Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Das Aufrücken der Holzbestände in höhere Altersklassen infolge des natürlichen Wachstums berechtigt das Finanzamt, sofern die für eine Wertfortschreibung bestehende Grenze überschritten wird, auch beim Bauernwald zu einer Wertfortschreibung. Wird eine Wertfortschreibung aus anderen Gründen, z. B. infolge einer Bestandsveränderung beim landwirtschaftlichen Betrieb, erforderlich, so ist die Wertsteigerung des Bauernwaldes infolge des Holzzuwachses im Rahmen der Wertfortschreibung des landwirtschaftlichen Betriebs zu berücksichtigen.
Normenkette
BewG § 22; AO § 225a
Tatbestand
Es handelt sich um die Fortschreibung des Einheitswerts für den landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdegegners (Bg.) auf den 1. Januar 1954. Die Fortschreibung erfolgte wegen einer Flächenbestandsveränderung des landwirtschaftlichen Betriebs. Die Gesamtfläche des Hofes hat sich durch Tausch im Jahre 1953 von 38,36 ha am 1. Januar 1935 auf 39,51 ha am 1. Januar 1954 erhöht. Bei der Fortschreibung wurde der Holzzuwachs des zur wirtschaftlichen Einheit des landwirtschaftlichen Betriebs gehörenden Bauernwalds mit erfaßt. Die forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksfläche von 18,07 ha wurde nach einem ha-Satz von 595 DM mit 10.752 DM bewertet. Dem Nutzungswert auf den 1. Januar 1935 lag nur ein ha-Satz von 200 RM zugrunde. Der fortgeschriebene Einheitswert für den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb des Bg. auf den 1. Januar 1954, also einschließlich des Bauernwaldes, ergab 48.000 DM. Der Einspruch des Bg. hatte keinen Erfolg. Seine Berufung richtete sich gegen die mit der Fortschreibung des landwirtschaftlichen Betriebs zugleich vorgenommene Erhöhung des Ertragswerts der forstwirtschaftlich genutzten Fläche. Der Holzzuwachs seit dem letzten Hauptfeststellungszeitpunkt müsse bei der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1954 außer Ansatz bleiben. Der seit dem 1. Januar 1935 eingetretenen Veränderung des Holzbestands durch das älterwerden der Bäume könne erst bei der nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte Rechnung getragen werden. Die änderung des Ertragswerts (ha-Satz) im Rahmen einer Wertfortschreibung widerspreche dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Auf Grund einer örtlichen Besichtigung am 6. Dezember 1954 ergab sich, daß die im Wertfortschreibungsbescheid und Einspruchsbescheid zugrunde gelegten Holzflächen nach Größe, Holzart und Bestockungsgrad teilweise nicht der Wirklichkeit entsprachen. Nach Neuermittlung der Bestände ergab sich ein Durchschnittshektarsatz von nur 331 DM. Bei Zugrundelegung dieses ha-Satzes würde sich der Ertragswert des Waldes auf 5.989 DM und der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs des Bg. zum 1. Januar 1954 auf 43.200 DM ermäßigen. Das Finanzamt weist darauf hin, daß bei forstwirtschaftlicher Bewertung nicht der Grund und Boden, sondern das Holz auf dem Stamm die entscheidende Rolle spiele. Es unterliege schnelleren Veränderungen als der Grund und Boden. Ein Absinken des Ertragswerts durch Abhieb eines erheblichen Teils alter Bestände werde öfter eintreten als ein Steigen des Ertragswerts infolge einer hinter dem Zuwachs zurückbleibenden Nutzung. In beiden Fällen handle es sich jedoch um Bestandsveränderungen des Waldes, die bei Erreichung der Wertfortschreibungsgrenze zu einer Wertfortschreibung führen müßten. Das Finanzgericht hat sich in dem angefochtenen Urteil den Rechtsstandpunkt des Bg. zu eigen gemacht. Es hat die forstwirtschaftlich genutzte Fläche wie im letzten vorangegangenen Einheitswert auf den 1. Januar 1935 mit 3.600 RM/DM und die landwirtschaftlich genutzte Fläche mit dem bei der Wertfortschreibung zum 1. Januar 1954 ermittelten Wert von 37.300 DM angesetzt. Der Einheitswert auf den 1. Januar 1954 ermäßigte sich danach auf 40.900 DM. Das angefochtene Urteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Der Holzzuwachs stelle zwar eine Wertveränderung im Rahmen des § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) und des § 225a Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) dar. Gleichwohl könne aus diesem Grunde selbst bei Erreichen der vorgeschriebenen Wertgrenzen keine Wertfortschreibung vorgenommen werden, da dies gegen den von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entwickelten Grundsatz des Verbots der kollektiven Wertfortschreibung verstoßen würde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts. Sie ist in der Hauptsache mit folgenden Erwägungen begründet: Bei dem Hineinwachsen der Holzbestände in höhere Altersklassen handle es sich um Bestandsveränderungen, nicht um änderung der Wertverhältnisse (ß 3 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV -). Im Streitfall habe die Flächenerweiterung bei der Landwirtschaft den Anlaß zur Fortschreibung des Einheitswerts des landwirtschaftlichen Betriebs geboten. Bei Durchführung dieser Wertfortschreibung habe die forstwirtschaftlich genutzte Fläche in dem Zustand erfaßt werden müssen, wie er im Fortschreibungszeitpunkt bestanden habe. Die Annahme des Finanzgerichts, daß die Fortschreibung des Einheitswerts eines forstwirtschaftlichen Betriebs wegen des Holzzuwachses gegen das Verbot kollektiver Wertfortschreibung verstoße, treffe in einem solchen Fall nicht zu. Es handle sich vielmehr bei Wertfortschreibungen wegen des Holzzuwachses lediglich um Einzelfälle, bei denen eine Wertfortschreibung durchgeführt werden könne, ohne daß der Gesichtspunkt einer vorweggenommenen Hauptfeststellung zum Zuge käme. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Er hat im wesentlichen ausgeführt: Wenn die Ansicht des Finanzgerichts richtig wäre, daß Wertzugänge, die durch den Holzzuwachs eingetreten seien, nicht Anlaß zu einer Wertfortschreibung sein dürften, müßte bei einer Berücksichtigung anderer Zustandsänderungen, z. B. infolge von übernutzungen, Insektenkalamitäten, Windwurf, Schneebrüchen, Brand usw., der Zuwachs seit 1935 ebenso unberücksichtigt bleiben. Allerdings seien in allen Forstbetrieben der Bundesrepublik Wertzugänge durch den Zuwachs seit 1935 eingetreten. Das Finanzgericht irre aber, wenn es glaube, daß dieser Zuwachs in allen Fällen Anlaß für eine Wertfortschreibung biete. Denn beim forstwirtschaftlichen Vermögen seien bei weitem diejenigen Fälle in der überzahl, bei denen die Wertzugänge infolge von Zuwachs durch entsprechende Wertabgänge mehr oder weniger ausgeglichen würden. Im Streitfall handle es sich um Bauernwald mit einer Betriebsgröße unter 50 ha. Nach dem Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 28. Februar 1935 S. 3141 A - 160 III B Ziff. 4 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 420) hätten die Landesfinanzämter die Bauernwälder nach Durchschnittsätzen bewerten können. Für die Standortklassen und den Holzpreis hätten dabei in kleinen oder größeren Gebieten durchschnittliche Verhältnisse und im allgemeinen ein Bestockungsgrad von 0,8 v. H. unterstellt werden dürfen. Im Gegensatz dazu seien für die Flächen, Holzarten und das Alter die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls maßgebend gewesen. Wenn sich hinsichtlich der Flächengröße, der Holzart oder des Alters, wofür die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend gewesen seien, bis zum Fortschreibungszeitpunkt erhebliche Zustandsänderungen ergeben hätten, müßten diese durch Wertfortschreibung ebenso berücksichtigt werden wie in allen anderen Fällen der Fortschreibung von Einheitswerten des forstwirtschaftlichen Vermögens. Bei Bauernwäldern handle es sich vielfach um Forstbetriebe, die aussetzend genutzt würden. Die Wertfortschreibungsgrenzen infolge von einseitigen übernutzungen oder Zuwachseinsparungen würden von aussetzenden Betrieben wegen der einseitigen Betriebsweise relativ häufiger überschritten als von Nachhaltsbetrieben. Es handle sich jedoch auch dabei nicht um eine grundsätzliche Entwicklung, so daß für beträchtliche Teile des Bundesgebiets Wertfortschreibungen infolge von Zuwachseinsparungen etwa nicht durchgeführt werden dürften. Denn der gestiegene Kapitalbedarf der Landwirtschaft habe andererseits in zahlreichen Fällen dazu geführt, daß Bauernwälder durch übernutzungen weit über ihre Leistungsfähigkeit hinaus in Anspruch genommen worden seien. Auch in diesen Fällen müsse den Anträgen auf Wertfortschreibung entsprochen werden. Denn auch bei den Bauernwäldern handle es sich bei den Bestandsveränderungen um Einzelfälle, in denen sich die tatsächlichen Verhältnisse des Waldzustands seit 1935 verändert hätten.
Der Bg. hat ein Gutachten des Universitätsprofessors Dr. Spitaler eingereicht. Diesem Gutachten liegen in der Hauptsache folgende Erwägungen zugrunde: Die Kernfrage, um die es in diesem Rechtsstreit gehe, sei die Frage, wann Wertfortschreibungen einer verdeckten Hauptfeststellung der Einheitswerte gleichkämen und deshalb nicht vorgenommen werden dürften. Hier handle es sich allerdings nicht um eine Wertfortschreibung zur Berichtigung eines Bewertungsfehlers, für die die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über das Verbot kollektiver Wertfortschreibungen gelte. Es sei indessen zu prüfen, ob es sich bei den Veränderungen der Altersklassen in der Forstwirtschaft um eine Erscheinung handle, die zu den allgemeinen Veränderungen der Verhältnisse oder zu einer mehr oder weniger großen Gruppe von Einzelfällen zu rechnen sei. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, daß die Wertfortschreibungen auf Grund des Holzzuwachses in der Forstwirtschaft in einem solchen Ausmaß erfolgen müßten, daß man eher von einer Art Hauptfeststellung als von der Erfassung einzelner Fälle durch Wertfortschreibung sprechen könne. Wende man den Grundsatz der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, daß Wertfortschreibungen zwecks Fehlerberichtigung unzulässig seien, wenn sie im Ergebnis einer neuen Hauptfeststellung nahekommen würden, auf den Fall des Holzzuwachses an, so müsse man die Zulässigkeit von Wertfortschreibungen aus diesem Grunde ablehnen.
In einer späteren Stellungnahme hat der Bundesminister der Finanzen noch folgendes hervorgehoben: Wenn eine Wertfortschreibung bereits dann unzulässig sei, wenn die Zustandsänderung eine allgemeine, durch die änderung der Verhältnisse zwangsläufig hervorgerufene Erscheinung darstelle, dann wäre beim forstwirtschaftlichen Vermögen eine Wertfortschreibung für die Vielzahl der Fälle unzulässig, in denen die Abnahme des Holzbestands durch die den Zuwachs überschreitenden Nutzungen eine allgemeine durch gesetzlichen Zwang, durch Nutzungen der Besatzungsmacht, durch großräumige Kalamitäten aufgetretene Erscheinung sei. Diese Fortschreibungen nach unten seien aber trotz dieser allgemeinen Verhältnisse stets unbestritten als zulässig angesehen worden. Professor Dr. Spitaler hat ebenfalls ein Ergänzungsgutachten zu der weiteren Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen eingereicht. Er hebt hervor, daß in jedem Fall fraglich bleibe, ob bei Zustandsänderungen, die durch einen kontinuierlich wirkenden Faktor, wie das Wachsen der Bäume, mitverursacht seien, der Schluß auf die Zulässigkeit der Fortschreibung gezogen werden könne. Außerdem hat der Bg. noch auf die in der Rechtsbeschwerde III 42/54 eingereichten Gutachten von Sachverständigen Bezug genommen. In dem in Bezug genommenen Fall war die Zulässigkeit einer Fortschreibung des Einheitswerts für ein Forstgut wegen des Holzzuwachses streitig.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Der Senat hat im Urteil III 42/54 S vom 13. Dezember 1957 (Bundessteuerblatt 1958 III S. 60) ausgesprochen, daß der Holzzuwachs die Vornahme einer Wertfortschreibung bei Erreichen der erforderlichen Wertgrenzen gestatte. Diese Rechtsauffassung muß auch für Bauernwälder gelten. Der Senat trägt insoweit keine Bedenken, der Auffassung des Bundesministers der Finanzen über die Behandlung der Bauernwälder beizustimmen. Im übrigen ist für den vorliegenden Fall zu beachten, daß hier der Grund für die Wertfortschreibung des landwirtschaftlichen Betriebs des Bg. lediglich in einer Bestandsveränderung der landwirtschaftlichen Fläche bestanden hat, und daß die änderung des Ertragswerts des Bauernwaldes lediglich im Rahmen dieser Wertfortschreibung mitberücksichtigt worden ist. Das angefochtene Urteil war hiernach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Ebenso war auch die Einspruchsentscheidung aufzuheben, da nach dem eigenen Vortrag des Finanzamts im Berufungsverfahren Unstimmigkeiten bei den zugrunde gelegten Holzflächen nach Größe, Holzart und Bestockungsgrad entdeckt worden sind. Die nicht spruchreife Sache geht aus Zweckmäßigkeitsgründen an das Finanzamt zurück, das die richtige Bewertung des Bauernwaldes auf den Fortschreibungszeitpunkt nochmals zu überprüfen hat. Sofern der Bg. gegen die neue Berechnung des Ertragswerts des Bauernwaldes, wie sie sich aus der Stellungnahme des Finanzamts vom 11. Januar 1955 ergibt, keine Einwendungen erhebt, würde der Einheitswert für den landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich des Bauernwaldes auf den 1. Januar 1954 auf 43.200 DM fortzuschreiben sein.
Fundstellen
Haufe-Index 408965 |
BStBl III 1958, 460 |
BFHE 1959, 484 |
BFHE 67, 484 |