfahren: Nachweis der Entrichtung nur durch Vorlage der Steuerkarte, Zeichenzwang, Steuerfestsetzung bei nicht gehörigem Nachweis der Entrichtung, Absehen von der Steuerfestsetzung)
Leitsatz (amtlich)
Die Kraftfahrzeugsteuerentrichtung im Markenverfahren für im Beitrittsgebiet zugelassene Kraftfahrzeuge (§ 12a KraftStG 1979) kann nur durch Vorlage der mit entsprechenden Steuermarken --Steuerzeichen-- versehenen amtlichen Steuerkarte im Original nachgewiesen werden (Zeichenzwang).
Orientierungssatz
1. Durch den Zeichenzwang nach § 12a KraftStG 1979 --Pflicht zur Vorlage der mit den Marken beklebten Steuerkarte-- wird das Zeichen praktisch zum alleinigen und ausschließlichen Beweismittel der steuerlichen Erfassung, die anders als durch das angebrachte Steuerzeichen nicht bewiesen werden kann. Der strikten Beweisfunktion des Steuerzeichens entspricht es im übrigen, daß ein Erlaß oder eine Erstattung der Steuer, wenn überhaupt, nur bei amtlich beaufsichtigter Vernichtung oder Ungültigmachung des Zeichens in Betracht kommt (vgl. für das Tabaksteuerrecht § 22 Abs. 2 TabStG), nicht dagegen, wenn ein Verlust des Steuerzeichens geltend und ggf. nachgewiesen wird (vgl. BSG-Urteil vom 16.7.1974 1 RA 183/73).
2. Eine Nichtentrichtung der Steuer im Markenverfahren i.S. des § 12a Abs. 4 Satz 3 KraftStG 1979 mit der Folge der Steuerfestsetzung liegt auch vor, wenn die Entrichtung nicht gehörig --durch die (beklebte) Steuerkarte selbst-- nachgewiesen wird. Allein der Umstand, daß die Entrichtung anderweitig belegt wird, vermag den Fahrzeughalter nicht zu entlasten. Ob aus Rechtsgründen von einer Festsetzung abzusehen wäre, wenn --zusätzlich-- den Halter kein irgendgeartetes Verschulden am Verlust der mit Steuerzeichen versehenen Steuerkarte träfe, insbesondere bei höherer Gewalt, brauchte im Streitfall nicht entschieden zu werden.
Normenkette
KraftStG 1979 § 12a Abs. 4 S. 3; AO 1977 § 167 Abs. 1 S. 2, § 92
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Entscheidung vom 16.02.1994; Aktenzeichen 1 K 411/93 Kfz) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) verkaufte sein im Beitrittsgebiet zum Verkehr zugelassenes Kraftfahrzeug am 12. Dezember 1991 an seinen Sohn A.T. und teilte den Verkauf der zuständigen Zulassungsstelle (des Kreises X) durch Übersendung einer Kopie des Kaufvertrags mit, jedoch ohne eine Kraftfahrzeugsteuerkarte für 1991 vorzulegen. Das beklagte und revisionsklagende Finanzamt (FA), dem die Zulassungsstelle eine weitere Kopie des Kaufvertrags übermittelt hatte, forderte den Kläger im Oktober 1992 zur Vorlage des Originals der Steuerkarte auf. Nachdem diese nicht vorgelegt wurde, setzte das FA gegen den Kläger für 1991 durch Bescheid Kraftfahrzeugsteuer fest (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 1993). Am 21. Juli 1993 ging bei dem FA eine Kopie der Steuerkarte für das (nunmehr in B mit neuem Kennzeichen zugelassene) Fahrzeug mit am 12. Dezember 1991 und 24. November 1992 abgestempelten Steuermarken ein, zusammen mit der Kopie einer Bestätigung der Zulassungsstelle in B vom 21. Juni 1993, nach der A.T. bei der am 12. Dezember 1991 erfolgten Ummeldung des Fahrzeugs eine mit Steuermarken im Wert von ... DM beklebte Steuerkarte vorgelegt habe.
Die Klage, mit der der Kläger u.a. vortrug, er habe seine Steuerkarte dem A.T. bei der Übergabe des Fahrzeugs überlassen, der sie nach Ummeldung und Erhalt der neuen Karte aus Unkenntnis vernichtet habe, hatte Erfolg. Nach Anhörung des Zeugen A.T. zu der Frage, ob dieser bei der Ummeldung des Fahrzeugs in B der dortigen Zulassungsstelle die Steuerkarte im Original übergeben habe, hob das Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 16. Februar 1994 1 K 411/93 Kfz die angefochtenen Bescheide mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 539 wiedergegebenen Begründung auf.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, zu deren Begründung folgendes vorgebracht wird: Die Steuerentrichtung könne, wie schon nach dem Recht der früheren DDR, nach § 12a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1979 (i.d.F. von Anlage I Kap.IV Sachgebiet B Abschn.II Nr.35 Buchst.g zum Einigungsvertrag --EV--, BGBl II 1990, 885, 989, BStBl I 1990, 654, 686) nur durch die Originalsteuerkarte nachgewiesen werden. Wenn der Kläger, der entgegen § 12a Abs.4 Satz 1 KraftStG 1979 der Zulassungsstelle X die Karte nicht übergeben habe, sich durch deren Weitergabe an A.T. dieses einzig überzeugenden Nachweises begeben habe, so müsse er das gegen sich gelten lassen. Ohne die Beweisbeschränkung würde auch das ordnungspolitische Ziel, Mißbräuche erheblichen Umfangs auszuschließen, nicht erreicht, weil die Nichtvorlage der Steuerkarte nicht sanktionsbewehrt sei. Dem Fahrzeughalter obliege im Markenverfahren eine erhöhte Sorgfalts- und Nachweispflicht, der durch Beibringen von Zeugenaussagen oder auch Bestätigungen von Zulassungsstellen nicht genügt werde. Angesichts dessen stelle selbst eine etwaige neue Besteuerung keine sachliche Härte dar.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und, da die Sache spruchreif ist, zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung). Das FA war aufgrund von § 12a Abs.4 Satz 3 KraftStG 1979 berechtigt, die Kraftfahrzeugsteuer gegen den Kläger wie geschehen festzusetzen. Das gilt unabhängig davon, ob --wovon das FG ausgeht-- der Kläger die Kraftfahrzeugsteuer 1991 tatsächlich durch Steuermarken entrichtet hatte. Er hat die Entrichtung jedenfalls nicht in der gesetzlich einzig möglichen Form, nämlich durch Vorlage der mit Steuermarken versehenen amtlichen Steuerkarte für das Fahrzeug --im Original-- bei der zuständigen Zulassungsstelle (X) oder bei dem FA, nachgewiesen.
Seit dem 1. Januar 1991 gilt im Beitrittsgebiet das KraftStG 1979 mit seinen beitrittsbedingten Änderungen (Art.8 EV mit Anlage I Kap.IV Sachgebiet B Abschn.II Nr.14 Abs.1 Ziff.1) --hier: § 12a--, das an die Stelle des Kraftfahrzeugsteuerrechts der früheren DDR getreten ist. Nach ihm ist die Kraftfahrzeugsteuer für im Beitrittsgebiet zugelassene Fahrzeuge bis zum 31. Dezember 1992 durch Steuermarken zu entrichten; diese Marken sind im Werte der Jahressteuer vom Fahrzeughalter zu erwerben und in die amtliche Steuerkarte für das Fahrzeug einzukleben (§ 12a Abs.1 Satz 1 und 2 KraftStG 1979). Die Steuerkarte ist bei der Benutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen mitzuführen, bei Verkehrskontrollen auf Verlangen vorzuzeigen und nach Beendigung der Steuerpflicht der Zulassungsbehörde zur Weiterleitung an das Finanzamt zu übergeben; dieses kann auch sonst, so beim Übergang zum Steuerfestsetzungsverfahren, die Vorlage verlangen (§ 12a Abs.3 Satz 1, Abs.4 Satz 1 und 2 KraftStG 1979).
Der Nachweis der Steuerentrichtung obliegt --wovon stillschweigend auch das FG ausgeht-- dem Steuerpflichtigen (vgl. etwa Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16.Aufl. 1990, § 88 AO Anm.2 m.w.N.). Umstritten ist jedoch, ob der Nachweis der Kraftfahrzeugsteuerentrichtung im Markenverfahren nur durch Vorlage der (mit entsprechenden Steuermarken versehenen) amtlichen Steuerkarte selbst geführt werden kann. Ebenso wie die Vorinstanz hat das FG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 3. November 1993 II 115/93, EFG 1994, 320) entschieden, daß der Nachweis auch in anderer Weise erbracht werden kann. Dagegen nimmt das Thüringer FG eine mit dem Markenverfahren geschaffene beweisrechtliche Regelung dergestalt an, daß der Nachweis der Besteuerung im Markenverfahren grundsätzlich allein durch die Vorlage der Steuerkarte mit den Steuermarken zu führen ist (Urteil vom 15. Dezember 1993 I K 48/93, EFG 1994, 413; ebenso Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, 1994, § 12a Rz.11, unter Hinweis auf einen entsprechend lautenden Verwaltungserlaß). Der Senat folgt der letzteren Ansicht.
Die Kraftfahrzeugsteuermarken sind Steuerzeichen im Sinne der Abgabenordnung --AO 1977-- (amtliche Begründung zu § 12a KraftStG 1979, BTDrucks 11/7817 S.122; Baum in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 4.Aufl., § 167 Rz.4), deren Verwendung eine Steuerfestsetzung grundsätzlich erübrigt (§ 167 Abs.1 Satz 2 AO 1977). Steuerzeichen (Wertzeichen im steuerstrafrechtlichen Sinne; vgl. § 369 Abs.1 Nr.3 AO 1977) haben die doppelte Funktion der Tilgung der Steuerschuld --hier: Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer (§ 12a Abs.1 Satz 1 KraftStG 1979)-- und des Beweises für diese Tilgung (so schon --für Tabaksteuerzeichen-- Reichsfinanzhof, Urteil vom 6. Mai 1932 IV A 226/31, RFHE 31, 31, 33). Durch den Zeichenzwang, wie er hier besteht --Pflicht zur Vorlage der mit den Marken beklebten Steuerkarte--, wird das Zeichen praktisch zum alleinigen und ausschließlichen Beweismittel der steuerlichen Erfassung, die anders als durch das angebrachte Steuerzeichen nicht bewiesen werden kann (so --grundlegend-- bereits Schröter, Die rechtliche Bedeutung der Steuerzeichen und der Steuerstempel, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1933, 257, 271).
Das ist keine Besonderheit der im Markenverfahren zu entrichtenden Kraftfahrzeugsteuer. Ähnliches gilt, nachdem die Börsenumsatz- und die Wechselsteuer aufgehoben worden und Börsenumsatz- und Wechselsteuermarken nunmehr entfallen sind, noch für das Tabaksteuerzeichen. Werden Tabakwaren, für die die Tabaksteuer durch Verwendung von Steuerzeichen zu entrichten ist, im Handel ohne vorschriftsmäßige Steuerzeichen angetroffen, so können sie im Aufsichtsweg sichergestellt werden (§ 215 Abs.1 Nr.1 Buchst.b AO 1977), mögen sie vorher auch ordnungsgemäß gekennzeichnet gewesen sein. Der strikten Beweisfunktion des Steuerzeichens entspricht es im übrigen, daß ein Erlaß oder eine Erstattung der Steuer, wenn überhaupt, nur bei amtlich beaufsichtigter Vernichtung oder Ungültigmachung des Zeichens in Betracht kommt (so für das Tabaksteuerrecht § 22 Abs.2 des Tabaksteuergesetzes --TabStG--i.d.F. vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2150; hinsichtlich der Steuerzeichenschuld auch bei Rückgabe: § 22 Abs.3 TabStG), nicht dagegen, wenn ein Verlust des Steuerzeichens geltend gemacht und ggf. nachgewiesen ist (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Juli 1974 1 RA 183/73, Neue Juristische Wochenschrift 1975, 359, das den Ersatz von Beitragsmarken der Rentenversicherung betrifft, aber auch auf die Rechtslage hinsichtlich der Steuermarken eingeht).
Das aus dem gesetzlich angeordneten Zeichenzwang folgende Ergebnis, daß die Kraftfahrzeugsteuerentrichtung im Markenverfahren nur durch Vorlage der mit Steuermarken versehenen Originalsteuerkarte, dem einzigen insoweit in Betracht kommenden Beweismittel (§ 92 AO 1977), nachgewiesen werden kann, wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. In ihnen heißt es (BTDrucks 11/7817 S.122), daß die --verwaltungsmäßig wenig aufwendige-- Besteuerung über ein Markenverfahren eine "höhere Mitwirkung" seitens der Fahrzeughalter (und der Zulassungsstellen) erfordere, wobei das Markenverfahren den Vorteil habe, daß es den Kraftfahrzeughaltern in der DDR bekannt sei. Die höhere Mitwirkung kann nur in der genauen Erfüllung der Vorlagepflicht bestehen (Original der mit Marken versehenen Steuerkarte). Diese Vorlagepflicht galt schon nach dem Kraftfahrzeugsteuerrecht der DDR. Nach diesem war der Zahlungsnachweis als Bestandteil der Kraftfahrzeugpapiere auf amtliches Verlangen vorzuzeigen (§ 6 Abs.1 der Verordnung über die Kraftfahrzeugsteuer vom 16. November 1961 --VO--, Gesetzblatt DDR --GBl DDR-- II 1961, 505). Zahlungsnachweis waren in eine Nachweiskarte einzuklebende Kraftfahrzeugsteuer-Wertmarken (§ 1 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Kraftfahrzeugsteuer vom 17. November 1961, GBl DDR II 1961, 506, i.V.m. § 3 Abs.2, § 5 Abs.1 und 3 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Kraftfahr-Haftpflicht-Versicherung vom 17. November 1961 --DB--, GBl DDR II 1961, 504). Dieses System findet sich im wesentlichen in § 12a KraftStG 1979 wieder, allerdings ohne eine weitere Regelung. § 5 Abs.5 DB sah vor, daß im Falle eines vom Fahrzeughalter nicht nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Verlustes der Nachweiskarte eine Steuernachforderung zu erfolgen hatte (vgl. auch § 6 Abs.3 VO). Bei wenigstens glaubhaft gemachtem Verlust war eine Nachforderung somit offenbar nicht vorgesehen, ein Verlustnachweis höheren oder minderen Grades mithin zugelassen. Der Gesetzgeber hat sich jedoch mit der in § 12a KraftStG 1979 getroffenen Regelung für einen strikten Zeichenzwang entschieden. Diese Entscheidung ist zu beachten.
Die hiernach bei Nichtvorlage der mit Steuermarken versehenen Originalsteuerkarte gebotene Festsetzung findet entgegen der Auffassung des FG ihre Rechtsgrundlage in § 12a Abs.4 Satz 3 KraftStG 1979. Im Hinblick auf den angeordneten Zeichenzwang ist davon auszugehen, daß eine Nichtentrichtung der Steuer "im Markenverfahren" auch vorliegt, wenn die Entrichtung nicht gehörig --durch die (beklebte) Steuerkarte selbst-- nachgewiesen ist. Allein der Umstand, daß die Entrichtung anderweitig belegt wird, vermag den Halter nicht zu entlasten. Ob aus Rechtsgründen von einer Festsetzung abzusehen wäre, wenn --zusätzlich-- den Halter kein irgendgeartetes Verschulden an dem Verlust der mit Steuerzeichen versehenen Steuerkarte träfe, insbesondere bei höherer Gewalt (so Thüringer FG, EFG 1994, 413; anders --mit Hinweis auf in solchen oder anderen Härtefällen lediglich in Betracht kommende Billigkeitsmaßnahmen-- Strodthoff, a.a.O., Rz.12, und der dort Rz.11 angeführte Ministerialerlaß), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 65109 |
BFH/NV 1995, 22 |
BStBl II 1995, 79 |
BFHE 175, 456 |
BFHE 1995, 456 |
BB 1995, 34 (L) |
DStR 1995, 133-134 (KT) |
DStZ 1995, 219-220 (KT) |
HFR 1995, 149-150 (KT) |
StE 1995, 8 (K) |