Leitsatz (amtlich)
Die erhöhten Absetzungen nach § 14 Abs. 1 BHG 1964 können nicht deshalb versagt werden, weil ein früherer Eigentümer des vom Steuerpflichtigen angeschafften Wirtschaftsguts innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren seit der Anschaffung seinerseits die erhöhten Absetzungen in Anspruch genommen hatte.
Normenkette
BHG 1964 § 14
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Gesellschafter der inzwischen aufgelösten N-KG in Berlin. Diese war am 12. Dezember 1966 zur Anschaffung und zum Betrieb des Binnen-Motorschiffes M gegründet worden. Komplementärin der KG mit einer Beteiligung von 95 v. H. war die Klägerin zu 1. Der Kläger zu 2. (Schwiegersohn der Klägerin zu 1.) war mit einer Beteiligung von 5 v. H. Kommanditist der KG.
Das Motorschiff M, das im Jahre 1960 erbaut wurde, wurde im Jahre 1964 von der A-KG in Berlin erworben. Gesellschafter dieser KG waren als Komplementärin mit einer Beteiligung von 5 v. H. Frau A (Tochter der Klägerin zu 1. und Ehefrau des Klägers zu 2.) und als Kommanditist mit einer Beteiligung von 95 v. H. N (Ehemann der Klägerin zu 1. und Schwiegervater des Klägers zu 2.). Das Motorschiff wurde am 12. Dezember 1966 an die KG zu einem Preis von 600 000 DM veräußert. Die KG berücksichtigte in ihrem Jahresabschluß auf den 31. Dezember 1966 75 v. H. der Anschaffungskosten des Motorschiffes (450 000 DM) als erhöhte Absetzungen nach § 14 des BHG vom 19. August 1964 (BGBl I 675, BStBl I 1964, 510) - BHG 1964 -. Sie erklärte einen Verlust von 454 500 DM.
Am 9. Oktober 1967 veräußerte die KG das Motorschiff zum Preis von 540 000 DM an die S-KG, an der ebenfalls N zu 95 v. H. beteiligt war. Mit demselben Tag stellte die KG ihren Geschäftsbetrieb ein.
Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zu dem Ergebnis, die KG sei auf Veranlassung von N in der Absicht errichtet worden, für dasselbe Schiff die erhöhten Absetzungen nach § 14 BHG 1964 dreimal geltend zu machen. Er habe auch durch zwei andere Gesellschaften ebenfalls am 12. Dezember 1966 zwei weitere Schiffe erworben und diese nach rd. 10 Monaten wiederum an demselben Tag (9. Oktober 1967) an die S-KG verkauft. Die Besteuerung sei nach § 6 StAnpG vorzunehmen. Bei einer angemessenen rechtlichen Gestaltung wäre das Motorschiff am 12. Dezember 1966 in die bereits bestehende S-KG übernommen worden. In den endgültigen Bescheiden über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der KG verminderte das FA den Verlust von 1966 von 454 500 DM auf 4 500 DM und für 1967 den Gewinn von 339 050 DM auf (minus) 35 994 DM. Für das Jahr 1967 erkannte das FA Lotsengelder in Höhe von 381,80 DM nicht als abzugsfähige Betriebsausgaben an.
Die unmittelbar zum FG erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG führte aus, die Abzugsfähigkeit der Lotsengelder habe das FA zu Recht versagt. Was das Recht der KG zur Inanspruchnahme der Vergünstigung nach § 14 BHG 1964 anbelange, so fehle es für das Jahr 1966 bereits an einer Betriebstätte in Berlin (West) - § 14 Abs. 2 Nr. 1 BHG 1964 in Verbindung mit § 16 StAnpG -. Die KG berufe sich zu Unrecht darauf, daß ihr die N-GmbH, vertraglich das Recht eingeräumt habe, die Büroräume ihres Unternehmens mitzubenutzen. Die KG habe den Vertrag über die Mitbenutzung dieser Räume erst am 2. Januar 1967 abgeschlossen und dabei vereinbart, daß ihr die Räume ab 1. Januar 1967 zur Mitbenutzung zur Verfügung stehen sollten. Dem entspreche es, daß die KG für den Monat Dezember 1966 kein Nutzungsentgelt an die GmbH gezahlt habe. Die KG habe auch keine Tatsachen vorgetragen, die darauf schließen ließen, daß sie schon vor dem 2. Januar 1967 in gewissem Umfang tatsächlich über die Büroräume der GmbH habe verfügen können. Das FG habe nicht zu ermitteln brauchen, ob der von der KG zum 1. Januar 1967 eingestellte Angestellte H schon vor seiner Einstellung für sie tätig geworden sei. Abgesehen davon, daß dies die KG selbst nicht geltend gemacht und H auch unstreitig für Dezember 1966 kein Gehalt bezogen habe, wäre eine im Dezember 1966 erteilte mündliche Vollmacht an H zur Erledigung bestimmter Geschäftshandlungen ohne Bedeutung. Die KG selbst habe jedenfalls nicht über Geschäftsräume verfügen können.
Es könne dahingestellt bleiben, ob bereits eine intensive Vorbereitungsarbeit zur Schaffung der Betriebsorganisation in Berlin zur Annahme einer Berliner Betriebstätte ausreiche (vgl. Masuch in Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 3, Berlin, S. 700). Denn der KG habe - was zugleich für das Jahr 1967 gelte - die erhöhte Absetzung nach § 14 BHG 1964 auch aus anderen Gründen nicht zugestanden. Wie der BFH im Urteil vom 18. Februar 1965 IV 13/63 U (BFHE 82, 322, BStBl III 1965, 362) ausgeführt habe, habe der Gesetzgeber durch die Gewährung einer erhöhten Absetzung Investitionen in Berlin (West) begünstigen und die Berliner Wirtschaftskraft mit einer mehr oder minder großen Dauerwirkung stärken wollen. Die Vergünstigung sei nicht personen-, sondern sachbezogen. Der Zweck der Vergünstigung werde nicht erreicht, wenn ein Wirtschaftsgut, auf das bereits die erhöhte Absetzung vorgenommen worden sei, von einem anderen Unternehmen innerhalb der vom Gesetz festgesetzten Sperrfrist von drei Jahren erworben werde. Im Streitfall habe bereits das veräußernde Unternehmen die Vergünstigung voll im Jahr 1964 in Anspruch genommen. Auf die vom FA herangezogene Vorschrift des § 6 StAnpG komme es danach nicht an, weil die erhöhte Absetzung schon aus anderen Gründen zu versagen sei. Folge man dieser Auslegung allerdings nicht, so würde die Annahme einer Verletzung des § 6 StAnpG "nahe gelegt", weil die erhöhte Absetzung von zusammenveranlagten Eheleuten doppelt in Anspruch genommen worden sei. Der KG müsse aber wenigstens die AfA nach § 7 EStG zugebilligt werden. Auf dieser Grundlage setzte das FG die Verluste der KG und die Verlustanteile der Kläger für 1966 und 1967 neu fest.
Mit ihrer Revision beantragen die Kläger, das Urteil des FG aufzuheben und die "Gewinne" nach Erklärung festzusetzen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die Kläger rügen Verletzung des § 14 BHG 1964, hilfsweise die Versagung rechtlichen Gehörs durch Nichteinvernahme des Angestellten H als Zeugen und die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften. Zur Begründung führen sie aus: Weder Wortlaut noch Sinn des § 14 BHG 1964 ließen - im Unterschied zu § 19 BHG 1964 - eine Auslegung dahin zu, daß nur die Investition neuer Wirtschaftsgüter in der Berliner Wirtschaft nach § 14 BHG 1964 begünstigt sei. Auch habe das FG zu Unrecht das Vorliegen einer Betriebstätte im Jahr 1966 verneint. Entgegen den vertraglichen Vereinbarungen mit der GmbH habe die KG schon im Dezember 1966 die Möglichkeit gehabt, die Büroräume der GmbH mitzubenutzen. Zum Nachweis dieser Tatsache sei in der mündlichen Verhandlung vor dem FG der Angestellte H als Zeuge benannt worden. Das FG habe die Frage der Betriebstätte in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht aufgeworfen. Darin liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Im übrigen müsse es für den Begriff der Betriebstätte nach § 14 BHG 1964 genügen, daß der Steuerpflichtige Handlungen eingeleitet habe, die auf die Verwirklichung einer Betriebstätte abzielten und in angemessener Zeit auch dazu führten. - Schließlich habe das FG die Nichtanerkennung der Lotsengelder durch das FA als rechtmäßig bezeichnet, ohne dies jedoch zu begründen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Aufhebung der Vorentscheidung ist allerdings nicht schon unter dem Gesichtspunkt der von den Klägern gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerechtfertigt, in der ein absoluter Revisionsgrund zu erblicken wäre (§ 119 Nr. 3 FGO). Die Kläger stützen ihre Rüge darauf, daß das FG die Frage des Vorliegens einer Betriebstätte für das Jahr 1966 in der mündlichen Verhandlung nicht angesprochen habe. Dies mag zutreffen, bedeutet aber schon deshalb keine Versagung rechtlichen Gehörs, weil die Kläger nach ihrem eigenen Vortrag auf die Frage der Betriebstätte ihrerseits in der mündlichen Verhandlung eingegangen sind.
2. Das FG hat die Vergünstigung des § 14 BHG 1964 im Streitfall letztlich mit der Begründung versagt, daß die bereits von der A-KG voll in Anspruch genommene erhöhte Absetzung von der KG nicht abermals beansprucht werden könne. Das FG hat dies mit Erwägungen begründet, denen sich der Senat nicht anschließen kann. Die Auffassung des FG findet weder im Gesetzeswortlaut noch im Sinn des § 14 BGH 1964 eine Stütze (zur Auslegung einer Begünstigungsvorschrift vgl. BFH-Urteil vom 16. Juni 1971 II R 45/66, BFHE 103, 361, BStBl II 1972, 65).
a) Das Gesetz knüpft die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzung nach § 14 BHG 1964, die an die Stelle der AfA nach § 7 EStG tritt, soweit es sich um bewegliches Anlagevermögen handelt, an die Voraussetzung, daß das Wirtschaftsgut "mindestens drei Jahre nach seiner Anschaffung oder Herstellung in einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte verbleibt" (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 BHG 1964). Unter der "Anschaffung", von deren Eintritt an der Zeitraum von drei Jahren bemessen wird, ist nach dem Sinnzusammenhang des § 14 Abs. 2 Nr. 2 mit § 14 Abs. 1 BHG 1964 die Anschaffung durch den Steuerpflichtigen selbst, nicht eine solche durch einen früheren Rechtsvorgänger zu verstehen. Das Gesetz beschränkt sich darauf, das Verbleiben des Wirtschaftsguts in einer Betriebstätte in Berlin (West) für die Jahre nach der Anschaffung durch den Steuerpflichtigen zu fordern, ohne dem rechtlichen Schicksal des Wirtschaftsguts für die Zeit vor seiner Anschaffung durch den Steuerpflichtigen Bedeutung beizumessen.
b) Auch die zum Sinn des § 14 BHG 1964 vom FG angestellten Überlegungen sind nicht geeignet, eine vom Worlaut des Gesetzes abweichende Auslegung zu rechtfertigen. Der erkennende Senat teilt die Auffassung im BFH-Urteil IV 13/63 U, daß der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 14 BHG 1964 Investitionen in Berlin (West) begünstigen und die Berliner Wirtschaftskraft mit einer mehr oder minder großen Dauerwirkung stärken wollte. Wenn der BFH im Urteil IV 13/63 U daraus gefolgert hat, daß die Begünstigung insofern sach- und nicht personenbezogen sei, als es nicht entscheidend darauf ankomme, ob das Wirtschaftsgut während eines Zeitraums von drei Jahren nach der Anschaffung durch den Steuerpflichtigen gerade in dessen Betriebstätte verbleibe, so hält sich diese Auslegung im Rahmen des möglichen Wortsinnes des § 14 BHG 1964. Aus diesem Gedanken läßt sich aber nicht im Gegensatz zum Wortlaut des Gesetzes herleiten, daß die früher von einem Dritten in Anspruch genommene Vergünstigung für den Rechtsnachfolger die Möglichkeit ausschließe, seinerseits die Vergünstigung in Anspruch zu nehmen. Abgesehen davon, daß es für den Käufer eines Wirtschaftsguts häufig unmöglich sein wird, festzustellen, ob irgend jemand in der Kette seiner Rechtsvorgänger die Begünstigung des § 14 BHG 1964 bereits genutzt hat, wird der Zweck einer nachhaltigen Stärkung der Berliner Wirtschaft auch bei wortgetreuer Auslegung der Vorschrift erreicht. Wechselt ein Wirtschaftsgut im Laufe der Jahre mehrmals seinen Eigentümer, so wird durch jede Anschaffung der Anreiz verstärkt, das Wirtschaftsgut zur Erhaltung der Vergünstigung weitere drei Jahre für die Wirtschaft in Berlin (West) zu nutzen.
3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsansicht beruht, ist sie aufzuheben. Das gilt auch, soweit das Streitjahr 1966 betroffen ist. Das FG hat zwar im einzelnen dargelegt, daß am 31. Dezember 1966 eine Betriebstätte der KG im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 BHG 1964 in Verbindung mit § 16 StAnpG nicht bestanden habe. Die Vorinstanz hat es aber ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob der Ansicht von Masuch (a. a. O.) zuzustimmen sei, daß auch schon eine intensive Vorbereitungsarbeit zur Schaffung einer Berliner Betriebstätte ausreichen könne, um die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1 BHG 1964 als erfüllt anzusehen. Desgleichen hat das FG zwar im Streitfall eine Verletzung des § 6 StAnpG als naheliegend bezeichnet, aber auch diese Frage nicht abschließend geklärt. Sie kann nach der vom Senat vertretenen Auslegung des § 14 BHG 1964 und angesichts des vom FG festgestellten Sachverhalts - insbesondere der in beiden Personengesellschaften bestehenden Beteiligungsverhältnisse und der verwandtschaftlichen Beziehungen der Geesllschafter - wesentliche Bedeutung erlangen. Auf die Verfahrensrügen der Kläger braucht der Senat, da die Sache ohnedies zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen wird, nicht näher einzugehen. Durch die Zurückverweisung erlangt das FG auch Gelegenheit, eingehender zu prüfen, ob das FA für das Jahr 1967 die streitigen Lotsengelder zu Recht nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 71178 |
BStBl II 1975, 102 |
BFHE 1975, 136 |