Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskostenabgrenzung bei Nutzungsrecht
Leitsatz (NV)
Soweit Aufwendungen des Eigentümers im Zusammenhang mit Einnahmen stehen, die dem dinglich oder obligatorisch Nutzungsberechtigten zuzurechnen sind, sind sie vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen. Anschluß an BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628 mit weiteren Hinweisen). Das gilt auch für erhöhte Absetzungen (Anschluß an BFH-Urteil vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453).
Normenkette
EStG § 7b; EStDV §§ 82a, 84 Abs. 8
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie erwarben mit notariell beurkundetem Vertrag vom . . . 1980 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück von den Eltern des Klägers gegen Einräumung eines lebenslänglichen, unentgeltlichen Wohnrechts an sämtlichen Räumen des Obergeschosses zugunsten der Übergeber, das ins Grundbuch eingetragen wurde, Übernahme der dinglichen Belastungen einschließlich der zugrunde liegenden Verbindlichkeiten von . . . DM und Zahlung eines Barkaufpreises von . . . DM. Hiervon erhielten die drei Geschwister des Klägers jeweils . . . DM und eine Nichte des Klägers . . . DM. Die Geschwister des Klägers verzichteten auf ihre Pflichtteilsrechte am zukünftigen Nachlaß der Eltern in bezug auf das übertragene Grundstück.
Die Kläger bewohnten das Erdgeschoß des Einfamilienhauses, die Eltern des Klägers die Einliegerwohnung im Obergeschoß. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von . . . DM, erhöhte Absetzungen nach § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) von . . . DM und Geldbeschaffungskosten von . . . DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte bei den nach § 21a EStG ermittelten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß in Höhe der Geldbeschaffungskosten an. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 351 veröffentlichten Urteil hinsichtlich der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, den Klägern seien für das Grundstück Anschaffungskosten von . . . DM - Schuldübernahme . . . DM, Barzahlungsverpflichtung . . . DM, kapitalisiertes Wohnrecht . . . DM - entstanden. Maßgebend sei, daß die Kläger die Aufwendungen mit der Zielrichtung erbracht hätten, bebauten Grundbesitz zum Zweck des Wohnens und damit der Einkünfteerzielung zu erwerben. Als Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG sei von einem Gebäudewert von . . . DM (64,58 v. H. Gebäudewertanteil) auszugehen. Der Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei um die erhöhten Absetzungen zu erhöhen. Dagegen ständen den Klägern keine erhöhten Absetzungen nach § 82a EStDV für im Jahre 1975 erbrachte Aufwendungen zu; denn das Einfamilienhaus sei nicht vor dem 1. Januar 1957 hergestellt worden.
Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA. Es rügt Verletzung des § 11d EStDV. Bei der Übertragung eines Grundstücks von den Eltern auf eines ihrer Kinder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handle es sich nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. November 1985 IX R 64/82 (BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161) um eine Schenkung unter Auflage, mithin ein voll unentgeltliches Rechtsgeschäft.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zutreffend hat das FG zwar die Gewährung erhöhter Absetzungen nach § 82a EStDV für das im Jahre 1959 erbaute Einfamilienhaus abgelehnt (vgl. §§ 82a, 84 Abs. 8 EStDV 1975). Ebenso ist es zu Recht davon ausgegangen, daß den Klägern für den Erwerb des Grundstücks Anschaffungskosten entstanden sind, von denen sie erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG vornehmen können. Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil das FG zu Unrecht den Kapitalwert des Wohnrechts den Anschaffungskosten zugerechnet hat.
Wie der große Senat des BFH mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern an Angehörige, von einer Abstandszahlung an den Übertragenden und die Übernahme von Verbindlichkeiten ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der zugesagten Leistungen und der übernommenen Verbindlichkeiten entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C II. 2. und 3. Dagegen erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende an dem Vermögen ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C II. 2. Buchst. b der Gründe des Beschlusses des Großen Senats vom 5. Juli 1990 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.
Bei Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsgrundsätze sind den Klägern Anschaffungskosten für das Grundstück in Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten und der Barleistung entstanden. Nach den Feststellungen des FG entfallen davon 64,58 % auf das Gebäude. Die erhöhten Absetzungen gemäß § 7b Abs. 1 EStG betragen . . . DM. Diese können allerdings nicht in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Kläger abgezogen werden; denn hinsichtlich des den Eltern des Klägers eingeräumten Wohnrechts erfüllen die Kläger nicht den Tatbestand der Einkünfteerzielung. Soweit Aufwendungen des Eigentümers im Zusammenhang mit Einnahmen stehen, die dem dinglich oder obligatorisch Nutzungsberechtigten zuzurechnen sind, sind sie vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628 mit weiteren Hinweisen). Das gilt auch für erhöhte Absetzungen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453).
Der Senat kann nicht abschließend entscheiden; denn das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang die Kläger den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfüllen. Die Streitsache wird zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen und zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 62997 |
BFH/NV 1991, 385 |