Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 929 Abs. 2 ZPO, nach der die Vollziehung des Arrestes unstatthaft ist, wenn seit der Anordnung ein Monat verstrichen ist, gilt sinngemäß auch für den steuerlichen Arrest.
Ist der Rechtsstreit über eine Arrestanordnung durch das Vollstreckbarwerden inzwischen ergangener Steuerbescheide bereits in der Berufungsinstanz zur Hauptsache erledigt, so ist für den Streitwert in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Höhe der Kosten des Berufungsverfahrens maßgebend.
Normenkette
AO §§ 378, 320/4; FGO § 140/3
Tatbestand
Das Finanzamt erließ im Anschluß an eine Betriebsprüfung gegen den Beschwerdeführer (Bf.) zur Sicherung von Umsatz- und Einkommensteueransprüchen von rund 72.000 DM am 5. Mai 1955 einen dinglichen Arrest; die Verfügung wurde am nächsten Tage zugestellt. Die Vollziehung des Arrestes wurde wegen schwerer Erkrankung des Bf. und wegen eines Stundungsantrages ausgesetzt. Am 7. und 8. Juni 1955 wurde mit dem Sohn des Bf. wegen der Vollziehung verhandelt; sie unterblieb dann aber. Am 12. Mai 1955 ergingen an den Bf. Umsatz- und Einkommensteuerbescheide, die Mitte Juni 1955 vollstreckbar wurden; es wurden aber Rechtsmittel gegen die Bescheide eingelegt. Das Finanzgericht erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, weil die nicht vollzogene Arrestanordnung durch vollstreckbare Steuerbescheide ersetzt worden sei, und legte die Kosten des Verfahrens dem Bf. auf.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Erledigung ist dadurch eingetreten, daß die Steuerbescheide vom 12. Mai 1955, wie unstreitig ist, Mitte Juni 1955 vollstreckbar wurden.
Wenn der Rechtsstreit hinsichtlich der Arrestanordnung in der Hauptsache erledigt ist, so kommt es für die Frage der Kostenlast darauf an, ob die Arrestverfügung zulässig war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 429/51 U vom 21. Februar 1952, Slg. Bd. 56 S. 225, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 90, besonders Rechtssatz 5). Dabei ist aber zu beachten, daß Gegenstand der Berufung im Arrestverfahren nicht lediglich die Frage ist, ob der Arrest im Zeitpunkt seiner Anordnung gerechtfertigt war, sondern auch, ob er noch aufrechtzuerhalten war. Der Prüfung des Finanzgerichts unterliegt der gesamte Tatbestand, wie er sich bis zur Entscheidung der Tatsacheninstanz ergibt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 27/52 U vom 17. April 1952, Slg. Bd. 56 S. 389, BStBl 1952 III S. 152, 153). Bei der Kostenentscheidung sind also auch die Vorgänge nach Erlaß der Arrestanordnung zu berücksichtigen.
Von diesen Gesichtspunkten aus ergibt sich für den Streitfall folgendes: Es kann dahingestellt bleiben, ob die Arrestverfügung vom 5. Mai 1955 hinsichtlich des Arrestanspruchs und des Arrestgrundes gerechtfertigt war. Denn die Rechtsbeschwerde muß schon deshalb Erfolg haben, weil mit Ablauf des 6. Juni 1955 die Vollstreckbarkeit des Arrestes weggefallen war. Nach dem Gutachten des Reichsfinanzhofs IV D 1/22 vom 12. Juli 1922, Slg. Bd. 10 S. 34, 41, 42, Reichssteuerblatt (RStBl) 1922 S. 320, dem sich der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in dem erwähnten Urteil IV 429/51 U vom 21. Februar 1952 unter Ziff. 1 der Gründe angeschlossen hat und dem auch der erkennende Senat beitritt, sind die Vorschriften des § 929 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung auch auf den steuerrechtlichen Arrest sinngemäß anzuwenden. Die Vollziehung des Arrestes nach Ablauf der Monatsfrist seit dem Erlaß der Arrestanordnung ist somit auch im steuerlichen Arrestverfahren gemäß § 929 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung nicht statthaft. War aber die Arrestverfügung am 7. Juni 1955 nicht mehr vollziehbar, so hätte sie aufgehoben werden müssen (vgl. dazu § 77 Abs. 6 Satz 1 der Beitreibungsordnung vom 23. Juni 1923, Reichsministerialblatt S. 595 ff.). Das ist nicht geschehen. Vielmehr ist noch am 7. und 8. Juni 1955 dem Sohn des Bf. eröffnet worden, der Arrest gegen den Bf. werde vollzogen werden müssen, wenn nicht die geforderten Sicherheiten gestellt würden.
Die Kosten des Rechtsstreits hat somit das Land .... zu tragen.
Die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes für die Rechtsbeschwerdeinstanz beruht auf § 320 der Reichsabgabenordnung (AO). Der Streitwert ist für die Rechtsbeschwerdeinstanz in Höhe der Kosten des Berufungsverfahrens festzustellen (ebenso: Hoffmann, Finanz-Rundschau 1952 S. 289; List, Deutsche Steuer-Zeitung A 1957 S. 290 Ziff. 2 a).
Infolge der Erledigung des Rechtsstreits zur Hauptsache in der Berufungsinstanz befinden sich in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur noch die Kosten des Berufungsverfahrens im Streit mit der Maßgabe, daß für die Entscheidung über die Kosten die Rechtslage in der Hauptsache zu prüfen ist. Nur über die Kosten des zur Hauptsache bereits erledigten Berufungsverfahrens wird vom Bundesfinanzhof im Tenor des Urteils entschieden. Nur diese Entscheidung erwächst in Rechtskraft. Für den Zivilprozeß hat der Bundesgerichtshof durch Beschluß V ZR 8/53 vom 14. Dezember 1954 (Slg. der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 15 S. 394, Neue Juristische Wochenschrift 1955 S. 260) entschieden, daß "die Kosten für das Verfahren über Anträge auf Verlusterklärung des Rechtsmittels und auf Kostenentscheidung nach Zurücknahme des Rechtsmittels nicht nach dem Wert der Hauptsache, sondern nach dem Streitwert zu berechnen sind, der dem Betrag der Kosten entspricht, die in der Rechtsmittelinstanz bis zum Antrag auf Erlaß der Verlusterklärung und auf Kostenentscheidung erwachsen sind".
Fundstellen
Haufe-Index 408939 |
BStBl III 1958, 51 |
BFHE 1958, 130 |
BFHE 66, 130 |