Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Grundgedanken des § 76 Abs. 1 UStDB soll die Entlastung von der Umsatzsteuer nur einmal vorgenommen werden.
2. Nach dem Wortlaut des § 76 Abs. 1 UStDB ist es gleichgültig, aus welchem Grund ein Vergütungsantrag gestellt worden ist, insbesondere ob ein Anspruch tatsächlich bestanden hat oder das Bestehen eines solchen Anspruchs irrigerweise angenommen oder ein Antrag in der Erwartung gestellt worden ist, aus Billigkeitsgründen eine Vergütung zu erhalten.
3. Es kann deshalb ein Reeder für die Ausfuhr eines Seeschiffes dann keine Vergütung erhalten, wenn die Werft für die Lieferung des Schiffes an den Reeder Vergütung aus Billigkeitsgründen erhalten hat.
Normenkette
UStG § 16 Abs. 2; UStDB i.d.F. der 8. ÄndVO § 76 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Antragsteller) erwarb im Jahre 1950 von einer inländischen Werft ein Frachtmotorschiff. Die Werft hatte für dieses Schiff Ausfuhrvergütung erhalten. Der Antragsteller betrieb mit diesem Schiff in der Folgezeit Frachtschiffahrt in der Nord- und Ostsee. Das Schiff wurde in das Schiffsregister eingetragen, fuhr unter deutscher Flagge und hatte einen deutschen Heimathafen.
Im April 1957 verkaufte der Antragsteller das Schiff an einen ausländischen Kapitän und übergab es diesem am 22. September 1957 in einem ausländischen Hafen. Die für diesen Ausfuhrvorgang beantragte Ausfuhrvergütung lehnte das Finanzamt (FA) ab.
Das Finanzgericht (FG) gab der Berufung mit der Begründung statt, daß § 76 Abs. 1 UStDB auf den Streitfall nicht angewendet werden könne. Bei der Werft hätten die rechtlichen Voraussetzungen für eine Ausfuhrvergütung nicht bestanden. Es sei ihr Ausfuhrvergütung aus Billigkeitsgründen gewährt worden. Durch diese Verwaltungsmaßnahme könne aber der Rechtsanspruch des Antragstellers auf Ausfuhrvergütung nicht beseitigt werden.
Mit der Rb. beantragt der Revisionskläger (FA), die Entscheidung des FG aufzuheben und die Einspruchsentscheidung des FA wiederherzustellen. Es wird Verletzung materiellen Rechts gerügt. Das FG habe § 76 Abs. 1 UStDB unrichtig ausgelegt. Der Sinn des § 76 Abs. 1 UStDB 1951 in der Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 7. Februar 1957 -- 8. ÄndVO -- (BGBl I S. 6, BStBl 1957 I S. 131) -- n. F. -- bestehe darin, zu verhindern, daß für denselben Gegenstand mehrfach Vergütung gewährt werde.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nunmehr als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Auf den Streitfall ist § 76 Abs. 1 UStDB n.F. anzuwenden. § 76 Abs. 1 UStDB n.F. stellt gegenüber der früheren Fassung insofern eine Änderung dar, als nach der neuen Regelung ein Ausfuhrvorgang dann nicht vergütungsfähig ist, wenn für die Ausfuhr desselben Gegenstands oder -- im Fall der Werklieferung -- für die Ausfuhr der verwendeten Stoffe ein anderer als der Antragsteller antragsberechtigt ist oder wenn ein Vergütungsantrag bereits gestellt worden ist. Dieser Tatbestand war in § 76 Abs. 1 a. F. nicht enthalten. Die Rechtslage hat sich daher durch die 8. ÄndVO vom 7. Februar 1957 (a. a. O.) gegenüber früher geändert. Dies hat der Senat in seiner Entscheidung V 91/59 U vom 10. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 292, Slg. Bd. 75 S. 70) besonders hervorgehoben. Die neue Fassung läßt den Grundsatz präziser erkennen, daß eine Entlastung von der Umsatzsteuer nur einmal vorgenommen werden kann (vgl. Lang, Umsatzsteuerliche Begünstigungen der Einfuhr und Ausfuhr, 1958, § 76 Anm. 6, und Erlaß des Bundesministers der Finanzen -- BdF -- vom 29. April 1957 IV A/2 -- S 4015 -- 10/57 Abschn. B Nr. 42 Abs. 1 zu § 76 UStDB, BStBl 1957 I S. 235).
2. Das FG hat den Wortlaut des § 76 Abs. 1 UStDB n.F. dahin ausgelegt, daß derjenige, der neben dem Antragsteller antragsberechtigt ist oder einen Vergütungsantrag gestellt hat, einen Rechtsanspruch auf die Vergütung gehabt haben müsse. Sei Vergütung nur aus Billigkeitsgründen gewährt worden, so könne ein nach der Rechtslage bestehender Anspruch des Antragstellers durch den Verwaltungsakt (Billigkeitsmaßnahme) nicht beseitigt werden. Die Betrachtungsweise des FG, daß durch einen Verwaltungsakt, nämlich die Gewährung einer Vergütung aus Billigkeitsgründen, der Rechtsanspruch des Antragstellers auf Ausfuhrvergütung beseitigt werde, geht jedoch fehl. Denn es wird nicht durch einen Verwaltungsakt ein Vergütungsanspruch des Antragstellers beseitigt. Der Vergütungsanspruch ist vielmehr, wenn die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 UStDB n.F. vorliegen, kraft Gesetzes nicht entstanden. Denn § 76 Abs. 1 UStDB n.F. hindert nach seinem eindeutigen Wortlaut "... sind nicht vergütungsfähig ..." auch bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Entstehung eines Vergütungsanspruchs.
Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist es gleichgültig, aus welchem Grund ein Vergütungsantrag durch einen anderen gestellt worden ist, insbesondere ob ein Vergütungsanspruch tatsächlich bestanden hat, oder das Bestehen eines solchen Anspruchs irrigerweise angenommen oder der Antrag in der Erwartung gestellt worden ist, aus Billigkeitsgründen eine Vergütung zu erhalten. Immer dann, wenn die Vergütung gezahlt worden ist, gleichgültig, ob mit Recht, zu Unrecht oder aus Billigkeit, besteht solange kein Anspruch des Antragstellers auf Vergütung, als die gezahlte Vergütung nicht zurückgefordert worden ist. Nur bei dieser Auslegung wird auch dem oben angeführten Grundgedanken der Neuregelung Rechnung getragen, daß eine Entlastung von der Umsatzsteuer nur einmal vorgenommen werden kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 151/61 U vom 10. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 295, Slg. Bd. 75 S. 73). Es kann unter diesen Umständen das FG sich für seine Rechtsauffassung auch nicht auf das Urteil V 151/61 U vom 10. Mai 1962, a. a. O., berufen.
3. Im Streitfall hat die Werft einen Antrag auf Vergütung gestellt und Vergütung für die Übergabe des Schiffes an den Antragsteller erhalten. Hat die Werft aber Vergütung erhalten, so steht dem Antragsteller nach dem klaren Wortlaut des § 76 UStDB n.F. Vergütung nur dann zu, wenn die der Werft gezahlte Vergütung zurückgefordert worden ist. Das ist aber unstreitig nicht geschehen. Infolgedessen steht dem Antragsteller ein Anspruch auf Vergütung nicht zu.
Es kann der Auffassung des Antragstellers nicht gefolgt werden, daß es bei dem von ihm ausgeführten Schiff nicht um dasselbe Schiff handle, das die Werft ausgeführt habe, denn durch den Gebrauch des Schiffes sei dessen Marktgängigkeit geändert worden. Der Senat hat in dem Urteil V 151/61 U vom 10. Mai 1962, a. a. O., ausgesprochen, daß ein Seeschiff auch nach mehrjährigem Gebrauch immer noch derselbe Gegenstand im Sinn des § 76 Abs. 1 UStDB ist, wenn in der Zwischenzeit keine wesentlichen Um- oder Ausbauten, wie etwa eine Verlängerung des Schiffskörpers, vorgenommen worden sind.
Fundstellen
BStBl III 1966, 336 |
BFHE 1966, 355 |