Leitsatz (amtlich)

Erwirbt eine Betriebskapitalgesellschaft von der Besitzpersonengesellschaft oder den gemeinsamen Gesellschaftern ein bebautes Grundstück, so liegen bei ihr hinsichtlich des auf das Gebäude entfallenden Teiles des Kaufpreises Anschaffungskosten vor. Der Erwerbsvorgang dient Investitionszwecken im Sinne von Teil I Art. 1 StMG.

 

Normenkette

Gesetz Nr. 584 über steuerliche Maßnahmen im Saarland (StMG) vom 12. Juni 1957 (Amtsblatt des Saarlandes 1957 S. 905) Teil I Art. 1

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine GmbH. Ihre Gesellschafter waren im Streitjahr (I/1959) die Brüder Heinrich N. jun. und Werner N., zugleich Gesellschafter der KG, aus der die Steuerpflichtige mit notariellem Vertrag vom 29. Juni 1948 durch Ausgründung hervorgegangen ist; sie führt lt. Gesellschaftsvertrag das bis dahin von der KG betriebene Unternehmen fort, während Gesellschaftsgegenstand der KG die Verwaltung von Vermögen ist.

Mit notariellem Vertrag vom 22. Juni 1959 erwarb die Steuerpflichtige von ihren Gesellschaftern das ihr zunächst von der Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Heinrich N. sen. verpachtete Grundstück in G, Hauptstraße 9–12. Das Grundstück war im Zuge der Auseinandersetzung der Miterben im Jahre 1958 den Gesellschaftern der Steuerpflichtigen übertragen worden. Die Steuerpflichtige sah in dem Erwerb einen nach Teil I Art. 1 des Gesetzes Nr. 584 über steuerliche Maßnahmen im Saarland (StMG) vom 12. Juni 1957 (Amtsblatt des Saarlandes 1957 S. 905) begünstigten Rechtsvorgang und nahm – nach Ausscheiden des auf den Grund und Boden entfallenden Teilbetrages des Kaufpreises – eine Minderung ihres Gewinns im Veranlagungszeitraum I/1959 um 25 v. H. aus 57 570 000 ffrs (= 14 392 500 ffrs) vor.

Der Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) folgte der Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen nicht, nachdem ihm die näheren Umstände dieses Erwerbsvorgangs durch eine Ende 1963/Anfang 1964 durchgeführte Betriebsprüfung bekanntgeworden waren (Steuerbescheid vom 24. Februar 1965). Der Prüfer hatte in Tz. 45 d seines Berichts vom 18. Juni 1964 dazu ausgeführt:

„Nach Sinn und Zweck des Art. I StMG soll nur die Anschaffung der Wirtschaftsgüter begünstigt werden, die im Unternehmen vorhandene Wirtschaftsgüter ersetzen oder für zusätzliche Anlagen benötigt werden. Der Grundbesitz ist durch Vertrag vom 3. 1. 1957 von der Erbengemeinschaft N. auf die Gebr. Heinrich u. Werner N. übergegangen, welche ab der Betriebsteilung die alleinigen Gesellschafter der GmbH und der KG sind. Entsprechend seiner Art verkörpert das Grundstück durch die Verpachtung an die GmbH die wesentlichen Grundlagen des Anlagevermögens, das wiederum die notwendige Unterlage für den Betrieb der GmbH bildet. Dadurch besteht eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Besitzpersonengesellschaft und der Betriebskapitalgesellschaft, so daß wirtschaftlich betrachtet ein einheitliches Unternehmen vorliegt, bei dem Anlagevermögen und sonstiges Vermögen lediglich der Form nach auf eine Personengesellschaft und eine Kapitalgesellschaft aufgeteilt worden sind. Aufgrund des OFD-Vfg. vom 11. Nov. 1960 – S 1929-6-St 221 – ist demnach die Steuerbegünstigung für diese Investition zu versagen.”

Die von der Steuerpflichtigen eingelegte Sprungberufung (alten Rechts) blieb insoweit ohne Erfolg. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen, zu deren Begründung sie vortragen läßt:

Das FG habe der Steuerpflichtigen zu Unrecht die in Anspruch genommene Vergünstigung versagt, indem es sich über die auch im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gegebene steuerrechtliche Selbständigkeit der Steuerpflichtigen hinweggesetzt habe. Die Betriebsaufspaltung werde steuerlich anerkannt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – VI B 31/63 vom 10. Juni 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 86 S. 590 – BFH 86, 590 –, BStBl III 1966, 598); nach ihrer Vollziehung liege deshalb aber nur mehr wirtschaftlich, nicht auch steuerrechtlich ein einheitliches Unternehmen vor. Es sei nie zweifelhaft gewesen, daß die Betriebskapitalgesellschaft im Verhältnis zur Besitzpersonengesellschaft Betriebsausgaben haben könne, so daß bei ihr auch Anschaffungskosten aus dem Erwerb eines Wirtschaftsguts von der Besitzpersonengesellschaft anzuerkennen seien. Dies folge auch aus der Annahme eines Veräußerungsgewinns bei der Besitzpersonengesellschaft, wenn der Veräußerungserlös dieses Wirtschaftsguts seinen Buchwert übersteige. Die Auffassung der Steuerpflichtigen werde insoweit auch durch das BFH-Urteil I 1/64 vom 4. Oktober 1966 (BFH 87, 31, BStBl III 1966, 690) gestützt. Dieses Urteil mache aber auch deutlich, daß die Steuervergünstigung des Art. 1 StMG Platz greife, da die Steuerpflichtige, bisher nur Pächterin des Grundstücks, nunmehr dessen Eigentümerin sei und damit auch wirtschaftlich eine andere Stellung in Ansehung des Grundstücks erlangt habe. Schließlich habe der BFH im Urteil 280/63 vom 17. November 1966 (BFH 87, 253, BStBl III 1967, 118) klar herausgestellt, daß die persönliche Steuerpflicht einer Kapitalgesellschaft allein durch ihre Rechtsform bedingt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung der Steuer.

1. Es kann für die Entscheidung keinen Unterschied machen, ob das von der Steuerpflichtigen mit notariellem Vertrag vom 22. Juni 1959 erworbene Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs im Eigentum der KG, im Eigentum der Erbengemeinschaft nach dem verstorbenen Heinrich N. sen. oder im Eigentum der beiden Gesellschafter der Steuerpflichtigen stand, die es im Wege der Auseinandersetzung von der Erbengemeinschaft übertragen erhalten hatten (wozu es eines besonderen Übertragungsakts seitens der Miterben bedurfte – vgl. §§ 313, 873 Abs. 1 BGB, Urteil des Bundesgerichtshofs V BLw 11/56 vom 9. Juli 1956, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 21 S. 229 [231]) und steuerlich dem Betriebsvermögen der KG zuzurechnen war, weil es ihr nach wie vor diente (siehe BFH-Urteil I 197/59 vom 1. März 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK –, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 250; dazu die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 457/66 vom 15. Juli 1969, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1969 S. 450). Denn weder die Zugehörigkeit noch die steuerliche Zurechnung des Grundstücks zum notwendigen Betriebsvermögen der KG schließt es aus, daß die Steuerpflichtige das Grundstück (unbeschadet der steuerlichen Auswirkung dieses Vorgangs bei der KG, im letztgenannten Fall als Entnahme: BFH-Urteil I 296/61 vom 17. April 1962, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 305) zu Eigentum erwerben konnte mit der Folge, daß bei ihr in Höhe des aufgewendeten Kaufpreises Anschaffungskosten anfielen. Das Grundstück stand bisher unstreitig nicht im Eigentum der Steuerpflichtigen, war ihr vielmehr nur pachtweise überlassen worden und auch nicht – wie der KG – unter irgendeinem Gesichtspunkt wirtschaftlich und damit steuerrechtlich zuzurechnen. Etwas anderes kann – im Gegensatz zur Auffassung des FG – auch nicht daraus hergeleitet werden, daß in Anbetracht der Besonderheit des Vorgangs der Betriebsaufspaltung die Besitzpersonengesellschaft als weiterhin gewerblich tätig und ihre Anteile am Stammkapital der Betriebskapitalgesellschaft als ihr notwendiges Betriebsvermögen angesehen werden (BFH-Urteil IV 179/64 U vom 28. Januar 1965, BFH 81, 40, BStBl III 1965, 261, mit weiterer Rechtsprechung). Auch fehlt es – im Gegensatz zur Auffassung des FG – beim Übergang des Eigentums an einem Wirtschaftsgut von der Besitzpersonengesellschaft auf die Betriebskapitalgesellschaft nicht an der Übertragung dieses Wirtschaftsguts auf eine andere wirtschaftliche Einheit; denn, wie die Steuerpflichtige zu Recht vorgetragen hat, folgt aus der steuerrechtlichen Anerkennung der Betriebsaufspaltung notwendig die steuerliche Anerkennung rechtsgeschäftlicher Beziehungen zwischen den so entstandenen rechtlich selbständigen Unternehmen (die dem Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung erst ihren wirtschaftlichen Sinn gibt).

2. Der Senat bejaht darum das Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift des Art. 1 StMG, wie sie im BFH-Urteil I 1/64 (a. a. O.) dargestellt worden sind. Die Steuerpflichtige hat mit der Aufwendung des Kaufpreises für das Grundstück nicht nur Anschaffungskosten zu verzeichnen gehabt, sondern auch eine Investition durchgeführt. Im Gegensatz zu dem mit BFH-Urteil I 1/64 (a. a. O.) entschiedenen Falle fehlt es hier nicht an den Anschaffungskosten, weil die Anerkennung der Betriebsaufspaltung, wie bereits ausgeführt, zur Anerkennung rechtsgeschäftlicher Transaktionen zwischen Besitzpersonengesellschaft und Betriebskapitalgesellschaft führt. Eine Investition ist begrifflich die „Widmung von Kapital zur Erhöhung von Produktionsmittel- und Lagerbeständen” (Bülow-Langen, Wörterbuch der Wirtschaft), die „langfristige Anlage von Kapital zum Zwecke der Veränderung der Sachgüterbestände in Unternehmungen (Produktionsmittel- und Lagerbestände)” (Gablers-Wirtschaftslexikon), die „Verwendung von Einkommen (Geld) für den Ankauf dauerhafter Wirtschaftsgüter” (Großer Brockhaus, 1954); sie ist als gegeben anzusehen, wenn eine, wie oben dargelegt, nach Handels- und Steuerrecht selbständige Kapitalgesellschaft vermittels entsprechender Aufwendungen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erwirbt. Daß sie diese von ihren Gesellschaftern erwarb, ist solange ohne steuerrechtliche Bedeutung, als die Angemessenheit der aufgewendeten Mittel nicht in Frage gestellt wird. Das ist im Streitfall nicht geschehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514576

BFHE 1970, 308

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