Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Nettolohnvereinbarung und zu Verfahrensfragen infolge äußerer Verbindung von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden

 

Leitsatz (NV)

1. War im finanzgerichtlichen Verfahren von einem äußerlich verbundenen Haftungs- und Nachforderungs-(Pauschalierungs-)Bescheid zuletzt nur noch der Nachforderungsteil im Streit, kann mit der Revision eine Aufhebung des Haftungsbescheides nicht mehr verfolgt werden.

2. Eine Nettolohnvereinbarung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn sich der Arbeitgeber bereits vor Durchführung einer Lohnsteuer-Außenprüfung entschließt, für den Fall, daß eine gewährte Sonderzuwendung nicht steuerfrei sein sollte, die darauf entfallende pauschalierte Lohnsteuer zu übernehmen.

 

Normenkette

FGO § 138; EStG § 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Kreditinstitut. Sie zahlte Auszubildenden anläßlich der Kaufmannsgehilfenprüfung nach dem Prüfungsergebnis gestaffelt Geldprämien zwischen 100 DM und 500 DM, die sie als Gelegenheitsgeschenke nicht der Besteuerung unterwarf. Einem Vorstandsbeschluß zufolge sollte die Steuer von der Klägerin übernommen werden, soweit diese Beträge von den Mitarbeitern zu versteuern seien. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung erfaßte der Prüfer die Prämien mit Ausnahme der Fälle, in denen die Zuwendung lediglich 100 DM betragen hatte. Den ermittelten Betrag bezog der Prüfer mit einem Pauschsteuersatz 1976 von 30,44 v. H. und 1977 von 27,11 v. H. in die nachzufordernden Beträge ein.

Die insgesamt nachzufordernde Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer in Höhe von X DM wurde vom Prüfer im Bericht auf acht Sachkomplexe aufgeteilt, unter der jeweiligen Textziffer näher erläutert und betragsmäßig jeweils den Streitjahren 1975 bis 1977 zugeordnet. Des weiteren ist dargelegt, daß die Steuern mit Ausnahme des Komplexes private PKW-Benutzung auf Antrag des Arbeitgebers mit einem Pauschsteuersatz ermittelt worden seien, wobei in den Erläuterungen jeweils § 40 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Pauschalierungsvorschrift angegeben ist. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) forderte von der Klägerin mit Bescheid vom 12. Januar 1978 die erwähnten X DM nach.

Der Einspruch, mit dem sich die Klägerin gegen die Besteuerung zu den Pauschalierungskomplexen ,,Verwaltungsratvergütungen" und ,,Gelegenheitsgeschenke" (Prüfungsprämien) wandte, hatte keinen Erfolg. Mit der Klage verfolgte die Klägerin ihr Einspruchsbegehren weiter. Im Verlaufe des Klageverfahrens erließ das FA am 13. Oktober 1980 einen Bescheid, in welchem Haftungs- und pauschalierte Steuerschuld eindeutig getrennt und letztere zum Punkt Verwaltungsratvergütung herabgesetzt wurde. Die Klägerin erklärte den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens (§ 68 des Finanzgerichtsordnung - FGO -) und beantragte, die nachgeforderte Steuer um die auf die Prüfungsprämien fallende Steuer, hilfsweise, auf den bei einer Bruttobesteuerung sich ergebenden Betrag zu ermäßigen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 630 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.

1. Die Klägerin ist der Ansicht, ein geänderter Haftungsbescheid hätte nicht ergehen dürfen, da es keinen Haftungserstbescheid gegeben habe. Der Bescheid vom 12. Januar 1978 sei insgesamt ein Steuerbescheid gewesen, der - zu Unrecht - auch den Haftungssachverhalt private PKW-Benutzung enthalten habe. Die unaufgegliederte Zusammenfassung von Haftungs- und Steuerschuld in einem Bescheid stelle einen Mangel dar, auf den auch schon in der Klagebegründung hingewiesen worden sei. Dieser Mangel habe im Klageverfahren nicht mehr geheilt werden können. Der Haftungsänderungsbescheid sei daher ersatzlos aufzuheben.

2. Der Bescheid sei bezüglich der für die Geldprämien anläßlich der Kaufmannsgehilfenprüfung erhobenen pauschalierten Lohnsteuer dem Grunde und der Höhe nach rechtsfehlerhaft.

a) Zuwendungen seien als Gelegenheitsgeschenke steuerfrei, wenn sie aus einem besonderen persönlichen, nicht oft wiederkehrenden Anlaß gewährt würden, Art und Wert der Gabe nicht ungewöhnlich und übermäßig seien und der Gedanke der Aufmerksamkeit und Ehrung und nicht der Entlohnung für geleistete Dienste im Vordergrund stehe. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor.

b) Im übrigen sei bei nach § 40 Abs. 1 EStG pauschaliert besteuertem Arbeitslohn ein Brutto- und nicht ein Nettosteuersatz anzuwenden.

Die Klägerin beantragt, den Haftungsänderungsbescheid ersatzlos aufzuheben und die im Nachforderungsänderungsbescheid festgesetzte Steuer um die auf die Geldprämien entfallenden Beträge zu ermäßigen, hilfsweise, die Prämien des Jahres 1976 lediglich mit einem Steuersatz von 23,33 v. H. und des Jahres 1977 mit 21,33 v. H. zu besteuern.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist, soweit mit ihr die Aufhebung des Haftungsbescheides vom 13. Oktober 1980 begehrt wird, unzulässig. Im übrigen führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Es kann dahinstehen, ob der Bescheid vom 12. Januar 1978 fehlerhaft war, da etwaige Mängel eines später geänderten Bescheides nicht zum Tragen kommen, solange der Änderungsbescheid Bestand hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791, m.w.N.). Daß der Nachforderungsänderungsbescheid vom 13. Oktober 1980 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1984 VI R 176/82, BFHE 143, 27, BStBl II 1985, 266) und daß er gemäß § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens werden konnte, zieht auch die Klägerin zu Recht nicht in Zweifel.

Im Revisionsverfahren ist nur eine Überprüfung dieses Nachforderungsänderungsbescheides wegen Erhebung pauschaler Lohnsteuer bezüglich der Geldprämien möglich, weil die Klägerin vor dem FG ihren Antrag auf - teilweise - Aufhebung dieses Bescheides beschränkt, im übrigen aber den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat. Damit war eine Sachentscheidung über den Haftungsbescheid vom 13. Oktober 1980, auch wenn er ursprünglich Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens geworden war, nicht mehr zu treffen. Eine Anfechtung oder ein Widerruf der Erledigungserklärung (vgl. hierzu BFH-Beschluß vom 15. Februar 1968 V B 46/67, BFHE 91, 514, BStBl II 1968, 413) ist nicht erfolgt. Eine Erweiterung des Klagebegehrens in der Revisionsinstanz ist nicht zulässig (BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522).

2. Die Einwendungen der Klägerin gegen den Pauschalierungsbescheid sind nur hinsichtlich des Steuersatzes begründet.

a) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 22. März 1985 VI R 26/82 (BFHE 143, 539, BStBl II 1985, 641) unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zu den sog. Gelegenheitsgeschenken entschieden, daß Lehrabschlußprämien an Auszubildende im Bankgewerbe, die nach dem Prüfungsergebnis gestaffelt in Höhe von 150 bzw. 300 DM gewährt werden, steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen. Wegen der Begründung im einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil verwiesen, von dem ein Abdruck beigefügt wird. Danach sind auch die im Streitfall erfaßten Prämien steuerpflichtig.

b) Nach den Feststellungen des FG wurde im angegriffenen Pauschalierungsbescheid die auf die Lehrabschlußprämien nachgeforderte Steuer mit einem sog. Nettosteuersatz (Steuer auch auf die Steuer) erhoben. Dies war vor Änderung der Rechtslage durch § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes vom 20. Dezember 1982 - EStG n.F. - (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) grundsätzlich nicht zulässig.

Wie der Senat im Urteil vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) näher begründet hat, schloß der Charakter der nach § 40 Abs. 1 EStG 1975 pauschalierten Lohnsteuer als Unternehmenssteuer eigener Art es aus, daß der zu ermittelnde Pauschsteuersatz auf einen (höheren) Nettosteuersatz hochgerechnet wurde. Ob etwas anderes galt, wenn mit Pauschalierungsbescheid Lohnsteuer wegen einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten Nettolohnvereinbarung nacherhoben wurde (vgl. hierzu Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 40 Anm. 5 m.w.N.), kann dahinstehen. Denn eine Nettolohnvereinbarung ist im Streitfall nicht getroffen worden. Diese hätte eine Abrede der Parteien des Ausbildungsdienstverhältnisses vorausgesetzt, daß das Arbeitsentgelt als Nettolohn gezahlt werde, der Arbeitnehmer also den als Nettolohn vereinbarten Betrag ungekürzt um sämtliche oder bestimmte gesetzliche Abgaben erhalte und der Arbeitgeber sich verpflichtet, diese Beträge für den Arbeitnehmer zu tragen. Da es sich bei einer Nettolohnvereinbarung um eine Ausnahmeregelung handelt, trifft denjenigen, der sich darauf beruft, eine erhöhte Nachweispflicht (BFH-Urteile vom 18. Mai 1972 IV R 168/68, BFHE 106, 192, BStBl II 1972, 816, und vom 12. Dezember 1979 VI R 118/76, BFHE 129, 377, BStBl II 1980, 257). Selbst wenn - was nicht festgestellt ist - der Vorstandsbeschluß, eine etwa anfallende Steuer zu übernehmen, bekanntgegeben worden sein sollte, ist daraus eine Nettolohnvereinbarung noch nicht herzuleiten. Eine solche ist regelmäßig weder der Erklärung des Arbeitgebers, einen bestimmten Betrag ,,steuerfrei" zuzuwenden, zu entnehmen (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 18. Januar 1974 3 AZR 183/73, Der Betrieb - DB - 1974, 778), noch einem Entschluß, das Pauschallohnsteuerverfahren anzuwenden (BAG-Urteil vom 22. Juni 1978 3 AZR 156/77, DB 1978, 2081). Der Senat mißt dem Vorstandsbeschluß im Streitfall keine andere Bedeutung bei, als wenn er erst nach Aufgreifen des Sachverhalts durch eine Lohnsteuer-Außenprüfung getroffen worden wäre.

Das FG wird nunmehr Feststellungen für die im Streitfall platzgreifenden Bruttosteuersätze zu treffen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414112

BFH/NV 1986, 56

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