Leitsatz (amtlich)
Der Grunderwerb durch den Ehegatten des künftigen Erben eines landwirtschaftlichen Betriebs ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG Nordrhein-Westfalen 1966 von der Besteuerung ausgenommen.
Normenkette
GrEStAgrG Nordrhein-Westfalen § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I.
Der Kläger war Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebs in B. (Nordrhein-Westfalen), seine Ehefrau die durch Erbvertrag eingesetzte künftige Erbin des Betriebs. Der Kläger kaufte am 27. Januar 1969 ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück von seinem Onkel und seiner Tante sowie den Anteil seines Onkels an einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück zum Preis von insgesamt 2 199,60 DM.
Wegen dieses Erwerbs setzte das FA gegen den Kläger 153,90 DM Grunderwerbsteuer fest. Die beantragte Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung (GrEStAgrG) vom 29. März 1966 (GVBl 1966, 140, BStBl II 1966, 122) i. d. F. vom 21. Mai 1970 (GVBl 1970, 395, BStBl I 1970, 820) lehnte es mit der Begründung ab, daß der Kläger nicht Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebs sei.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG war der Ansicht, daß ein Landwirt im Hauptberuf i. S. der genannten Befreiungsvorschrift nicht notwendig Eigentümer des von ihm bewirtschafteten Betriebs sein müsse.
Entscheidungsgründe
II.
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassene Revision des FA ist begründet.
Der Kaufvertrag vom 27. Januar 1969 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Steuer. Er ist nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG -- Nordrhein-Westfalen -- steuerfrei. Nach dieser Vorschrift wird u. a. der Erwerb eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks durch einen Landwirt im Hauptberuf von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen, wenn der Erwerb der Vergrößerung eines landwirtschaftlichen Betriebs bis zur Größe eines Familienbetriebs dient. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt, da der in Frage stehende Grunderwerb nicht der Vergrößerung des Betriebs des Klägers diente. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG -- Nordrhein-Westfalen 1966 -- muß der vergrößerte Betrieb grundsätzlich im Eigentum des Erwerbers stehen. Dies ergibt sich bereits aus dem Zweck des Gesetzes, die Agrarstruktur zu verbessern. Diese wird nicht verbessert, wenn Splitterbesitz entsteht, also die bisherigen Betriebsgrundstücke und das hinzuerworbene Grundstück nicht demselben Eigentümer gehören. Deshalb wird auch der Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebs nicht begünstigt, wenn er einzelne Grundstücke zu dem gepachteten Betrieb hinzuerwirbt, sondern nur dann, wenn er den Familienbetrieb selbst erwirbt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStAgrG -- Nordrhein-Westfalen 1966 --). Dasselbe ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG (Landtag Nordrhein-Westfalen 5. Wahlperiode, Drucksache 887, zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 Gesetzesentwurf). Danach sollte die Befreiungsvorschrift in der ursprünglichen Fassung nur dann Platz greifen, wenn der Betrieb im Eigentum des Erwerbers oder seines Ehegatten steht; der Grunderwerb durch den Ehegatten wurde deshalb in die Begünstigung einbezogen, weil auch einem Landwirt, der in einen landwirtschaftlichen Betrieb eingeheiratet hatte, ermöglicht werden sollte, den Betrieb seiner Ehefrau durch eigenen Grunderwerb aufzustocken. Dagegen sollte der Grunderwerb durch ein Kind -- auch den künftigen Hoferben -- nicht steuerfrei sein. Dieser Zweck des Gesetzes, Splitterbesitz zu vermeiden, ist zwar durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes und zur Änderung von Sondergesetzen auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer vom 21. Mai 1970 (GVBl Nordrhein-Westfalen 1970, 395) insofern nicht voll durchgehalten worden, als nunmehr auch der Grunderwerb des künftigen Erben unter den weiteren Voraussetzungen des Gesetzes von der Besteuerung ausgenommen wurde. Dadurch ist jedoch der Grundsatz, daß der Erwerber Eigentümer des aufgestockten Betriebs sein oder künftig kraft Erbrechts werden muß, nicht aufgegeben worden. Dieser Grundsatz verbietet, auch Grundstückserwerbe des Ehegatten des künftigen Erben über die ausdrückliche Anordnung des Gesetzes hinaus steuerfrei zu lassen.
Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, daß sein Grunderwerb steuerfrei sein müsse, da die Steuerfreiheit unschwer zu erreichen gewesen wäre, wenn seine Ehefrau als künftige Hoferbin die Grundstükke gekauft und ihm geschenkt hätte. Abgesehen davon, daß dieser Fall nicht zur Entscheidung steht und im wirtschaftlichen Ergebnis mit dem Streitfall nicht verglichen werden kann, wenn die Ehefrau das Grundstück aus eigenen Mitteln zahlt, übersieht der Kläger, daß bei einer derartigen Fallgestaltung statt der Grunderwerbsteuer möglicherweise Schenkungsteuer entsteht; darauf, ob die Schenkung im konkreten Fall die Schenkungsteuerfreibeträge übersteigt, kommt es für die Beantwortung der abstrakten Frage, ob auch der Erwerb des Ehegatten des künftigen Betriebserben steuerfrei ist, nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 71807 |
BStBl II 1976, 350 |
BFHE 1976, 244 |