Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Begrenzung der erhöhten Absetzung für Abnutzung nach § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1961 auf Herstellungskosten von 120.000 DM gilt nicht für Eigentumswohnungen.

 

Normenkette

EStG § 7b/1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) beanspruchen für ihre im Jahre 1961 in einem Dreifamilienhaus erbaute und von ihnen selbst bewohnte Eigentumswohnung die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 b Abs. 1 EStG 1961 von den vollen Baukosten. Das Finanzamt (FA) hat bei den Einkommensteuer-Veranlagungen für 1961 und 1962 als Bemessungsgrundlage der AfA 120.000 DM zugrunde gelegt, da es der Auffassung ist, Eigentumswohnungen ständen Einfamilienhäusern steuerlich gleich, so daß auch die in § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1961 angeordnete Begrenzung auf sie Anwendung finde.

Die Berufung der Stpfl. hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die nach § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1961 maßgebende Höchstgrenze der Baukosten bei Ein- und Zweifamilienhäusern sei auf 120.000 DM festgesetzt worden, weil die Steuervergünstigung nur für Wohnraum gewährt werden solle, der durchschnittlichen Bedürfnissen entspreche. Das gelte auch für Eigentumswohnungen, die insoweit den Einfamilienhäusern gleichständen. Die erst ab dem Jahre 1964 erfolgte Einbeziehung der Eigentumswohnungen in die gesetzliche Begrenzung der begünstigten Baukosten diene lediglich der Klarstellung.

Die Stpfl. weisen zur Begründung ihrer Revision darauf hin, daß die Begrenzung der nach § 7 b EStG abschreibungsfähigen Herstellungskosten nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur für Ein- und Zweifamilienhäuser, nicht aber für Eigentumswohnungen gelte. Eine Eigentumswohnung könne weder rechtlich noch wirtschaftlich einem Einfamilienhaus gleichgestellt werden. Daß für das Streitjahr eine Begrenzung der begünstigten Aufwendungen für Eigentumswohnungen noch nicht bestanden habe, bestätige die erst im Gesetz zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vom 16. Juni 1964 (BGBl I 1964, 353, BStBl I 1964, 384) erfolgte änderung des § 7 b EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der die Stpfl. unrichtige Rechtsanwendung rügen, führt zur Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung.

Nach § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1961 ist bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die nach dem 31. Dezember 1958 fertiggestellt wurden, die erhöhte AfA auf Herstellungskosten von 120.000 DM begrenzt. Das FG ist ebenso wie das FA der Auffassung, daß diese Begrenzung der Bemessungsgrundlage der erhöhten AfA auch für Eigentumswohnungen gelte. Das trifft jedoch nicht zu.

Es gibt keine Vorschrift, die zwingend vorschreibt, Eigentumswohnungen in jeder Beziehung den Einfamilienhäusern gleichzustellen. Die Finanzverwaltungen der meisten Länder haben zwar aus § 61 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) gefolgert, daß Eigentumswohnungen als Einfamilienhäuser zu bewerten seien. Diese Vorschrift bestimmt aber lediglich, daß jedes Wohnungseigentum als eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 2 BewG zu gelten hat, für das also ein Einheitswert festzustellen ist. § 61 WEG schreibt aber keine Bewertung der Eigentumswohnungen nach den für Einfamilienhäuser geltenden Grundsätzen vor. Auch § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV vom 2. Februar 1935 zwingt nicht zu einer solchen Bewertung. Im Land Niedersachsen wurden daher z. B. Eigentumswohnungen nicht wie Einfamilienhäuser bewertet, sondern als sonstige bebaute Grundstücke im Sinne von § 32 Abs. 1 Ziff. 5 BewDV (Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 28. April 1956, Der Betrieb 1956 S. 488). § 93 BewG 1965 i. d. F. vom 10. Dezember 1965 (BGBl I 1965, 1861), der allerdings für die Streitjahre keine Bedeutung hat, enthält für die Bewertung von Eigentumswohnungen eine Sonderregelung, so daß Eigentumswohnungen bei Bewertungen nach dem BewG 1965 allgemein nicht mehr als Einfamilienhäuser bewertet werden.

Im übrigen rechtfertigt eine Bewertung von Eigentumswohnungen nach den für Einfamilienhäuser geltenden Grundsätzen noch nicht eine Gleichstellung bei der für den Streitfall maßgebenden Regelung in § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1961. Eigentumswohnungen sind etwas anderes als Einfamilienhäuser. Sie bieten ihren Bewohnern oft größere Bequemlichkeiten als entsprechende Einfamilienhäuser, andererseits gewährten Einfamilienhäuser im allgemeinen eine größere Unabhängigkeit von Nachbarn. Jedenfalls stehen beide Formen des Wohnens nicht ohne weiteres einander gleich. Der Grund und Boden ist beim Wohnungseigentum oft wertvoller als bei Einfamilienhäuser, die Baukosten dürften bei vergleichbarer Ausstattung jedoch im allgemeinen niedriger liegen. Die unterschiedliche Höhe der Baukosten ist für die in § 7 b Abs. 1 EStG 1961 vorgenommene Begrenzung der AfA wesentlich. Wenn der Gesetzgeber die Vergünstigung einer erhöhten Abschreibung bei aufwendigen Einfamilienhäusern durch Festlegung einer Höchstgrenze der Bemessungsgrundlage für die erhöhte AfA einschränken wollte, so kann dies nicht ohne weiteres auf die vergleichbaren, baukostenmässig aber meistens wohl etwas billigeren Eigentumswohnungen übertragen werden. Der Senat hat bereits im Urteil VI 240/61 S vom 27. November 1962 (BFH 76, 313, BStBl III 1963, 115) darauf hingewiesen, daß die im Interesse des Wohnungsbaus eingeführte erhöhte Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b EStG wiederholt geändert und den jeweiligen wirtschafts- und sozialpolitischen Bedürfnissen angepaßt wurde. Bei der Erweiterung oder Einengung der Abschreibungsmöglichkeit ist angesichts dieser ständig vom Gesetzgeber vorgenommenen Anpassung an die Verhältnisse eine noch größere Zurückhaltung geboten als sonst. Das gilt in besonderem Masse für Auslegungen, durch die dem Steuerpflichtigen die erhöhte Abschreibungsmöglichkeit genommen oder eingeschränkt würde. Eine Beschränkung der AfA nach § 7 b EStG ist vom Gesetzgeber erst im EStG 1965 vorgenommen worden. Der Gesetzgeber hätte die erhöhte Abschreibungsmöglichkeit für Eigentumswohnungen bei den wiederholten änderungen des § 7 b EStG einschränken können. Wenn er es nicht getan hat, ist darin keine Lücke im Gesetz zu erblicken, sondern die bewußte Unterlassung einer Beschränkung dieser Vergünstigung.

Die Vorentscheidung, die auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruht, war daher aufzuheben. Der Senat hält es für zweckmäßig, die Berechnung der Einkommensteuer für die Streitjahre dem FA zu übertragen, das dabei die obigen Ausführungen zu beachten hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412484

BStBl III 1967, 313

BFHE 1967, 124

BFHE 88, 124

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