Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die Buchführung eines Land- und Forstwirts, für den die Voraussetzungen des § 1 der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 31. Dezember 1936 gegeben sind, nicht ordnungsmäßig, so ist der Gewinn nach den entsprechend der Verordnung aufgestellten Durchschnittssätzen zu ermitteln.

Für den Beginn und das Ende der Buchführungspflicht eines Land- und Forstwirts ist § 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung in Verbindung mit § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO maßgebend. Hiernach kommt es nicht allein auf das objektive Vorliegen der im § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO aufgeführten Merkmale an, sondern auch darauf, wann erstmalig oder wieder sowohl für den Beginn wie das Ende durch eine der im § 1 der Verordnung bezeichneten Maßnahmen (Veranlagung, Einheitswertfeststellung, Rechtsmittelentscheidung) das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer der im § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO bezeichneten Voraussetzungen zu a oder c oder e festgestellt worden ist.

Bei der Schätzung des Gewinns eines buchführungspflichtigen Land- und Forstwirts ist nach § 4 Abs. 1 EStG auch der Bestandsvergleich zu berücksichtigen, soweit zuverlässige Unterlagen vorliegen.

AO § 161 Abs. 1 Ziff. 1; VO über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (RGBl. I S. 908, RStBl. 1935 S. 955) § 1; VO über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft vom 31. Dezember 1936 (RGBl. 1937 S. 1, RStBl. 1937 S. 33)

 

Normenkette

AO § 161 Abs. 1 Nr. 1; VOL § 1; GDL 1; EStG § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Auf Grund einer Betriebsprüfung wurde die Buchführung des Beschwerdeführers (Bf.) verworfen. Für die streitigen Steuerabschnitte schätzte das Finanzamt im Wege eines Vermögensvergleichs die Gewinne erheblich höher, die der Steuerausschuß auch bis auf eine Ermäßigung für I/1948 in der Einspruchsentscheidung aufrechterhielt.

Das Finanzgericht erkannte die Buchführung ebenfalls als nicht ordnungsmäßig an und veranlagte den Bf. für die Jahre 1945 bis 1947 mit den Durchschnittssätzen nach Massgabe der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft vom 31. Dezember 1936 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I 1937 S. 1, ab 1946 in der Fassung des Kontrollratsgesetzes - KontrRG - Nr. 12). Für die Gewinnermittlung für I/1948 benutzte es die Durchschnittssätze als Anhalt für die Schätzung. Es ging davon aus, daß der Bf. erstmals ab dem Wirtschaftsjahr 1947/48 buchführungspflichtig gewesen sei, da erstmals bei den im November 1946 vorgenommenen Veranlagungen für 1943 (berichtigt) und 1945 ein Gewinn von mehr als 6.000 RM festgestellt worden sei.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) sieht in diesem Vorgehen eine unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes. Der Bf. habe bereits, wie sich aus der Betriebsprüfung vom November 1944 ergebe, die sich auf die Jahre 1941/42 - 1942/43 erstreckte, Bücher geführt. Der Betriebsprüfer habe die Buchführungspflicht für diesen Zeitraum festgestellt und für 1941/42 einen Gewinn von 8.229 RM, für 1942/43 einen solchen von 5.952 RM errechnet. Die Pflicht zur Buchführung sei daher nicht erst durch die Veranlagungen im November 1946 ausgelöst worden. Im übrigen komme es auch nicht auf eine Feststellung des Gewinnes über 6.000 RM durch eine Veranlagung an, vielmehr genüge es, wenn die Merkmale des § 161 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) objektiv vorlägen. Auch § 1 der Verordnung über die landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1935 S. 955) widerspreche dem nicht, da hier nur darüber Vorschriften getroffen worden seien, wann die Buchführung spätestens beginne, und wann sie frühestens wieder wegfiele. Wenn zufällig in einem Jahre wegen Unterschreitens der 6.000 RM-Grenze die Voraussetzungen für die Buchführungspflicht nicht gegeben seien, so bewirke das nicht die Unterbrechung der Buchführung. Zudem habe das Finanzgericht für die Wirtschaftsjahre 1945/46 - 1947/48 Gewinne von mehr als 6.000 RM ermittelt und damit die objektiven Merkmale des § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO bestätigt. Auch bei Verwerfung der Buchführung müsse der Bf. als buchführender Landwirt behandelt werden. Die Gewinnermittlung habe daher nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stattzufinden, d. h. grundsätzlich durch Bestandsvergleich. Dieser dürfe nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs selbst bei einer Schätzung nicht unberücksichtigt bleiben. Es sei daher unrichtig, wenn das Finanzgericht den vom Finanzamt angewandten und vom Bf. begehrten Vermögensvergleich ablehne und den Gewinn nach Durchschnittssätzen errechne. Wenn sich insbesondere bezüglich des Privatverbrauches die bestehenden Differenzen nicht mehr aufklären ließen, so sei das kein Anlaß, vom Vermögensvergleich abzusehen; die umstrittenen Werte müßten dann nach § 217 AO geschätzt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Bf. hat die noch im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung, die Buchführung sei ordnungsmäßig, nicht mehr aufrechterhalten; sie würde auch erfolglos gewesen sein. Das Finanzgericht hat ausreichend dargelegt, daß und weshalb der Buchführung die Anerkennung zu versagen ist. Der Gewinn muß daher für die streitigen Veranlagungszeiträume in anderer Weise ermittelt werden. Die vom Finanzgericht für die Jahre 1945/46 - 1946/47 vorgenommene Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen würde nicht bedenkenfrei sein, wenn die Ausführungen des Bf. zutreffend sind, er sei bereits seit 1941/42 buchführungspflichtig. Das ist jedoch nach dem Akteninhalt nicht richtig.

Die vom Bf. angeführte Betriebsprüfung vom November 1944 ist in den Akten nicht enthalten; nach diesen ist für die Wirtschaftsjahre 1941/42 - 1944/45 eine Prüfung am 11. und 15. Juli 1946 vorgenommen. Nach dieser ist aber erst für die Jahre 1942/43 - 1943/44 ein Gewinn von mehr als 6.000 RM durch Vermögensvergleich errechnet worden. Die Mehrgewinne sind erstmalig durch die Berichtigungsveranlagung vom 14. November 1946 erfaßt. Für 1941/42 ist die behauptete Gewinnfeststellung von 8.229 RM aus den Akten nicht festzustellen. Nach diesen hat der Gewinn für dieses Wirtschaftsjahr 4.762 RM betragen. Auch dem Betriebsprüfungsbericht für 1941/42 - 1944/45 ist nichts anderes zu entnehmen. Dort ist in Textziff. 6 auch nicht gesagt, der Bf. sei buchführungspflichtig. Es wird lediglich die Tatsache des Anschlusses an die Buchführungsstelle erwähnt sowie die Vernichtung der Buchführung für 1942/43 durch Feindeinwirkung. Aber selbst wenn die übrigens als neues Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht berücksichtigungsfähige Behauptung des Bf. richtig wäre, würde ab 1942/43 - 1946/47 eine Buchführungspflicht nicht bestehen, da der für 1942/43 von mehr als 6.000 RM ermittelte Gewinn erst durch die im November 1946 vorgenommene Veranlagung festgestellt worden ist, und nach § 1 der Verordnung über die landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 eine Verpflichtung zur Buchführung im Sinne von § 161 Abs. 1 AO erst oder wieder mit dem Anfang des Wirtschaftsjahres beginnt, das auf den Zeitpunkt folgt, an dem bei einer Veranlagung festgestellt worden ist, daß eine der im § 161 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a oder c oder e AO bezeichneten Voraussetzungen vorliegt. Die Auslegung , die der Bf. diesen Bestimmungen gibt, ist nicht richtig. Es bleibt zwar jedem Landwirt unbenommen, Bücher zu führen, auch wenn eine Pflicht dazu nach § 161 Abs. 1 AO nicht besteht; die Buchergebnisse sind auch anzuerkennen, wenn die Buchführung ordnungsmäßig ist. Trifft das aber nicht zu, dann gelten die allgemeinen Vorschriften. Es ist nicht richtig, daß § 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung bestimmt, wann spätestens eine Buchführungspflicht beginnt, und wann sie frühestens wegfällt; vielmehr beginnt sie erst von dem in der Verordnung bezeichneten Wirtschaftsjahr an. Das folgt aus Ziff. 1 des § 161 Abs. 1 AO, nach der von der bei der letzten Veranlagung getroffenen Feststellung auszugehen ist. Es kommt nicht nur auf die objektiven Merkmale an, sondern auch darauf, wann die Veranlagung usw. stattgefunden hat. Eine solche Regelung ist im Interesse klarer Verhältnisse notwendig. Sowohl Steuerpflichtige (Stpfl.) wie Steuerbehörden können das Vorliegen der im § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO aufgeführten Merkmale erst maßgeblich erkennen, wenn durch Veranlagung oder Rechtsmittelentscheidung entsprechende Feststellungen getroffen sind. Es ist deshalb auch nicht richtig, wenn der Bf. aus der Tatsache, daß das Finanzgericht für die Jahre 1945/46 - 1947/48 auf Grund der Durchschnittsätze jeweils einen Gewinn von über 6.000 RM errechnet hat, eine Buchführungspflicht für diese Jahre herleitet. Diese erst durch das Urteil vom 20. Dezember 1951 getroffene Feststellung würde erst, wenn eine solche nicht bereits vorher stattgefunden hätte, vom Beginn des Wirtschaftsjahres 1952/53 eine Buchführungspflicht begründen. Es ist auch nicht ohne weiteres zutreffend, wenn der Bf. annimmt, eine Unterbrechung der Buchführungspflicht dürfe nicht eintreten, wenn in einem Jahre der Gewinn 6.000 RM nicht übersteigt. In einem solchen Falle darf die Steuerbehörde eine Buchführung nicht verlangen, wenn es auch dem Stpfl. freisteht, die Buchführung fortzusetzen. Wenn er es tut, so ist die Steuerbehörde zwar gehalten, ihn als Buchführenden zu behandeln, wenn die Buchführung ordnungsmäßig ist. Ist sie das jedoch nicht, so muß die Steuerfestsetzung nach den allgemeinen Vorschriften vorgenommen werden. Es kann hiernach nicht zweifelhaft sein, daß der Bf. für die Jahre 1944/45 bis 1946/47 zur Buchführung nicht verpflichtet war. Das Verlangen nach der Gewinnermittlung auf Grund des § 4 Abs. 1 EStG wäre daher nur berechtigt, wenn die freiwillig geführte Buchführung ordnungsmäßig ist. Das ist aber unstreitig nicht der Fall. Auch auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs kann sich der Bf. nicht mit Erfolg berufen. Es handelt sich in diesen Fällen (siehe Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 282/27 vom 6. September 1927, Kartei, EStG 1925 § 12 Abs. 1 und 2 Rechtsspr. 6a; VI A 614/30 vom 19. Dezember 1931, Kartei, EStG 1925 § 26 Rechtsspr. 29; VI A 381/35 vom 30. September 1936, Kartei, EStG 1934 § 4 Abs. 1 Rechtsspr. 27) um anders gelagerte Fälle. Bei den bezeichneten Urteilen handelt es sich in dem einen Fall (VI A 381/35) um einen buchführungspflichtigen Landwirt, in dem Falle VI 614/30 in erster Linie um die Frage, ob bei einem buchführenden Landwirt aus der Nichtvorlage eines Buchabschlusses in einem Jahre darauf geschlossen werden kann, daß der Stpfl. die Buchführung überhaupt aufgeben wollte, und er deshalb nicht mehr als buchführender Landwirt anzusehen ist; hierbei ist aber vorausgesetzt, daß an sich eine ordnungsmäßige Buchführung vorlag. Das Urteil VI A 282/27 betrifft einen Landwirt, der den Gewinn nach § 12 Abs. 1 Satz 3 EStG 1925 (jetzt § 4 Abs. 3) ermittelte. In diesem Falle verlangte der Reichsfinanzhof bei Anerkennung des überschusses der Einnahmen über die Ausgaben grundsätzlich auch die Berücksichtigung des Bestandsvergleiches, wobei aber das Finanzgericht noch nicht festgestellt hatte, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift überhaupt gegeben waren. Es handelte sich ferner auch offenbar um einen buchführenden Landwirt (Einkommen 8.000 RM), der keine ordnungsmäßige Buchführung hatte. Für die hier streitige Frage kann aus den Entscheidungen eine maßgebliche Beantwortung nicht entnommen werden.

Der Bf. verkennt den Charakter der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nach der Verordnung vom 31. Dezember 1936. Es handelt sich hier nicht um eine Schätzung der Gewinne, sondern um eine echte Gewinnermittlung für alle die Stpfl., die unter die Verordnung fallen. Diese besondere Gewinnermittlung steht selbständig neben der für buchführungspflichtige nach § 4 Abs. 1 EStG oder tatsächlich ordnungsmäßig buchführende Land- und Forstwirte (siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 162/40 vom 11. September 1940, RStBl. 1940 S. 1051). Mit den Durchschnittssätzen wird der Gewinn im Sinne des § 4 Abs. 1 EStG festgestellt. Ist die Buchführung der Landwirte, die nur tatsächlich Buch führen, nicht für die Versteuerung verwendbar, sind aber für diese die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung vom 31. Dezember 1936 gegeben, dann muß die Veranlagung nach Durchschnittssätzen stattfinden. Ein Bestandsvergleich kommt nicht in Betracht. So liegt es hier aber bei dem Bf. für die Wirtschaftsjahre 1944/45 - 1946/47. Die Voraussetzungen der Verordnung treffen auf ihn, wie vom Finanzgericht festgestellt worden ist, unstreitig zu. Die Art der Gewinnermittlung durch das Finanzgericht ist deshalb für diese Veranlagungszeiträume nicht zu beanstanden.

Anders ist es ab dem Wirtschaftsjahr 1947/48. Für dieses bestand, wie auch das Finanzgericht nicht bestreitet, Buchführungspflicht. Der Gewinn mußte, da die Buchführung nicht ordnungsmäßig ist, im Wege der Schätzung ermittelt werden. Dabei kommt eine unmittelbare Anwendung der Durchschnittssätze nicht in Betracht. Das hat auch das Finanzgericht nicht verkannt; es hat sie nur als Anhaltspunkt benutzt. Hiergegen bestehen keine Bedenken. Die Forderung des Bf. nach Vornahme eines Vermögensvergleiches ist nicht berechtigt. Auch dieser ist nur eine Art, den Gewinn nach § 217 AO zu ermitteln. Welcher Methode sich die Steuerbehörde bedient, unterliegt grundsätzlich ihrem Ermessen. Ein Ermessensmißbrauch ist nicht erkennbar. Das Finanzgericht hat ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen die Durchschnittssätze nicht voll zum Zuge kommen können. Gegen diese Würdigung sind Einwendungen nicht zu erheben. Es ist zwar richtig, daß bei der Schätzung der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG festzustellen ist und Bestandsveränderungen zu berücksichtigen sind. Mit den Abschlägen hat aber das Finanzgericht auch den bei einem Bestandsvergleich zu berücksichtigenden Vermögenswerten Rechnung getragen. Den nach Durchschnittssätzen sich ergebenden Gewinn von 8.930 RM hat es um 2.330 RM auf 6.600 RM ermäßigt. Mangels einer ordnungsmäßigen Buchführung könnte ein Bestandsvergleich auch nur im Wege der Schätzung stattfinden. Aus der vom Finanzgericht vorgenommenen Gewinnermittlung kann nicht entnommen werden, daß sich bei einer auf eine ordnungsmäßige Buchführung gestützten Berechnung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 EStG ein für den Bf. günstigeres Ergebnis ergeben würde. Dafür spricht auch die Höhe des im Wege des Vermögensvergleiches errechneten Gewinnes, der mit 1.367 RM über dem des Finanzgerichts liegt.

Es muß danach bei der Vorentscheidung sein Bewenden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407475

BStBl III 1952, 259

BFHE 1953, 676

BFHE 56, 676

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