Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtswirksamkeit einer Arrestanordnung ist nicht von einer formellen Zustellung abhängig; es genügt Bekanntgabe nach § 91 AO.
Die Vollziehung eines Arrestes ist vor seiner Bekanntgabe zulässig und bleibt wirksam, wenn die Bekanntgabe innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und innerhalb eines Monats nach seiner Anordnung erfolgt.
In der Arrestanordnung müssen die einzelnen Steueransprüche und die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich der Arrestgrund ergibt.
Der Tatbestand einer Steuerhinterziehung kann einen Arrestgrund abgeben.
Ist eine Arrestanordnung in der Hauptsache erledigt, so muß eine Entscheidung über die Kosten ergehen; wer sie zu tragen hat, hängt davon ab, ob die Arrestanordnung zulässig war.
Das übersehen eines Antrages auf mündliche Verhandlung stellt dann einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wenn die Möglichkeit (nicht Wahrscheinlichkeit) besteht, daß anders entschieden worden wäre, wenn der Antragsteller in mündlicher Verhandlung gehört worden wäre.
Normenkette
AO §§ 91, 272; FGO § 90; AO § 288/2; FGO § 115/2/3; AO § 296/2; FGO § 118/3; AO § 378
Tatbestand
Streitig ist, wer die Kosten der in der Hauptsache erledigten Arrestanordnung zu tragen hat.
Das Finanzgericht hat sie den Beschwerdeführern (Bf.) mit der Maßgabe auferlegt, daß gemäß § 319 Absatz 1 der Reichsabgabenordnung (AO) die Rechtsmittelgebühr und die Auslagen zur Hälfte erlassen werden. Es ist dabei von nachstehenden Erwägungen ausgegangen:
Das Finanzamt habe auf Grund von Ermittlungen des Steuerfahndungsdienstes gegen die Bf. eine Arrestanordnung wegen "diverser Steuern" in Höhe von 53.000 DM und wegen der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens von 1.000 DM erlassen. Als Arrestgrund sei angegeben, daß zu erwarten sei, der Schuldner werde sich seinen Verpflichtungen zu entziehen versuchen, wenn der Arrest nicht vollzogen werde. Nachdem sich nach Verhandlungen zwischen dem Bevollmächtigten der Bf. und dem Finanzamt der beschwerdeführende Ehemann freiwillig zur Eintragung einer Sicherungshypothek von 54.000 DM auf einem ihm gehörigen unbelasteten Grundstück einverstanden erklärt habe, seien die Voraussetzungen für die Arrestanordnung weggefallen. Das Finanzamt habe diese deshalb aufgehoben. Es sei daher nur über die Kostenfrage zu entscheiden. Das hänge davon ab, ob die Arrestanordnung zulässig gewesen wäre. Das sei zu bejahen, da sowohl Arrestanspruch wie Arrestgrund gegeben gewesen seien. Der erstere ergebe sich aus den auf Grund eingehender Ermittlungen vom Steuerfahndungsdienst vorgenommenen Berechnungen, nach denen für die Jahre 1945 bis 1949 rund 53.000 DM Steuer nachzuzahlen seien; der zweite aus der Feststellung, daß der beschwerdeführende Ehemann sofort nach Beginn der Steuerfahndung sämtliche Bank- und Sparkonten abgehoben habe. Da diese Angaben, teils vom Finanzamt, teils vom Finanzgericht nachgeholt seien, sei es mit Rücksicht auf die ungenauen Angaben in der Arrestanordnung ("diverse Steuern", allgemein gehaltene Bezeichnung des Arrestgrundes) angebracht, die Hälfte der Rechtsmittelgebühr und der Auslagen nach § 319 Absatz 1 AO zu erlassen.
Entscheidungsgründe
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird beantragt, aus folgenden Gründen die Kosten dem Finanzamt - richtig dem Lande Hessen - aufzuerlegen:
Die Arrestverfügung vom 2. März 1951 sei vor der am 10. März 1951 erfolgten Zustellung durch Pfändung am 6. März 1951 vollzogen worden. Zwar sei aus einem Formular anläßlich der Pfändung vorgelesen worden, daß sie wegen eines Arrestes erfolge, das genüge aber ebensowenig wie die vom Finanzamt behauptete, vom Bf. jedoch bestrittene mündliche Bekanntgabe. Nach der Reichsabgabenordnung müsse die Arrestanordnung zugestellt werden, gegebenenfalls im Wege der Ersatzzustellung.
Diese Rüge ist nicht berechtigt. Es ist unbestritten, daß der Arrest vor Zustellung der Arrestanordnung vollzogen worden ist. Ein solches Vorgehen entspricht jedoch dem Gesetz. Das beruht auf dem Wesen des Arrestes und seiner Ausgestaltung im Zivilprozeßrecht. Nach dem Gutachten des Reichsfinanzhofs IV D 1/22 vom 22. Juli 1922, Slg. Bd. 10 S. 34, Kartei, AO § 351 Rechtsspr. 42, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1922 S. 320, sind die Absätze 2 und 3 des § 929 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auch auf den Arrest des Steuerrechts anzuwenden. Das bedeutet - insoweit liegt eine Ausnahme von § 91 AO vor -, daß die Vollziehung des Arrestes vor Bekanntgabe der Arrestanordnung zulässig ist. Diese ist jedoch dann ohne Wirkung, wenn die Bekanntgabe nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und innerhalb eines Monats nach der Anordnung des Arrestes erfolgt (siehe auch § 78 Absatz 2 der Beitreibungsordnung - BeitrO -). Derselben Auffassung ist auch das Reichsgericht (Urteil III 344/23 vom 6. November 1923, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 108 S. 257, RStBl. 1924 S. 2). Auch die Ausführungen der Bf. bezüglich der Zustellung treffen nicht zu. Die Reichsabgabenordnung schreibt keine Zustellung vor; diese ist jedoch in der Beitreibungsordnung im § 77 Absatz 5 neben mündlicher Bekanntgabe als Regel vorgesehen. Es genügt Bekanntgabe nach § 91 AO.
Die Arrestanordnung sei nicht mit Gründen versehen. Das Finanzgericht habe anerkannt, daß eine Wiederholung des Wortlautes des § 378 AO keine Begründung sei. Zur Zeit der Arrestanordnung habe weder dem Finanzamt noch dem Steuerpflichtigen (Stpfl.) der Fahndungsbericht vorgelegen; es sei aber nicht angängig, die für den Erlaß der Arrestanordnung erforderlichen Unterlagen erst Wochen oder Monate nachzuschieben.
Auch mit diesem Einwand können die Bf. die Unzulässigkeit der Arrestanordnung nicht begründen.
Tatsächlich trifft es nach den Akten nicht zu, daß dem Finanzamt beim Erlaß der Arrestanordnung der Fahndungsbericht nicht vorgelegen hat. Dieser ist beim Finanzamt am 8. Februar 1951 eingegangen und muß danach beim Erlaß des Arrestes am 2. März 1951 verwertet sein. Dem Bevollmächtigten der Bf. sind allerdings die wesentlichen Ausführungen des Berichtes erst am 16. April 1951 mündlich und auszugsweise schriftlich bekanntgegeben worden. Hierzu muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß nach der an den früheren Bevollmächtigten der Bf. gerichteten Verfügung der Oberfinanzdirektion vom 2. April 1951 das Ergebnis der im Dezember 1950 abgeschlossenen Fahndungsprüfung mit diesem etwa Ende Januar 1951 (der Bericht ist am 16. Januar 1951 schriftlich niedergelegt) durchgesprochen werden sollte; der damalige Vertreter der Bf. hat jedoch jede Verhandlung mit dem Finanzamt F., das die Fahndungsprüfung vorgenommen hat, abgelehnt. Die Bf. haben es sich deshalb selbst zuzuschreiben, wenn ihnen erst später die für die Arrestanordnung maßgebenden Unterlagen bekanntgeworden sind. Trotzdem hat bei der einen schweren Eingriff in den Rechtskreis der Betroffenen darstellenden Anordnung eines Arrestes die Steuerbehörde zu prüfen, ob das Bestehen eines Arrestanspruches wahrscheinlich ist und ausreichende Tatsachen für die Annahme eines Arrestgrundes vorliegen. Bezüglich des Arrestanspruches hat das Finanzamt die Voraussetzungen für gegeben angesehen und konnte das auch ohne Rechtsirrtum annehmen. Den Stpfl. müssen aber die den Arrestanspruch begründenden Unterlagen bekanntgegeben werden, wenn nicht vor, so doch in der Arrestanordnung; zum mindesten sollen die einzelnen Steueransprüche (Steuerarten) bezeichnet werden. Insofern wird von den Bf. die Angabe in der Arrestanordnung "diverse Steuern" mit Recht als unzureichend bezeichnet. Wenn auch die Reichsabgabenordnung über den Inhalt einer Arrestanordnung nur wenig Bestimmungen enthält, so werden doch die Erfordernisse, wie sie im § 77 Absätze 3 und 4 BeitrO aufgeführt sind, verlangt werden müssen (siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs III A 71/20 vom 7. Oktober 1920, RStBl. 1921 S. 40). Das muß auch trotz der im Arrestverfahren gebotenen Eile und schnellen Entschlußfassung geschehen. Ist das im finanzamtlichen Verfahren unterblieben, so müssen mangelhafte Feststellungen in dieser Beziehung durch das Finanzgericht nachgeholt und geheilt werden. Letzteres ist auch im Streitfalle geschehen, so daß ein wesentlicher Mangel des Verfahrens nicht mehr vorliegt. Zudem sind dem Bevollmächtigten der Bf. die näheren Angaben unter überreichung der entsprechenden Auszüge aus dem Fahndungsbericht vom 16. April 1951 gemacht worden. Zur Zeit der Entscheidung durch das Finanzgericht waren daher den Bf. die den Arrestanspruch betreffenden Unterlagen bekannt.
Das gleiche gilt auch für die Begründung des Arrestgrundes. Die in der Arrestanordnung formelhafte Wiederholung des Gesetzes genügt keineswegs. Es müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich der Arrestgrund ergibt. Auch dieser Mangel ist aber durch die Vorentscheidung beseitigt worden, so daß, vorausgesetzt, daß die Tatsachen zutreffen - hierauf wird in anderem Zusammenhang noch näher eingegangen werden -, die Unzulässigkeit der Arrestanordnung auf die unzureichenden Angaben bezüglich des Arrestgrundes nicht gestützt werden kann.
Die Bezeichnung der einzelnen Steueransprüche sowie die Angabe der den Arrestgrund begründenden Tatsachen ist nicht nur notwendig, damit der Betroffene die Rechtmäßigkeit der Anordnung prüfen kann, das ist auch im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtspflege (Vermeidung überflüssiger Rechtsmittel) erforderlich.
Die Arrestanordnung sei deshalb über das Ziel hinausgeschossen, weil der Arrest in das gesamte Vermögen der Bf. ausgebracht und mehr gepfändet worden sei, als es die Höhe der Steueransprüche bedinge.
Diese Beanstandung wird zu Unrecht erhoben. Die Bf. verkennen dabei das Wesen der Arrestanordnung und der Arrestvollziehung. Nach dem Gesetz (§ 378 AO) kann der Arrest "in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen" angeordnet werden; es ist auch zulässig, beides zu verbinden, oder den Arrest "in das Vermögen" auszubringen. Die Anordnung des Arrestes selbst bewirkt jedoch nicht die Sicherung des Anspruchs, sondern gibt nur die Grundlage, um diese Sicherung durch Vollziehung des Arrestes vorzunehmen. Mit der Behauptung, es sei eine überpfändung vorgenommen, kann nicht die Unzulässigkeit der Anordnung mit Erfolg bekämpft werden. Wenn bei der Vollziehung das zulässige Maß der Sicherung überschritten wird, so kann dagegen nur mit den hierzu zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln vorgegangen werden (Beschwerdeverfahren).
Die Vorentscheidung sei insofern unzutreffend, als sie den Streit in der Hauptsache für erledigt erklärt und über die Kosten entschieden habe. Infolge der freiwilligen Sicherheitsleistung habe das Finanzamt dem Wunsch der Bf. entsprechend die Arrestanordnung zurückgenommen. Hieraus ergebe sich aber automatisch die Kostentragungspflicht der Stelle, die die Verfügung aufgehoben habe.
Diese Ausführungen würden dann berechtigt sein, wenn das Finanzamt den Arrest aufgehoben hätte, weil er sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei (siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 726/27 vom 14. Dezember 1927, Slg. Bd. 22 S. 299; Kartei, AO § 351 Rechtsspr. 59). Die Aufhebung des Arrestes ist aber nur aus formellen Gründen erfolgt. In der Zurücknahme der Arrestanordnung liegt nichts anderes, als was nicht bereits in dieser vorgesehen ist, nämlich, daß durch Hinterlegung der angegebenen Summe die Arrestvollziehung eingestellt werde, und die Aufhebung bereits erfolgter Sicherungsmaßnahmen erreicht werden könne, oder wie es das Gesetz klarer zum Ausdruck bringt, daß durch die Hinterlegung die Beseitigung des Arrestes und die Aufhebung des vollzogenen Arrestes erreicht werden kann. Auch ohne die freiwillige Sicherheitsleistung hätte bei zwangsweiser Eintragung der Sicherungshypothek die gleiche Situation bestanden. Auch damit wäre, wenn der Wert des Grundstücks die Höhe der Steueransprüche deckt, der Arrest in der Hauptsache erledigt gewesen. Mit der infolge der freiwilligen Sicherheitsleistung vorgenommenen Zurücknahme der Anordnung hat das Finanzamt nicht die Unzulässigkeit des Arrestes zum Ausdruck gebracht und zum Ausdruck bringen wollen, vielmehr darin den Zweck der Anordnung (Sicherung der Steueransprüche) als erfüllt angesehen. Das Finanzgericht hat deshalb entsprechend der ständigen, auch vom Senat übernommenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zutreffend den Rechtsstreit als in der Hauptsache für erledigt erklärt (siehe Entscheidungen des Reichsfinanzhofs V A 229/21 vom 15. Dezember 1921, Slg. Bd. 7 S. 341, Kartei, AO § 351 Rechtsspr. 8; VI A 1408/30 vom 28. August 1930, Steuer und Wirtschaft - StW - 1930 Nr. 1325, Kartei, AO § 354 Rechtsspr. 1; III A 27/33 vom 30. März 1933, RStBl. 1933 S. 386, Kartei, AO 1931 § 378 Rechtsspr. 3; VI A 219/35 vom 3. April 1935, RStBl. 1935 S. 694, Kartei, AO 1931 § 378 Rechtsspr. 6). Es kann deshalb aus dem Umstande, daß nachträglich Sicherheit geleistet ist, kein Anspruch hergeleitet werden, daß nunmehr der Arrest ex tunc ohne Kostennachteil für die Arrestschuldner als erledigt anzusehen ist; vielmehr ist sachlich zu prüfen, ob der Arrest begründet war.
Das Finanzgericht sei insofern falsch verfahren, als es dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht entsprochen und die Bf. auch nicht benachrichtigt habe, daß es ohne eine solche entscheiden werde. Dadurch sei es diesen nicht möglich gewesen, Umstände, die im mündlichen Verfahren vorgebracht werden sollten, schriftlich geltend zu machen.
Dieser Vorwurf ist berechtigt. Der Bf. hat mit Schriftsatz vom 2. April 1951 für den Fall, daß der Arrest wegen rechtlicher und tatsächlicher Mängel ohnehin nicht aufgehoben werde, Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Die Bf. berufen sich auf die ständige Rechtsprechung, nach der ein Antragsteller darauf hingewiesen werden muß, daß möglicherweise unter Ablehnung des Antrages eine Sachentscheidung ergehen werde. Dieser Hinweis soll jedoch entbehrlich sein, wenn der Antragsteller oder sein Vertreter rechtskundig genug sind, um zu wissen, daß das Finanzgericht dem Antrage nicht stattzugeben braucht. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese letztere Auslegung nicht eine zu große Einengung des rechtlichen Gehörs darstellt, weil der Hinweis nicht besagen soll, daß die rechtliche Möglichkeit der Ablehnung besteht, sondern daß das Gericht beabsichtigt, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen. Im Streitfalle hat das Finanzgericht nicht nur von dem oben erwähnten Hinweis abgesehen, es hat über den Antrag überhaupt nicht entschieden; in der Vorentscheidung fehlt es an dem nach § 272 AO erforderlichen einstimmigen Beschluß über die Ablehnung des Antrages auf mündliche Verhandlung. Ein solches übersehen stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dann dar, wenn die Möglichkeit (nicht Wahrscheinlichkeit) besteht, daß anders entschieden worden wäre, wenn der Stpfl. in mündlicher Verhandlung gehört worden wäre. Diese Möglichkeit muß bejaht werden. Sollte etwa das Finanzgericht geglaubt haben, deshalb auf den Antrag auf mündliche Verhandlung nicht eingehen zu brauchen, weil es sich nur noch um die Kostenfrage handelt, so würde eine solche Erwägung vom Rechtsirrtum beeinflußt sein. Die Entscheidung über die Kosten hängt von der sachlichen Berechtigung der Arrestanordnung ab. Darüber kann aber nur zutreffend entschieden werden, wenn auch die Bf. Gelegenheit hatten, sich zu dem Ermittlungsergebnis zu äußern. Das war zur Zeit der Antragstellung auf mündliche Verhandlung nicht der Fall. Wenn auch bis zum Ergehen der Vorentscheidung die in der Arrestanordnung enthaltenen Mängel im wesentlichen geheilt worden sind, so durfte nicht übersehen werden, daß die Bf., worauf der Bevollmächtigte mit Recht hinweist, infolge der Aufhebung des Arrestes der Meinung waren und sein konnten, die Sache sei erledigt, so daß sich in diesem Verfahren weitere Ausführungen erübrigten. Dafür spricht auch die Tatsache, daß die Bf. zu den Feststellungen des Fahndungsberichtes sachlich nicht Stellung genommen haben. Hiernach kann die Möglichkeit einer anderen Entscheidung nicht von der Hand gewiesen werden, wenn die Bf. mündlich gehört worden wären. Ein anderes Ergebnis war um so mehr möglich, sogar sehr wahrscheinlich, als der in der Vorentscheidung angegebene Arrestgrund objektiv unrichtig ist und fast mit Sicherheit angenommen werden kann, daß diese Feststellung in der mündlichen Verhandlung getroffen worden wäre.
Die Vorentscheidung muß daher aufgehoben werden. Damit ist der Weg freigemacht, um auf die für den Arrestgrund maßgebend gewesenen Umstände einzugehen. Als Arrestgrund hat das Finanzgericht die vom Steuerfahndungsdienst aufgestellte Behauptung übernommen, der beschwerdeführende Ehemann habe sofort nach Beginn der Steuerfahndung sämtliche Bank- und Sparkonten abgehoben. Diese Behauptung ist objektiv unzutreffend, da die in Betracht kommenden Abhebungen, wie auch das Finanzamt nicht mehr bestreitet, bereits ein Jahr vor Beginn der Steuerfahndungsprüfung stattgefunden haben. Dem Finanzgericht ist allerdings zugute zu halten, daß die Bf. gegen die ihnen vorgehaltene Angabe bezüglich der Abhebung der Konten keine Einwendungen erhoben haben. Das ist, wie in der Rb. ausgeführt wird, irrtümlich deshalb unterblieben, weil die Bf. davon ausgingen, infolge Aufhebung des Arrestes keine sachlichen Ausführungen mehr machen zu brauchen. Das ändert aber nichts daran, daß objektiv der Arrestgrund in der Vorentscheidung mit unzutreffenden Tatsachen begründet ist. Im übrigen steht auch die weitere Feststellung des Finanzgerichts, "sämtliche" Bank- und Sparkonten seien abgehoben, mit dem Akteninhalt nicht im Einklang. Aus Textziffer 28 ff. des Fahndungsberichtes ergibt sich z. B., daß das bezüglich des Kontos Nr. 516.419 nicht zutrifft; dieses Konto wies noch am 11. Dezember 1950 einen Bestand von über 1.700 DM auf.
Da für die Beurteilung der Zulässigkeit der Arrestanordnung die zur Zeit der Berufsentscheidung vorliegenden Gesamtumstände maßgebend sind, und ein Arrestgrund nicht auf objektiv unrichtige Tatsachen gestützt werden kann, wird die Berechtigung der Arrestanordnung und damit die Auferlegung der Kosten auf die Bf. nur bejaht werden können, wenn andere Tatsachen vorliegen, die einen ausreichenden Arrestgrund abgeben.
Das Finanzamt glaubt, daß dazu bereits die im Jahre 1949 erfolgte Abhebung genüge. Damals habe eine Betriebsprüfung stattgefunden. Dieses Verhalten könne auch für einen etwa 1 1/2 Jahre später angeordneten Arrest als Arrestgrund verwertet werden.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Die dem Finanzamt damals bekannte Abhebung hat es zu keinen Maßnahmen veranlaßt, um die Einziehung bestehender Steueransprüche im Arrestwege zu sichern, obwohl damals z. B. von dem beschwerdeführenden Ehemann bezüglich der Einkommensteuerabschlußzahlung 1943 wiederholt Stundung im Hinblick auf die ungünstige wirtschaftliche Lage beantragt worden war. Dieses so lange Zeit zurückliegende Verhalten könnte nur unter ganz besonderen Umständen als Arrestgrund für die Anordnung vom 2. März 1951 dienen. Derartige Umstände sind jedoch nicht erkennbar. Abgesehen hiervon können grundsätzlich nur solche Umstände für einen Arrestgrund verwertet werden, die zur Zeit der Arrestanordnung befürchten lassen, daß ohne sie die Vollstreckung von zu dieser Zeit bestehenden Steueransprüchen vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
Dagegen wird das Finanzgericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, zu prüfen haben, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, da die Tatsache einer solchen einen Arrestgrund abgeben kann (siehe die zu dem Aktenzeichen des Finanzgerichts I 722/50 ergangene Entscheidung des Senats IV 19/51 vom 4. Juli 1951 und die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 553/32, RStBl. 1932 S. 419, Kartei, AO 1931 § 378 Rechtsspr. 1 und 2). Es handelt sich in erheblichem Umfange um tatsächliche Feststellungen, die nach dem derzeitigen Stande dem Senat eine abschließende Beurteilung nicht ermöglichen. Bei der erneuten Prüfung wird zu beachten sein, daß die Tatsache, daß die Arrestschuldner sich unehrlich gezeigt haben, allein nicht für einen Arrestgrund genügt. Es muß vielmehr bei vernünftiger und ruhiger Abwägung der Gesamtumstände zu befürchten sein, daß ohne die Arrestmaßnahme die Vollstreckung der Steueransprüche vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Wenn auch bei Unterstellung der Richtigkeit aller Angaben im Fahndungsbericht ein steuerunehrliches Verhalten der Arrestschuldner angenommen werden kann, so ergehen aber im übrigen die Akten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Bf. während und nach dem Abschluß der Fahndungsprüfung versucht haben, die Beitreibung der Steueransprüche zu gefährden; auch der Umstand, daß der Arrest erst am 2. März 1951 angeordnet ist, obwohl der Bericht bereits am 8. Februar 1951 vorlag, spricht nicht gegen die Bf. Sollte das Finanzgericht unter Berücksichtigung des sachlichen Vorbringens der Bf., insbesondere auch in dem noch schwebenden Rechtsmittelverfahren gegen die erlassenen vorläufigen Steuerbescheide, zur Bejahung einer Steuerhinterziehung kommen, wird es zu entscheiden haben, ob nach dem Gesamtbild der vorliegenden Umstände die Voraussetzungen für die Annahme eines Arrestgrundes gegeben waren.
Fundstellen
Haufe-Index 407366 |
BStBl III 1952, 90 |
BFHE 1953, 225 |
BFHE 56, 225 |