Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung - keine Entlastung bei Vertrauen auf Liquiditätsverbesserung und bei Handeln nach dem Rat eines Verwaltungsbeirats
Leitsatz (NV)
Der Geschäftsführer einer KG, der in Kenntnis des bestehenden Liquiditätsengpasses die von den Arbeitslöhnen einbehaltene Lohnsteuer zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht an das FA abführt, kann sich von dem Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung (§§ 109 Abs. 1 AO, 69 AO 1977) weder damit entlasten, daß er auf eine spätere Verbesserung der Liquidität vertraut habe, noch daß ihm von dem aus Rechtsanwälten und Steuerberatern bestehenden Verwaltungsbeirat der KG geraten worden sei, zunächst nur die dringendsten Verbindlichkeiten der KG zu erfüllen.
Normenkette
AO § 109 Abs. 1; AO 1977 § 69
Tatbestand
Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH, die ihrerseits als Komplementärin einer GmbH & Co. KG (KG) deren Geschäfte zu führen hatte. Am 1. April 1975 wurden Konkursverfahren über die Vermögen beider Gesellschaften eröffnet.
Die KG zahlte ab Januar 1975 zwar die Nettolöhne an ihre Arbeitnehmer aus, führte aber die einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge nicht an das FA ab, weil sie sich infolge der Absatzkrise der . . . industrie, für die sie . . . waren herstellte, seit Ende 1974 in einem Finanzierungsengpaß befand. Im Dezember 1974 hatten der Kläger und der aus zwei Rechtsanwälten und einem Steuerberater bestehende Verwaltungsbeirat der KG über die Beseitigung dieser Krise beraten. Es wurde beschlossen, mit der X-Bank über eine Krediterhöhung zu verhandeln. Die X-Bank lehnte eine Erhöhung des Kredits mit der Maßgabe ab, daß eine geringfügige Überschreitung der Kreditlinien (bis ca. 40 000 DM) stillschweigend akzeptiert würde. Das FA, an das sich der Kläger wegen eines Zahlungsaufschubs für die Lohnsteuer für Dezember 1974 gewandt hatte, wies diesen darauf hin, daß bei nicht rechtzeitiger Entrichtung der Abzugsteuern Säumniszuschläge zu zahlen seien.
Daneben verhandelte die KG im Januar 1975 mit ihrem Hauptabnehmer, der Firma B, wegen der Abnahme von Spezialwerkzeugen. Die Firma B sagte am 3. Februar 1975 zu, 150 000 DM als Vorschuß auf die Werkzeuge zu bezahlen. Zu dieser Zahlung kam es jedoch nicht. Später wurden nur 50 000 DM an die Gemeinschuldnerin bezahlt. Ferner führte der Kläger seit Anfang 1975 Beteiligungsverhandlungen mit der Firma Y, welche an der Übernahme eines Teils der Kunden und von Werkzeugen interessiert war, wobei als Übernahmepreis ein Betrag von ca. 1,5 bis 1,8 Mio DM erzielt werden sollte. Die X-Bank hatte sich für den Fall einer Einigung mit Y bereit erklärt, Entgegenkommen auf dem Kreditsektor zu zeigen. Während der Monate Januar, Februar und März 1975 fanden mehrfach Sitzungen des Verwaltungsbeirats mit dem Kläger statt, anläßlich derer dem Kläger von den Mitgliedern des Beirats geraten wurde, nur die dringendsten Verbindlichkeiten zur Aufrechterhaltung der Produktion, wie etwa Energie- und Materialverbindlichkeiten sowie die Nettolöhne zu bezahlen. Nachdem die X-Bank, die bis dahin für die KG im laufenden Geschäftsverkehr Schecks eingelöst und Überweisungen ausgeführt hatte, am 24. März 1975 das Kreditverhältnis gekündigt hatte, mußte der Kläger für die KG Konkurs anmelden.
Das FA nahm den Kläger durch Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung wegen von der KG angemeldeter aber nicht abgeführter Lohnsteuerabzugsbeträge für die Monate Januar und Februar 1975 und die bis zur Konkurseröffnung angefallenen Säumniszuschläge auf die Lohnsteuerrückstände als Haftungsschuldner in Anspruch.
Die dagegen erhobene Klage wies das FG ab.
Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe die Frage des Verschuldens i. S. des § 109 AO verkannt. Es habe die hierzu festgestellten Tatsachen nicht oder nicht ausreichend gewürdigt. So habe es nicht berücksichtigt, daß konkrete Aussichten bestanden hätten, durch Beitreibung von Außenständen sowie durch Teilverkauf des Kundenstammes und des Anlagevermögens die notwendige Liquidität zur Bezahlung der aufgelaufenen Steuern zu schaffen. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Januar 1972 VI R 187/68 (BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364) ergebe sich im Umkehrschluß, daß aussichtsreiche Verhandlungen über die Beschaffung von Kreditmitteln und die damit verbundene konkrete Möglichkeit der Beseitigung von Steuerrückständen die Haftung eines Geschäftsführers beseitige. Bei richtiger Würdigung des vom FG festgestellten Sachverhalts hätte seine Haftung deshalb nicht bejaht werden können.
Wenn das FG die Auffassung vertrete, er habe sich nicht auf den Rat des aus zwei Rechtsanwälten und einem Steuerberater bestehenden Verwaltungsbeirats verlassen dürfen, nur die dringendsten Verbindlichkeiten - hier also nur die Nettolöhne - zu zahlen, so verweigere es ihm durch falsche rechtliche Schlußfolgerung die Entlastung. Es gelte der generelle Rechtssatz, daß die Beratung durch Steuerberater oder Rechtsanwälte nie so offenkundig falsch sein könne, daß sich ein Mandant darauf nicht verlassen dürfe. Da er sich des Rats dreier Steuerfachleute versichert habe, dürften ihm daraus keine negativen Rechtsfolgen angelastet werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den Haftungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner für die von der KG nicht abgeführte Lohnsteuer und Kirchensteuer für die Monate Januar und Februar 1975 und die darauf entfallenden Säumniszuschläge als rechtmäßig angesehen. Soweit der Kläger mit der Revision geltend macht, die Vorinstanz habe die festgestellten Tatsachen nicht oder nicht ausreichend gewürdigt, könnte dem die Rüge zu entnehmen sein, daß das FG seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt und dadurch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen habe. Diese Rüge wäre aber - unabhängig davon, ob sie in der revisionsrechtlich gebotenen Form erhoben ist (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) - jedenfalls nicht begründet. Denn das FG hat, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, die vom Kläger als wesentlich angesehenen Tatsachen hinreichend rechtlich gewürdigt bzw. sie zu Recht nicht als entscheidungserheblich angesehen. Im übrigen ist das FG nicht verpflichtet, auf alle Einzelheiten einzugehen (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 96 Anm. 9). Soweit es festgestellte Tatsachen in den Entscheidungsgründen nicht besonders erwähnt, kann daraus nicht geschlossen werden, daß es diese nicht gewürdigt habe.
1. a) Der Kläger hatte als Geschäftsführer der in der KG geschäftsführenden GmbH gemäß § 105 Abs. 1, § 103 AO, § 35 GmbHG alle Pflichten zu erfüllen, die der KG als Arbeitgeberin beim Lohnsteuerabzug oblagen, insbesondere bei jeder Lohnzahlung die Lohnsteuer für die Arbeitnehmer einzubehalten, diese dem FA anzumelden und sie an das FA abzuführen (§§ 38 Abs. 3, 41 a EStG). Für die im vorliegenden Revisionsverfahren streitigen Anmeldungs- und Abführungszeiträume Januar und Februar 1975 ist zwar die Lohnsteuer vom Arbeitslohn der Arbeitnehmer der KG einbehalten und angemeldet, nicht aber an das FA abgeführt worden. Dadurch sind Lohnsteueransprüche des FA verkürzt worden. Denn eine Steuerverkürzung im Sinne der Haftungsvorschrift des § 109 Abs. 1 AO, die auf vor dem 1. Januar 1977 begründete Haftungstatbestände Anwendung findet (Art. 97 § 11 EGAO 1977), liegt vor, wenn die Steuerschuld nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig an die Finanzkasse abgeführt worden ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521, 522 m.w.N.). Der Kläger haftet nach dieser Vorschrift persönlich neben den Steuerpflichtigen, weil er die Steuerverkürzung durch schuldhafte Verletzung seiner Verpflichtung zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer bewirkt hat.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH - jedenfalls zu § 109 Abs. 1 AO - ist die Frage des Verschuldens bei der Abführung einbehaltener Lohnsteuer streng zu beurteilen (vgl. BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364, und BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521). Der Grund dafür liegt im System des Lohnsteuerabzugsverfahrens. Die abzuführende Lohnsteuer ist ein bei der Lohnzahlung zurückbehaltener Teil des Lohnes des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber zieht die Lohnsteuer nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein. Es handelt sich für den Arbeitgeber wirtschaftlich um fremde Gelder. Er darf sie daher nicht sach- und zweckwidrig verwenden und nicht darauf vertrauen, daß im Zeitpunkt der Fälligkeit die Steuern aus anderen Mitteln entrichtet werden können. Die Nichtabführung der Lohnsteuer verletzt deshalb im allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Personen, dafür zu sorgen, daß die Steuer aus den von ihnen verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird. Die Verletzung dieser Pflicht ist regelmäßig schuldhaft. Denn die ordnungsmäßige Beachtung der gesetzlichen Vorschriften muß von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebs verlangt werden (BFH-Urteile vom 19. Februar 1953 IV 319/52 U, BFHE 57, 412, BStBl III 1953, 161, und vom 11. Mai 1962 VI 195/60 U, BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342). Für die Annahme des Verschuldens i. S. des § 109 AO reicht bereits ein leicht fahrlässiges Verhalten aus (BFH-Urteile vom 26. November 1980 I R 47/78, BFHE 132, 194, BStBl II 1981, 287, und in BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521).
c) Der Kläger hat den Haftungstatbestand des § 109 Abs. 1 AO in der Form der nicht rechtzeitigen Abführung der Steuerabzugsbeträge nach seinem eigenen Vorbringen sogar vorsätzlich verwirklicht. Denn er hat die im Wege des Lohnabzugs für die Monate Januar und Februar 1975 einbehaltenen Steuern zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten am 10. Februar und am 10. März 1975 (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) bewußt nicht an das FA abgeführt, weil er hoffte, später bei Verbesserung der Liquidität der KG die entstehenden Steuerrückstände abdecken zu können. Wie oben ausgeführt, wird aber der Tatbestand der Steuerverkürzung bereits bei nicht rechtzeitiger Zahlung erfüllt.
2. Die rechtliche Würdigung des FG, daß die vom Kläger angeführten besonderen Umstände des Streitfalles ihn hinsichtlich des Schuldvorwurfs nach § 109 Abs. 1 AO nicht entlasten können, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
a) Es kann dahinstehen, ob der KG zu den hier maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkten noch genügend Mittel zur Zahlung der Abzugsteuern zur Verfügung standen und ob die X-Bank entsprechende Überweisungsaufträge zugunsten des FA nach dem der KG eingeräumten Kreditrahmen erfüllt hätte. Die dahingehenden Schlußfolgerungen des FG sind nicht entscheidungserheblich. Denn der Kläger hätte, wenn infolge des Liquiditätsengpasses, in dem sich die KG befand, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen vereinbarten Löhne (einschließlich Lohnsteueranteil) nicht ausreichten, die Löhne nur gekürzt als Vorschuß oder Teilbetrag auszahlen dürfen und aus den dann übrigbleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das FA abführen müssen (so die ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521; ebenso bis zum 31. Dezember 1974 ausdrücklich vorgeschrieben in § 30 Abs. 3 der LohnsteuerDurchführungsverordnung - LStDV -). Von dieser Verpflichtung zur Kürzung der Löhne wäre der Kläger nur dann nicht betroffen worden, wenn eine unvorhersehbare Verschlechterung der Liquidität zwischen den Zeitpunkten der Lohnzahlung und der Lohnsteuerfälligkeit eingetreten wäre. Davon kann aber, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, angesichts der seit Ende 1974 bei der KG bestehenden Liquiditätskrise keine Rede sein.
b) Indem der Kläger seiner Verpflichtung zur fristgerechten Abführung der Lohnsteuer - gegebenenfalls unter Kürzung der Löhne und anteiliger Befriedigung der Arbeitnehmer und des FA - nicht nachgekommen ist und darauf vertraut hat, er werde die Steuerrückstände später nach Behebung der Liquiditätsschwierigkeiten ausgleichen können, ist er bewußt das Haftungsrisiko eingegangen. Denn aufgrund der vorausgegangenen Verhandlungen mit dem FA über die für Dezember 1974 abzuführende Lohnsteuer war ihm bekannt, daß die finanziellen Schwierigkeiten der KG einen Zahlungsaufschub für einbehaltene Steuern nicht rechtfertigten. Es kann für die Entscheidung des Streitfalles dahinstehen, ob und in welchem Ausmaß die Bemühungen des Klägers um eine Verbesserung der Liquidität der KG durch Beitreibung der Außenstände sowie durch Teilverkauf des Anlagevermögens und des Kundenstammes erfolgsversprechend waren. Nachdem der Kläger mit der nicht fristgerechten Abführung der Steuern den Haftungstatbestand des § 109 Abs. 1 AO verwirklicht hatte, lag es allein in seiner Risikosphäre, ob es ihm gelingen werde, die Liquidität der KG zu verbessern und durch den späteren Ausgleich der eingetretenen Steuerrückstände der drohenden Haftungsinanspruchnahme zu entgehen. Das FG brauchte deshalb bei seiner rechtlichen Würdigung entgegen dem Revisionsvorbringen nicht darauf einzugehen, ob ,,konkrete Aussichten" bestanden, die Zahlungsfähigkeit der KG zu verbessern.
Dem vom Kläger angeführten Urteil des BFH in BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364 kann nicht entnommen werden, daß aussichtsreiche Verhandlungen über die Beschaffung von Kreditmitteln und die damit verbundene Möglichkeit der Beseitigung von Steuerrückständen des Unternehmens die Haftung des Geschäftsführers ausschließen. Im dort entschiedenen Fall ist - wie der Kläger einräumt - die Frage der Kreditbeschaffung nur ,,am Rande" und zudem im Rahmen der Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA angesprochen worden. Aus der für den Urteilsfall vollzogenen tatsächlichen Würdigung, daß nur eine geringe Aussicht auf Kreditbewilligung bestanden hätte, folgt nicht, daß positive Kreditaussichten den Geschäftsführer entlasten müßten.
c) Auch der dem Kläger von den Mitgliedern des Verwaltungsbeirats der KG erteilte Rat, zunächst nur die dringendsten Verbindlichkeiten, wie die Nettolöhne und die Energie- und Materialrechnungen, zu bezahlen, schließt dessen Verschulden im Zusammenhang mit der nicht fristgerechten Abführung der Steuerabzugsbeträge nicht aus. Bei der Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des den Arbeitgeber vertretenden Geschäftsführers, die sich privatrechtlichen Vereinbarungen und auch den Dispositionen und Ratschlägen von Aufsichts- oder Beratungsorganen des Unternehmens entzieht (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 12. Juli 1983 VII B 19/83, BFHE 138, 424, BStBl II 1983, 655). Der Verwaltungsbeirat hat zudem in erster Linie die Interessen des Unternehmens zu beachten, die im Hinblick auf die Verpflichtung zur Steuerzahlung mit den Interessen des Staates und auch mit denen des haftenden Geschäftsführers nicht notwendig übereinstimmen müssen. Das mußte dem Kläger aufgrund seiner beruflichen Stellung und der vorangegangenen Verhandlung mit dem FA über einen Zahlungsaufschub für die Steuerabzugsbeträge für Dezember 1974 bekannt sein. Dieser unternehmensorientierten Beratung, die das Steuerhaftungsrisiko für den Geschäftsführer nicht von vornherein ausschloß, stand nicht entgegen, daß es sich bei den Beiratsmitgliedern um steuerrechtlich erfahrene Personen - zwei Rechtsanwälte und einen Steuerberater - handelte. Es unterlag der freien unternehmerischen Entscheidung des Klägers, ob er den Rat des Beirats befolgen und im Interesse des von ihm vertretenen Unternehmens das persönliche Haftungsrisiko eingehen wollte. Der Streitfall unterscheidet sich wesentlich von den Fällen, in denen der Arbeitgeber sich in einer schwierigen materiell-lohnsteuerrechtlichen Frage auf die Beratung durch seinen Steuerberater verläßt und deshalb keine oder zu wenig Lohnsteuer vom Arbeitslohn einbehält. Auch das vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführte Urteil in BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342 unterscheidet hinsichtlich des Verschuldens des Geschäftsführers zwischen der Pflichtverletzung bei der Einbehaltung der Lohnsteuer, bei der dieser sich in der Regel auf den Rat des Steuerberaters verlassen darf, und der Pflichtverletzung bei der Abführung einbehaltener Steuern. Daß Steuerbeträge, die vom Arbeitslohn der Arbeitnehmer bereits einbehalten worden sind, dem FA auch nicht nur vorübergehend vorenthalten und für andere betriebliche Zwecke verwendet werden dürfen, liegt auf der Hand. Eine dem entgegenstehende steuerliche Beratung durch Rechtsanwälte oder Steuerberater ist nicht glaubhaft und wäre gegenüber dem kaufmännischen Leiter eines Unternehmens auch unbeachtlich.
3. Bei der Inanspruchnahme eines nach den §§ 103, 105, 109 AO Haftenden handelt es sich um eine nach § 118 AO zu treffende und der richterlichen Nachprüfung unterliegende (§ 102 FGO) Ermessensentscheidung. Ermessensentscheidungen der Verwaltung sind zu begründen; anderenfalls sind sie im Regelfall fehlerhaft (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493). Das gilt jedoch nicht für Ermessensentscheidungen, deren Begründung auf der Hand liegt (vgl auch § 121 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Durch die im Rahmen des § 109 AO bei der Haftung zu treffende Rechtsentscheidung wird die Ermessensentscheidung (§ 118 AO) in gewisser Weise vorgeprägt. Bei schwereren Verschuldensformen als leichter Fahrlässigkeit kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß das FA stillschweigend von seinem Ermessen sachgerecht Gebrauch gemacht hat. Die Verwaltung braucht dann die die Ermessensentscheidung bestimmenden Erwägungen nicht ausdrücklich in den Bescheid oder die Einspruchsentscheidung aufzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508, 510). Da der Kläger nach den vorstehenden Ausführungen den Haftungstatbestand des § 109 AO vorsätzlich erfüllt hat, kann folglich dahingestellt bleiben, ob das FA seine Ermessensentscheidung, ihn als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, ausreichend begründet hat. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die Heranziehung des Klägers als einen von mehreren in Betracht kommenden Gesamtschuldnern (§ 7 Abs. 1 und 3 des Steueranpassungsgesetzes) Ermessensfehler nicht erkennen lasse.
4. Für die bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung geltend gemachten Säumniszuschläge, die auf die nicht rechtzeitig abgeführte Lohnsteuer entfallen, haftet der Kläger nach § 6 Abs. 3 des im Streitfall noch anwendbaren StSäumG.
Fundstellen
Haufe-Index 413981 |
BFH/NV 1986, 126 |