Leitsatz (amtlich)
Der Nutzungswert eines neben dem Betrieb errichteten Einfamilienhauses des Inhabers einer Blumengärtnerei in Stadtlage mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von weniger als 1 ha gehört in der Regel nicht zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft.
Orientierungssatz
Entsprechend dem BewG setzt bei einem Landwirt und Forstwirt auch einkommensteuerrechtlich die Zugehörigkeit seiner Wohnung zum landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen voraus, daß die Wohnung dazu bestimmt ist, dauernd dem Betrieb der Landwirtschaft und Forstwirtschaft zu dienen, und deshalb mit dem Betrieb eine wirtschaftliche Einheit bildet (Festhaltung an BFH-Urteil vom 17.1.1980 IV R 33/76). Danach ist es in besonderen vom Regelfall abweichenden Ausnahmefällen auch im Einkommensteuerrecht möglich, die dem § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG zugrunde liegende gesetzliche Vermutung der notwendigen wirtschaftlichen Einheit zwischen dem Betrieb und der Wohnung des Landwirts und Forstwirts im Betrieb aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten zu widerlegen.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 2 Nr. 2; BewG 1965 § 33; EStG § 21a
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber einer Gärtnerei in A-Stadt, die die Anzucht von Topf- und Schnittblumen und den Blumenverkauf in Ladengeschäften betreibt; er erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Bis zum 24.Mai 1969 war die Mutter des Klägers zu 1/3 an dem Betrieb beteiligt; bis dahin wurde der Betrieb in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) geführt. Seit 25.Mai 1969 ist der Kläger Alleininhaber des Betriebs. Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Den Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Vermögensvergleich.
Der Kläger bewohnt mit seiner Familie das an die Gärtnerei angrenzende Einfamilienhaus. Er hat dieses Haus als Privatvermögen behandelt und u.a. in den Streitjahren 1970 bis 1972 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung pauschal nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26.Januar 1937 (EinfHausV) ermittelt (vgl. jetzt § 21a EStG ab 1975). Entsprechend war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den gemäß § 100 Abs.2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Einkommensteuerbescheiden verfahren.
Im Rahmen der im April 1975 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß das Wohnhaus zum notwendigen Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehöre. Das FA folgte dieser Auffassung, buchte dementsprechend die fortgeschriebenen Herstellungskosten des Einfamilienhauses zum 1.Juli 1970 erfolgsneutral ein und setzte einen Nettomietwert als Nutzungswert gemäß § 13 Abs.2 Nr.2 EStG in Höhe von jährlich 4 800 DM an.
Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, mit der der Kläger u.a. geltend machte, § 13 Abs.2 Nr.2 EStG sei bei Gartenbetrieben von so geringer Größe wie sein eigener Betrieb nicht anwendbar.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, § 13 Abs.2 Nr.2 EStG lasse im Falle des Klägers keine Ausnahme zu.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, bei seinem Betrieb handle es sich um einen gärtnerischen Betrieb, der sehr in der Nähe des Stadtkerns liege und nur deshalb als landwirtschaftlicher Betrieb behandelt werde, weil der Zukauf von Handelsware noch in einem zulässigen Verhältnis zum Umsatz stehe. Das Betriebsgrundstück habe insgesamt einschließlich der Wegeflächen und des Lagerplatzes nur eine Größe von 1,0110 ha, die landwirtschaftlich genutzte Fläche liege unter 1 ha. Die Gärtnerei erfordere keine so intensive Bearbeitung, daß der Betriebsinhaber im Betrieb wohnen müsse, da vor allem keinerlei Viehhaltung betrieben werde und die Blumenzucht zum erheblichen Teil unter Glas erfolge. Den überwiegenden Teil seiner Arbeitsleistung erbringe er in den von der Gärtnerei belieferten eigenen Ladengeschäften. Bei einer bewirtschafteten Nutzfläche von unter 1 ha und bei gleichzeitig fehlender Viehhaltung und unter Berücksichtigung der innerstädtischen Lage der Gärtnerei müsse ihm die Möglichkeit eingeräumt werden, sein Einfamilienhaus als Privatvermögen zu behandeln.
Der Kläger beantragt, den Nutzungswert des Einfamilienhauses nach der für private Einfamilienhäuser geltenden EinfHausV zu ermitteln.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Nach dem Wortlaut des § 13 Abs.2 Nr.2 EStG gehört der Nutzungswert der Wohnung des Land- und Forstwirts nur dann nicht zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, und demzufolge sein Wohngebäude nicht zum notwendigen Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, wenn die Wohnung die bei gleichartigen Betrieben übliche Größe überschreitet. Demgegenüber gehört nach § 33 Abs.1 des Bewertungsgesetzes (BewG) die Wohnung des Betriebsinhabers --ebenso wie die anderen Wirtschaftsgüter-- zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nur dann, wenn sie dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt ist; hiervon geht das Gesetz allerdings für den Regelfall land- und forstwirtschaftlicher Betriebe aus (§ 33 Abs.2 BewG). Dies beruht auf der Erwägung, daß im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, anders als bei Gewerbetreibenden und bei Angehörigen der freien Berufe, zwischen Betrieb und Wohnung im Regelfall aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Landwirtschaft eine unlösbare wirtschaftliche Einheit besteht. Da dieselben Erwägungen den Gesetzgeber dazu veranlaßt haben, in § 13 Abs.2 Nr.2 EStG den Nutzungswert der Wohnung grundsätzlich den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen, hielt es der Senat für gerechtfertigt, die für das Bewertungsrecht geltenden Abgrenzungsmerkmale für die Zugehörigkeit einer Wohnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zusätzlich auch für die Auslegung des § 13 Abs.2 Nr.2 EStG heranzuziehen. Der Senat hat demgemäß entschieden, daß entsprechend dem BewG bei einem Land- und Forstwirt auch einkommensteuerrechtlich die Zugehörigkeit seiner Wohnung zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen voraussetzt, daß die Wohnung dazu bestimmt ist, dauernd dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen und deshalb mit dem Betrieb eine wirtschaftliche Einheit bildet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.Januar 1980 IV R 33/76, BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.
Danach ist es in besonderen vom Regelfall abweichenden Ausnahmefällen auch im Einkommensteuerrecht möglich, die dem § 13 Abs.2 Nr.2 EStG zugrunde liegende gesetzliche Vermutung der notwendigen wirtschaftlichen Einheit zwischen dem Betrieb und der Wohnung des Land- und Forstwirtes im Betrieb aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten zu widerlegen. Das hat der Senat bisher in zwei typischen Fällen als möglich anerkannt.
a) Der erste Fall betraf einen Nebenerwerbslandwirt. In dem dazu ergangenen Urteil (BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323) hat der Senat ausgeführt: "Die Frage, ob das Wohngebäude des Betriebsinhabers dazu bestimmt ist, dauernd einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen, ist immer dann zu bejahen, wenn die Bewirtschaftung des betreffenden Betriebs es erforderlich macht, daß der Betriebsinhaber ständig beim Betriebe wohnt, um die laufende Versorgung und Überwachung des Betriebes, insbesondere des Viehbestandes, durch seine Anwesenheit und seine Arbeitsbereitschaft sicherzustellen. Das ist bei allen Betrieben, die durch ihre Größe die Haupterwerbsquelle der Familie des Betriebsinhabers bilden, in der Regel der Fall. ... Schwierig ist die Frage bei Klein- und Kleinstbetrieben zu beantworten, die von Arbeitnehmern und kleineren Gewerbetreibenden bewirtschaftet werden. Diese Personengruppe besitzt neben dem Wohnhaus mit Nebengebäude häufig nur einige Parzellen Grund und Boden, die sie landwirtschaftlich nutzt. Dazu haben die Richtlinien des Bundesministers der Finanzen zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom 17.November 1967 (BStBl I 1967, 397) --Bewertungsrichtlinien-- eine Abgrenzung getroffen, die nach Auffassung des III.Senats des BFH als brauchbare Grundlage auch von den Steuergerichten herangezogen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 26.Januar 1973 III R 122/71, BFHE 108, 445, BStBl II 1973, 282). In Abschnitt 1.02 Abs.7 Bewertungsrichtlinien heißt es: Die Wohnung des Inhabers eines Kleinbetriebs ist dem Betrieb dauernd zu dienen bestimmt, wenn er oder einer der zu seinem Haushalt gehörenden Familienangehörigen durch eine mehr als nur gelegentliche Tätigkeit an den Betrieb gebunden ist. Das ist bei Kleinbetrieben mit ausschließlich landwirtschaftlicher Nutzung immer dann der Fall, wenn mindestens eine Vieheinheit oder bei Geflügel zwei Vieheinheiten gehalten werden oder wenn eine eigene Zugkraft vorhanden ist, die überwiegend dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Betriebsinhabers dient." Diese Grundsätze hat der Senat auch für die Entscheidung bei der Einkommensteuer landwirtschaftlicher Klein- und Kleinstbetriebe herangezogen.
b) Der zweite Fall betraf einen Landwirt, der nur noch eine Forstwirtschaft von rd. 25 ha aktiv betrieben hat. Der Senat vertrat hier die Auffassung, daß bei einem solchen Forstwirt der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen seinem Einfamilienhaus und dem Forstareal fehle. Es sei zwar anerkannt, daß ein Forstareal von einer gewissen Mindestgröße ohne weitere Betriebseinrichtungen als forstwirtschaftlicher Betrieb oder Teilbetrieb anzusehen sei. Dies könne aber nicht dazu führen, daß das Wohngebäude des Eigentümers eines solchen Forstareals zum notwendigen Betriebsvermögen des Forstbetriebs werde. Bei einem aussetzenden Forstbetrieb von nicht mehr als 30 ha Waldfläche trete das für landwirtschaftliche Betriebe kennzeichnende Element der fortlaufenden Bearbeitung und Bestandspflege im Betrieb mit den dazu erforderlichen Betriebsmitteln zurück. Derartige Verhältnisse seien bei sog. Bauernwaldungen häufig anzutreffen. Unter diesen Umständen sei das in städtischer Wohnlage errichtete Einfamilienhaus des Betriebsinhabers des Forstareals nicht als wirtschaftlicher Mittelpunkt des forstwirtschaftlichen Betriebs anzusehen und daher weder als Betriebsvermögen zu behandeln noch der Nutzungswert der Wohnung bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft anzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 18.Februar 1982 IV R 100/79, BFHE 135, 446, BStBl II 1982, 536).
Der Streitfall, der eine Blumengärtnerei in Stadtlage betrifft, hat mit den besonderen Gegebenheiten der dargelegten Sachverhalte zu a) und b) starke Berührungspunkte. Wie in den vielen Fällen von Nebenerwerbslandwirten ohne Viehbestand und von Forstwirten mit kleinen Forstarealen besteht auch beim reinen Blumengärtner der vorliegenden Art und Größe keine Bindung an den Betrieb in dem Sinne, daß eine ständige Anwesenheit des Betriebsinhabers im Betrieb erforderlich wäre. Der Kläger hält kein Vieh, seine Blumenzucht befindet sich zu einem wesentlichen Teil teils in Glashäusern, teils in gedeckten Kästen, und der Betrieb umfaßt vor allem auch die Verkaufstätigkeit in den mehr dem gewerblichen Bereich zugehörigen Blumenläden außerhalb der Gärtnerei, die die Anwesenheit des Klägers --wie er glaubhaft vorgetragen hat-- mindestens ebenso beanspruchen wie die Gärtnerei selbst, und in denen auch zugekaufte Handelsware umgesetzt wird. Eine laufende Versorgung und Überwachung der Blumenzucht bei einer derartigen in der Stadt gelegenen Blumengärtnerei mit einer Nutzfläche von weniger als 1 ha erscheint danach dem Senat nicht erforderlich. Der Senat hält es unter diesen Umständen für sachlich nicht gerechtfertigt, das an den Betrieb angrenzende Grundstück mit dem Einfamilienhaus als notwendiges Betriebsvermögen zu behandeln und den Nutzungswert der Wohnung im Einfamilienhaus nach § 13 Abs.2 Nr.2 EStG den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 61044 |
BStBl II 1985, 401 |
BFHE 143, 365 |
BFHE 1985, 365 |
BB 1985, 1112-1112 (L) |
DB 1985, 1871-1871 (ST) |
DStR 1985, 445-445 (L) |
HFR 1985, 413-414 (ST) |