Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugaben i.S. der ZugabeVO keine Geschenke
Leitsatz (amtlich)
1. Zugaben i.S. der ZugabeVO sind keine Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG. Entsprechende (Werbe-)Aufwendungen sind daher auch ohne Beachtung der besonderen Aufzeichnungsvorschriften des § 4 Abs.6 (nunmehr Abs.7) EStG als Betriebsausgaben abziehbar (Bestätigung der Entscheidungen vom 28.November 1986 III B 54/85, BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296 und vom 4.Februar 1987 I R 132/83, BFH/NV 1988, 352).
2. Für die Annahme einer Zugabe i.S. der ZugabeVO ist nicht erforderlich, daß der Kaufentschluß des einzelnen Kunden durch die subjektive Erwartung, eine "Dreingabe" zu erhalten, ausgelöst wird. Das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren der Nebenware oder Nebenleistung muß lediglich objektiv geeignet sein, Kunden in ihrer Entscheidung zu beeinflussen.
Orientierungssatz
Eine Zugabe i.S. des § 1 ZugabeVO liegt vor, wenn eine Ware oder Leistung neben einer entgeltlich bezogenen Hauptware oder Hauptleistung ohne besondere Berechnung angeboten oder angekündigt oder gewährt wird (vgl. ständige BGH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, Abs. 6-7; ZugabeO § 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Entscheidung vom 12.07.1988; Aktenzeichen 7 K 350/87) |
Tatbestand
I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Apotheker. Er buchte in den Streitjahren (1977 bis 1979) Aufwendungen für Werbeträger (Kalender, Geldbörsen, Badethermometer, Schlüsseltaschen, Kugelschreiber, Kfz-Begleiter, Uhrdater, Kinder-Trickspiele und Gipsengel mit Kerzen aus Bienenwachs) zusammen mit anderen Aufwendungen auf dem Konto "Werbung" als Betriebsausgaben. Die Einzelanschaffungskosten lagen zwischen knapp 0,80 DM (für Kalender) und knapp 3 DM (für Geldbörsen und Badethermometer). Der Kläger ließ diese Gegenstände --z.T. nur zur Weihnachtszeit-- an seine Kunden verteilen. Bedacht wurden nur solche Personen, die gerade bei ihm einkauften.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die betreffenden Aufwendungen des Klägers im Anschluß an eine Betriebsprüfung nicht (mehr) zum Abzug zu. Das FA war der Auffassung, daß die Werbeträger als Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgegeben worden seien; die Aufwendungen dafür könnten daher wegen fehlender getrennter Aufzeichnung gemäß § 4 Abs.6 (jetzt Abs.7) EStG bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigt werden.
Nach erfolglosem Einspruchs- und Klageverfahren gegen die Änderungsbescheide für die Einkommensteuer 1977 bis 1979 und den Gewerbesteuermeßbetrag 1979 verwies der damals zuständige I.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) die Sache mit Urteil vom 4.Februar 1987 I R 132/83 (BFH/NV 1988, 352) an das Finanzgericht (FG) zurück.
Der I.Senat ging in seiner Entscheidung davon aus, daß der Geschenkbegriff des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG dem Begriff der bürgerlich-rechtlichen Schenkung entspreche (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 18.Februar 1982 IV R 46/78, BFHE 135, 206, BStBl II 1982, 394). Deswegen handele es sich nicht um ein Geschenk, wenn auch nur eine Seite eine entgeltliche Zuwendung annehme. Beachtlich seien insofern jedoch nur erklärte Absichten und Erwartungen.
Weiter wies der I.Senat darauf hin, daß nach dem Beschluß des III.Senats des BFH vom 28.November 1986 III B 54/85 (BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296) Zugaben im Sinne der Zugabeverordnung (ZugabeVO) allerdings keine Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG seien. Er führte dazu --nach Darstellung der zivilrechtlichen Anforderungen an den Begriff der Zugabe-- abschließend aus: Wegen der akzessorischen Verknüpfung mit der Hauptleistung könne die Zugabe im Sinne der ZugabeVO für sich allein nicht als Geschenk angesehen werden. Sie sei, soweit die Verknüpfung für den Kunden auch erkennbar sei, Teil des Leistungsaustausches.
Da das FG die näheren Voraussetzungen der ZugabeVO nicht geprüft hatte, hob der I.Senat dessen Entscheidung auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Er gab dem FG auf, die näheren Umstände der Kaufabschlüsse und der Verteilung der "Werbegaben" festzustellen.
Das FG vernahm im zweiten Rechtsgang zwei Kunden und zwei beim Kläger tätig gewesene Apothekerhelferinnen als Zeugen und hörte den Kläger auch persönlich an. Außerdem lag ihm eine eidesstattliche Versicherung des Apothekerassistenten des Klägers vor.
Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse kam das FG zum Ergebnis, der Kläger habe seinen Kunden Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG gemacht, deren Anschaffungskosten gesondert aufzuzeichnen gewesen wären, und wies die Klage als unbegründet ab.
Es stellte dabei entscheidend darauf ab, daß die von ihm als Zeugen gehörten Kunden durch die erhaltenen Werbeträger nicht zu den zuvor getätigten Einkäufen veranlaßt worden seien. Auch alle übrigen Kunden seien nachträglich gleichsam "überrascht" worden. Damit fehle es an dem für die Annahme einer Zugabe im Sinne der ZugabeVo charakteristischen Beeinflussungsmoment.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er führt u.a. aus, er sei nach wie vor der Auffassung, daß es sich bei den von ihm abgegebenen Werbeträgern um Zugaben handele, die als betrieblich veranlaßte Ausgaben den Gewinn minderten. Zugaben seien keine Geschenke, sondern Waren oder Leistungen, die neben einer Hauptware ohne besonderes Entgelt mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware angeboten, angekündigt oder gewährt würden. Daneben sei noch von Bedeutung, daß die Zugabe objektiv geeignet sei, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen (Hinweis auf das zurückverweisende Urteil in BFH/NV 1988, 352). Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß der Erwerb der Hauptware die Voraussetzung dafür bildete, daß dem Kunden die Zugabe gewährt wurde. Die streitigen Zuwendungen seien demnach nicht als Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG anzusehen.
Der Kläger begehrt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1977 bis 1979 sowie den Gewerbesteuermeßbescheid 1979 in der Gestalt der jeweiligen Einspruchsentscheidung unter Zugrundelegung eines um die Aufwendungen für die Werbeträger geminderten Gewinnes zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen; hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist insbesondere der Auffassung, der Kläger habe nicht --wie von § 120 Abs.2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gefordert-- die verletzte Rechtsnorm bezeichnet.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist zulässig und begründet.
1. Entgegen der Auffassung des FA ist eindeutig erkennbar, daß der Kläger § 1 der ZugabeVO und § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG für unzutreffend angewendet und damit verletzt hält. Die Angabe aller einschlägigen Paragraphen ist nicht erforderlich (vgl. hierzu z.B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 120 Anm.31, m.w. Hinweisen).
2. Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß es sich bei den vom Kläger in den Streitjahren abgegebenen Werbeträgern um Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG gehandelt habe und deswegen für einen Abzug der betreffenden Aufwendungen als Betriebsausgaben eine gesonderte Aufzeichnung erforderlich gewesen wäre. Der Kläger hat seinen Kunden vielmehr Zugaben im Sinne der ZugabeVO gewährt, für deren Anschaffungskosten die Aufzeichnungsvorschrift des § 4 Abs.6 (jetzt Abs.7) EStG nicht gilt.
Das FG hat den Begriff der Zugabe i.S. des § 1 der ZugabeVO verkannt.
a) Eine Zugabe im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn eine Ware oder Leistung neben einer entgeltlich bezogenen Hauptware oder -leistung ohne besondere Berechnung angeboten oder --insoweit über die im zurückverweisenden Urteil des I.Senats enthaltene Definition hinaus-- angekündigt oder gewährt wird (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH--; zuletzt Urteil vom 29.April 1993 I ZR 92/91, Betriebs-Berater --BB-- 1993, 1614).
Dabei muß der Erwerb der Nebenware --wie auch der I.Senat des BFH in seiner zurückverweisenden Entscheidung im ersten Rechtsgang (BFH/NV 1988, 352) ausgeführt hat-- vom Erwerb der Hauptware abhängig sein. Es muß insoweit --so auch der I.Senat weiter-- ein innerer Zweckzusammenhang in der Weise bestehen, daß die Nebenware mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware angeboten (oder auch angekündigt oder gewährt) wird und wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Wegen dieser akzessorischen Verknüpfung mit der Hauptleistung kann die Zugabe im Sinne der ZugabeVO für sich allein nicht als Geschenk angesehen werden (so schon der Beschluß des erkennenden Senats in BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296). Sie ist vielmehr, soweit die Verknüpfung für den Kunden auch erkennbar ist, Teil des hauptsächlichen Leistungsaustausches.
b) Diese Grundsätze entsprechen zum überwiegenden Teil der bereits im Beschluß in BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296 geäußerten Auffassung des erkennenden Senats. Sie wieder aufzugeben, besteht keine Veranlassung. Der Beschluß hat seinerzeit im Schrifttum grundsätzlich Zustimmung erfahren (s. insbesondere Bordewin, Rechts- und Wirtschaftspraxis --RWP-- 1987/1156 SG 1.3, 1999, und Offerhaus, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1987, 88; im Ergebnis auch Arndt, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Anm., Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs.5, Rechtsspruch 13). Er wurde zwischenzeitlich auch in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) berücksichtigt (s. EStR 1990, Abschn.20, Abs.3 Satz 5 Nr.4).
Soweit der I.Senat in seiner zurückverweisenden Entscheidung die Aussagen des erkennenden Senats ergänzt hat, schließt dieser sich den betreffenden Rechtsgrundsätzen (insbesondere zur Erkennbarkeit der Verknüpfung von Haupt- und Nebenleistung für den Kunden) an.
c) Wendet man die o.g. Grundsätze zur Abgrenzung der Zugabe vom Geschenk, an die das FG bei seiner Entscheidung bereits gemäß § 126 Abs.5 FGO gebunden gewesen wäre, in ihrer Gesamtheit auf die vom FG im zweiten Rechtsgang festgestellten tatsächlichen Verhältnisse an, so handelte es sich bei den an die Kunden des Klägers verteilten Werbeträgern --entgegen der Auffassung des FG-- nicht um Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG, sondern um Zugaben im Sinne der ZugabeVO.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme waren die streitigen Werbeartikel nur an Personen abgegeben worden, die beim Kläger etwas gekauft hatten. Auch die beiden als Zeugen gehörten Kunden,an deren Glaubwürdigkeit das FG nicht gezweifelt hat, waren der Auffassung, daß sie die Gegenstände ohne einen Einkauf beim Kläger nicht erhalten hätten. Bei der Abgabe der Werbeträger war grundsätzlich kein Unterschied zwischen Stamm- und Laufkundschaft gemacht worden.
Daraus folgt zum einen mit hinreichender Deutlichkeit, daß der Erhalt der Werbeträger jeweils vom Erwerb der Hauptware abhängig war und daß diese Verknüpfung auch für die Kunden erkennbar war.
Zu Unrecht hat das FG in diesem Zusammenhang zusätzlich verlangt, daß der Kaufentschluß des einzelnen Kunden außerdem durch die subjektive Erwartung, eine "Dreingabe" zu erhalten, hätte ausgelöst sein müssen. Das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren der Nebenware oder -leistung muß lediglich objektiv geeignet sein, den Kunden in seiner Entschließung zu beeinflussen (vgl. z.B. von Godin, Wettbewerbsrecht, 2.Aufl., S.489). Es genügt z.B., Kunden zu veranlassen, den nächsten Einkauf wieder im selben Geschäft zu tätigen (s. hierzu das Urteil des Oberlandesgerichts --OLG-- Hamm vom 23.Mai 1991 4 U 14/91, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1992, 495).
Die Auffassung des FG würde im übrigen --konsequent zu Ende gedacht-- dazu führen, daß die Zugabewerbung in Form der "Gewährung" praktisch vom Verbot des § 1 Abs.1 der ZugabeVO ausgenommen wäre. Dem widersprechen aber der klare Wortlaut des Gesetzes und die Rechtspraxis. Nach allgemeiner Meinung stehen die drei Formen der Zugabewerbung in § 1 Abs.1 der ZugabeVO (das Anbieten, Ankündigen und Gewähren) selbständig nebeneinander. Das "Gewähren" von Zugaben ist auch verboten, wenn kein Angebot und keine Ankündigung vorausgegangenen sind (s. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17.Aufl., § 1 ZugabeVO, Anm.28 und 31, jeweils mit Rechtsprechungshinweisen). Entsprechend diesen Grundsätzen beurteilt denn auch die Zivilrechtsprechung die Abgabe von Werbeartikeln in Apotheken als Zugaben (s. hierzu aus jüngerer Zeit die Urteile des OLG Hamm in NJW-RR 1992, 495, und des OLG Frankfurt vom 2.Mai 1991 6 U 188/90, NJW-RR 1992, 496).
d) Aus den vom FG getroffenen Feststellungen und den oben dargelegten Rechtsgrundsätzen folgt schließlich, daß --entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung-- auch keine Zweck- oder sog. belohnenden Schenkungen vorlagen. Für die Annahme derartiger Schenkungen ist --wegen der im Streitfall vorliegenden Akzessorietät des Erwerbs von Haupt- und Nebenware-- schon aus rechtssystematischen Überlegungen kein Raum mehr. Zugaben im Sinne der ZugabeVO und Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG schließen einander aus.
e) Ob die vom Kläger gewährten Zugaben wettbewerbsrechtlich erlaubt oder verboten waren, ist nicht zu prüfen (s. hierzu schon den Beschluß des Senats in BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296). Für die steuerrechtliche Beurteilung ist allein entscheidend, daß keine Geschenke i.S. des § 4 Abs.5 Satz 1 Nr.1 EStG vorlagen und mithin eine gesonderte Aufzeichnung der betreffenden Aufwendungen für einen Abzug als Betriebsausgaben nicht erforderlich war.
3. Das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidungen des FA waren demnach aufzuheben.
Die vom Kläger in den Streitjahren für die Anschaffung der streitigen Werbeartikel getätigten Aufwendungen sind als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Die Übertragung der Neufestsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 1977 bis 1979 und des Gewerbesteuermeßbetrages für das Jahr 1979 auf das FA beruht auf § 100 Abs.2 Satz 2 FGO i.d.F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21.Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90).
Fundstellen
Haufe-Index 64865 |
BStBl II 1994, 170 |
BFHE 172, 434 |
BFHE 1994, 434 |
BB 1994, 131 |
BB 1994, 698 |
BB 1994, 698-700 (LT) |
DB 1994, 407-408 (LT) |
DStR 1994, 168 (KT) |
DStZ 1994, 155 (KT) |
HFR 1994, 194-195 (LT) |
StE 1994, 26 (K) |