Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Betrieb einer Zierfischzucht ist in der Regel kein Gewerbebetrieb.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 1 Nrn. 2-3; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Zierfischzucht als landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betrieb anzusehen ist.
Der Bf. betreibt die Zierfischzucht in mehreren Aquarien, die in einem größeren glasbedeckten Haus untergebracht sind. Um das erforderliche Futter (Wasserflöhe) zu beschaffen, hat der Bf. eine Reihe von Teichen gepachtet, die sich in verschiedenen Gemeinden und auf verschiedenen Bauernhöfen in einer Entfernung von 5 bis 38 km befinden. Es werden auch Teiche abgefischt, die vom Bf. nicht gepachtet sind. Dies kommt dann in Betracht, wenn die gepachteten Teiche für das für die Aufzucht der Fische benötigte Kleinfutter nicht ausreichen. Zierfischzuchtpaare hat der Bf. im Streitjahr 1956 für 280,50 DM eingekauft. In der Gewerbesteuererklärung für 1956 gab der Bf. als Gewinn aus Gewerbebetrieb den Betrag von 8,253 DM an. Das Finanzamt setzte daraufhin unter Zugrundelegung dieses Betrages einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag fest.
Mit dem Einspruch machte der Bf. geltend, er habe nicht, wie irrtümlich angenommen, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
Der Einspruch und auch die Berufung hatten keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben geprüft, ob § 13 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 EStG 1955 anwendbar sind. Beide haben die Voraussetzungen dieser Vorschriften verneint. Zu der Anwendbarkeit des § 13 Abs. 1 Ziff. 2 EStG 1955 führte das Finanzgericht aus, der Begriff der Land- und Forstwirtschaft umfasse zur Hauptsache die gesamte Bodenwirtschaft, die nicht gewerblicher Art sei, und die sonstige Tätigkeit, die auf die Gewinnung von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen gerichtet sei. Deshalb stelle es die Rechtsprechung bei der Tierhaltung, bei der die Bodenbewirtschaftung zurücktrete, ebenfalls auf die überwiegend eigene Futtermittelgrundlage ab. Landwirtschaftlich gesehen gebe es hiernach keinen Tierzucht- und Tierhaltungsbetrieb ohne eigene land- und forstwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung. Im Streitfalle seien die aus den gepachteten Teichen gefangenen Wasserflöhe nicht aus einem landwirtschaftlichen Betrieb, der Pflanzen, auch Futter, hervorbringe und sich auf die Kraft des Bodens stütze, gewonnen. Eine andere Ansicht würde der Verkehrsauffassung völlig widersprechen. Auch ein Fall des § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1955 liege nicht vor. Bei dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber an die Gewinnung von Produkten gedacht, die der menschlichen Ernährung dienten. Entscheidend sei jedoch, ob die Fischzucht unter natürlichen Bedingungen stattfinde, nämlich in Wasser, das mit dem Naturboden in Verbindung stehe, das ferner unter natürlichen Wärme-, Druck- und Strömungsverhältnissen pflanzliche und kleintierische Bestandteile zur Entwicklung kommen lasse und so die Futtergrundlage für Produkte der Binnenfischerei und Fischzucht liefere. Diese Voraussetzungen seien bei der künstliche Klima- und Druckbedingungen erfordernden Zierfischzucht in Aquarien nicht gegeben. Hiernach könne es sich bei den Einkünften des Bf. nur um solche gewerblicher Natur handeln.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. des Bf. ergibt folgendes:
Gemäß § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auch die Einkünfte aus Binnenfischerei, Fischzucht und Teichwirtschaft. Es kommt bei der Frage, ob § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG auch auf eine Zierfischzucht anwendbar ist, auf die Auslegung des Begriffes "Fischzucht" an. Geht man zunächst nur von dem Worte Fischzucht aus, so wird man sagen müssen, daß dieses Wort auch die Züchtung von Zierfischen umfaßt, da es zwischen Nutz- und Zierfischen nicht unterscheidet, sondern allgemein nur den Begriff Fischzucht zum Ausdruck bringt. Es kann sich also nur darum handeln, ob aus anderen Gründen, insbesondere im Hinblick auf den Sinnzusammenhang, in den der Begriff Fischzucht gestellt ist, eine einschränkende Auslegung geboten ist. Nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung (vgl. Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 13 Anm. 11; Herrmann-Heuer, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 13 Anm. 16; Lademann-Lenski-Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13 Anm. 5) gehören die Einkünfte aus der Fischzucht nur dann zu den Einkünften aus Landwirtschaft, wenn diese in eigenen oder gepachteten Binnengewässern oder im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb ausgeübt wird (anderer Ansicht Krill, Die Einkommensteuer der Land- und Forstwirtschaft, S. 14 Buchst. g).
Der erkennende Senat vermag der in den oben genannten Kommentaren vertretenen Auffassung nicht zu folgen. § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG enthält keine Einschränkungen im Sinne dieser Auffassung, stellt es also insbesondere nicht auf den Zusammenhang einer Fischzucht mit einem landwirtschaftlichen Betrieb ab. Wenn der Reichsfinanzhof in dem Urteil VI A 173/35 vom 10. Oktober 1935 (RStBl 1936 S. 186) fordert, daß die Fischzucht in eigenen oder gepachteten Binnengewässern unter Ausnutzung der Naturkräfte ausgeübt wird, so ist zu beachten, daß auch die Zucht von Zierfischen in Aquarien unter Ausnutzung der in den Fischen enthaltenen Naturkräfte und unter Verwendung von in der Natur gewonnenem Futter durchgeführt wird. Die eigentliche Produzentin ist auch hier die Natur, während die menschliche Tätigkeit die organischen Lebensvorgänge nur unterstützt. Daß diese Vorgänge sich, wenn auch zu einem wesentlichen Teil, in einem Aquarium bzw. in einem glasbedeckten Gebäude vollziehen, kann nicht von entscheidender Bedeutung sein. Auch der Gartenbau, der - wie die Fischzucht in Aquarien - zum Teil unter ähnlichen Bedingungen betrieben wird (z. B. die Zucht von Treibhauspflanzen in Kästen und Töpfen, die Pilzzucht in Kellern), wird grundsätzlich zur Landwirtschaft gerechnet (vgl. § 13 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1955 und Blümich-Falk, a. a. O., § 13 Anm. 2). Man wird demgemäß auch die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG auf die Fischzucht nicht davon abhängig machen können, daß diese im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb durchgeführt wird bzw., wie das Finanzgericht ausführt, in Wasser stattfindet, das mit dem Naturboden in Verbindung steht und außerdem unter natürlichen Wärme-, Druck- und Strömungsverhältnissen pflanzliche und kleintierische Bestandteile zur Entwicklung kommen läßt. § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG bietet auch keinen Anhalt für die Annahme, daß es sich bei der Züchtung von Fischen um solche Fische handeln muß, die der menschlichen Ernährung dienen. Abgesehen davon, daß diese Auffassung in dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG keine Stütze findet, ist zu berücksichtigen, daß die Gewinnung auch anderer Produkte, die nicht der menschlichen Ernährung dienen, unter bestimmten Voraussetzungen zur Landwirtschaft gehört, z. B. die Blumenzucht und der Tabakanbau.
Hiernach sind auch die Einkünfte aus einer Zierfischzucht gemäß § 13 Abs. 1 Ziff. 3 EStG grundsätzlich als Einkünfte aus Landwirtschaft anzusehen. Voraussetzung ist allerdings, daß nicht dauernd und nachhaltig über das betriebsnotwendige Maß hinaus Zu- und Verkäufe von fremden Erzeugnissen - letzteres ist hier nicht der Fall - getätigt werden und der Betrieb seine Wesensart hierdurch nicht verändert. Insoweit verweist der Senat auf sein Urteil IV 430/55 U vom 15. November 1956 (BStBl 1957 III S. 37, Slg. Bd. 64 S. 93), dessen Grundsätze auch bei der Zierfischzucht entsprechende Anwendung finden müssen.
Bei dieser Sachlage kann es nicht mehr darauf ankommen, ob auch § 13 Abs. 1 Ziff. 2 EStG unter dem Gesichtspunkt der Tierhaltung auf die Fischzucht anzuwenden ist.
Nach alledem ist die Zierfischzucht des Bf. nicht als Gewerbebetrieb anzusehen. Die Vorentscheidungen und der Steuerbescheid, die eine andere Auffassung vertreten haben, waren demgemäß ersatzlos aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 409843 |
BStBl III 1961, 7 |
BFHE 1961, 14 |
BFHE 72, 14 |