Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzinsung von Ausgleichszahlungen bei Erbauseinandersetzung
Leitsatz (NV)
Werden bei einer Erbauseinandersetzung Ausgleichszahlungen erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig, so sind Anschaffungskosten des Erwerbers nicht das vereinbarte Entgelt, sondern dessen Barwert im Zeitpunkt des Erwerbs.
Übernommene Schulden sind Anschaffungskosten, soweit sie die Erbquote des Übernehmers übersteigen.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 1, 4, § 7b Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 2; EStDV § 11d Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war mit ihren drei Brüdern zu gleichen Teilen Erbin eines Zweifamilienhauses. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom . . . 1980 übertrugen die drei Brüder zum Zweck der Aufhebung der bestehenden Gemeinschaft das Grundstück auf die Klägerin. Diese stellte ihre Brüder von allen Forderungen aus den eingetragenen Belastungen, welche noch . . . DM betrugen, frei. Außerdem verpflichtete sie sich, jedem ihrer Brüder einen Betrag von . . . DM zu zahlen, an einen der Brüder (A) frühestens am 20. Juni 1985.
Die Klägerin erzielte aus dem Grundstück Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1980 machte sie erstmals erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten geltend. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging von einer unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks aus.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, die Erbauseinandersetzung zwischen der Klägerin und ihren Brüdern sei ein entgeltlicher Vorgang gewesen. In Höhe der Ausgleichszahlungen an ihre Brüder und der übernommenen Schulden, soweit sie auf die Brüder entfielen, seien der Klägerin Anschaffungskosten entstanden, von denen sie die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG vornehmen könne. Für die Berechnung der Werbungskosten ging das FG davon aus, daß die Klägerin das Grundstück zu 1/4 unentgeltlich erworben habe. Insoweit gewährte es ihr Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG, § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) für 10 Monate. Den erhöhten Absetzungen legte das FG Anschaffungskosten von . . . DM zugrunde, wobei es die Freistellung von Schulden mit . . . DM und die später fällig werdende Zahlung an den Bruder A abgezinst mit . . . DM ansetzte.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 21, 2 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 7, § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV. Die Vermögensübertragung im Zuge einer Erbauseinandersetzung sei ein unentgeltlicher Vorgang.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zu Recht hat das FG zwar entschieden, daß der Klägerin durch den Erwerb des Zweifamilienhausgrundstücks im Rahmen der Erbauseinandersetzung Anschaffungskosten entstanden sind. Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil das FG für die erhöhten Absetzungen gemäß § 7b EStG von einer unzutreffenden Bemessungsgrundlage ausgegangen ist.
Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) entschieden hat, bilden Erbfall und Erbauseinandersetzung im Einkommensteuerrecht keine rechtliche Einheit; Ausgleichszahlungen eines Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung und Aufwendungen für den Erwerb des Erbanteils eines Miterben führen beim Leistenden grundsätzlich zu Anschaffungskosten. Der Große Senat hat insoweit die Rechtsprechung des IX. Senats (Urteile vom 9. Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722, und vom 2. September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250) bestätigt, als ein entgeltlicher Erwerb in dem Umfang gegeben ist, in dem der Wert des Erlangten den Wert des Erbanteils des übernehmenden Erben übersteigt und dieser hierfür Ausgleichszahlungen leisten muß. Bei einer Teilauseinandersetzung bleibt - insoweit entgegen den Ausführungen in BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722 - der Wert des Anteils des übernehmenden Erben am Restnachlaß unberücksichtigt. Haben die Miterben allerdings eine weitere Auseinandersetzung im Auge, in der es zu umgekehrten Ausgleichszahlungen kommt, kann darin eine Rückzahlung und eine Minderung der früheren Anschaffungskosten gesehen werden. Der Senat verweist im übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Großen Senats im vorgenannten Beschluß unter C. I. 2. und II. 2.).
Bei Anwendung der Rechtsgrundsätze des genannten Beschlusses hat die Klägerin das Zweifamilienhausgrundstück aufgrund des Auseinandersetzungsvertrags teilweise entgeltlich (zu 1/4 unentgeltlich) erworben. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß ihr in Höhe der übernommenen Schulden, soweit diese ihre Erbquote überstiegen, Anschaffungskosten entstanden sind. Auch im übrigen ist die Ermittlung der Anschaffungskosten durch das FG nicht zu beanstanden. Es hat zu Recht den an den Bruder A zu zahlenden Betrag wegen hinausgeschobener Fälligkeit abgezinst. Ebenso wie beim Veräußerer das vereinbarte Entgelt bei längerfristiger zinsloser Stundung in einen Kapital- und einen Zinsanteil aufzuteilen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160), ist die zinslose Stundung auf seiten des Erwerbers zu beachten. Als Anschaffungskosten ist nicht das vereinbarte Entgelt, sondern dessen Barwert im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601; Blümich, Einkommensteuergesetz, § 6 EStG, Rdnr. 214).
Das FG hat rechtsfehlerhaft die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG von den Anschaffungskosten des Grundstücks vorgenommen. Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungskosten des Gebäudes. Da Feststellungen des FG fehlen, die eine Aufteilung der Anschaffungskosten des Grundstücks auf Grund und Boden und Gebäude ermöglichen, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Er verweist die Sache zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252) an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 63034 |
BFH/NV 1991, 382 |