Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Steuerbefreiung für Bier, das während der Dauer des Besatzungsregimes an Dienststellen der Besatzungsmächte geliefert wurde.
Normenkette
BierStG § 2
Tatbestand
Streit besteht darüber, ob die ....brauerei .... in .... für ....hl Vollbier und ....hl Starkbier, die in der Zeit vom Januar 1952 bis Februar 1953 nicht unmittelbar von der Brauerei, sondern von verschiedenen Bierverlegern der Brauerei an Dienststellen der britischen Besatzungsmacht geliefert wurden, zur Biersteuer herangezogen werden kann. Während das Hauptzollamt die Steuerschuld der Beschwerdegegnerin (Bgin.) bejaht hat, stellte das Finanzgericht die Bgin. auf ihre Sprungberufung gegen den Steuerbescheid des Hauptzollamtes hinsichtlich eines Betrages von .... DM von der Biersteuer frei.
In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) macht das Hauptzollamt die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Biersteuerschuld entstehe nach dem Biersteuergesetz mit der Entfernung des Bieres aus der Brauerei und könne mangels gesetzlicher Vorschrift entgegen der Ansicht des Finanzgerichts nicht auf einen späteren Erwerber übergehen. Das Hauptzollamt stützt sich weiter auf verschiedene Erlasse des Bundesministers der Finanzen, nach denen Steuerbefreiung für Bier, das an die Besatzungsmacht geliefert wird, nur dann gewährt werden dürfe, wenn es unmittelbar von der Brauerei an die zum Bezug steuerfreien Bieres berechtigte Stelle der Besatzungsmacht geliefert wird. Diese Erlasse des Bundesministers der Finanzen seien entgegen der Ansicht des Finanzgerichts rechtswirksam, da sie nicht im Widerspruch mit Anordnungen der Besatzungsmächte stünden. Im einzelnen wird auf die Begründungsschrift des Hauptzollamts vom 13. Mai 1955 Bezug genommen.
Der Bundesminister der Finanzen, der mit Schreiben vom 22. Juni 1955 dem Verfahren beigetreten ist, bestreitet, daß seine Erlasse vom 1. Februar und 5. April 1951, die das Finanzgericht als nicht rechtswirksam angesehen hat, im Widerspruch zum Besatzungsrecht stünden; eine Anordnung der Besatzungsmächte, daß auch Bierlieferungen über den Handel steuerbefreit seien, sei nicht ergangen; die Besatzungsmächte hätten vielmehr, wie auch aus der vom Finanzgericht angeführten Anordnung Nr. 16-226 der amerikanischen Militärregierung hervorgehe, die Regelung der den Besatzungsmächten zustehenden Steuerfreiheit den deutschen Behörden überlassen und den in seinen Erlassen vertretenen Standpunkt, daß nach dem deutschen Rechtssystem und aus Gründen der Steueraufsicht nur bei unmittelbarer Belieferung der Besatzungsdienststellen durch die Brauereien Steuerbefreiung gewährt werden könne, anerkannt, wie aus Anordnungen des Amerikanischen und Britischen Hohen Kommissars hervorgehe. Auch der Bundesminister der Finanzen lehnt mangels einer Rechtsgrundlage die rechtliche Konstruktion des Finanzgerichts über das Entstehen einer bedingten Steuerschuld bei Einschaltung des Handels ab.
In ihrer Erwiderung auf die Rb. des Hauptzollamts bestreitet die Bgin., daß der Bundesminister der Finanzen auf Grund von Anordnungen der Besatzungsmacht berechtigt gewesen sei, einengende Bestimmungen hinsichtlich der Bezugsquellen des steuerfreien Bieres zu erlassen. Mit dem Finanzgericht ist sie der Ansicht, daß es auch steuerrechtlich keinen Unterschied ausmachen kann, ob die Belieferung der Besatzungsdienststellen durch die Brauerei unmittelbar oder durch Verleger der Brauerei erfolgt. Das vom Bundesminister der Finanzen angeordnete Lieferungsverfahren sei in der Praxis, jedenfalls für Versandbrauereien, zu denen die Bgin. gehöre, nicht durchführbar und verhindere eine schnelle Belieferung der Besatzungsdienststellen mit steuerfreiem Bier. Schließlich rügt die Bfin., daß der grundlegende Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 1. Februar 1951 nicht ordnungsgemäß im Bundesanzeiger veröffentlicht worden sei. Im einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 30. Juni 1955 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Hauptzollamts hat Erfolg.
Deutschland befand sich während der Dauer des Besatzungsregimes seit der Besetzung durch die vier alliierten Mächte im Zustand der occupatio bellica, die die tatsächliche Herrschaft des Besatzungsheeres voraussetzt und deren Willen, diese Herrschaftsgewalt bis zur Entscheidung über das endgültige Schicksal des besetzten Gebietes auszuüben, in sich schließt. Nach den anerkannten Regeln des Völkerrechts sind fremde Truppenkörper exterritorial, einerlei, ob der Aufenthalt auf der Bewilligung des Aufenthaltsstaates beruht oder nicht. Auch ein Invasionsheer trägt daher sein heimatliches Recht im Okkupationsgebiet mit sich und bleibt nur ihm unterworfen. Die im völkerrechtlichen Sinne exterritoriale Truppe ist deshalb von persönlichen Steuern und Abgaben befreit (Liszt-Fleischmann, Das Völkerrecht, 12. Auflage 1925 S. 135, 489).
Dieser völkerrechtliche Grundsatz fand auch seinen Niederschlag in Anordnungen der amerikanischen und britischen Militärregierung. Nach der Anordnung der amerikanischen Militärregierung Nr. 16-226 in der Fassung vom 19. April 1948 betreffend die Besteuerung von alliierten Streitkräften (abgedruckt in Steuer und Wirtschaft 1950 Sp. 332) sind die Besatzungsmächte, ihre angegliederten oder untergeordneten Dienste, Organisationen und Dienststellen, gewisse nichtdeutsche Dienststellen, Missionen oder andere Organisationen sowie ferner Angehörige der Vereinten Nationen und neutraler Länder, die als Angestellte oder Mitglieder vorstehend genannter Organisationen oder Dienststellen Dienst tun, von Steuern, Zöllen und anderen Abgaben grundsätzlich befreit. In ähnlicher Weise bestimmt u. a. auch die vom Bundesminister der Finanzen in seinem Beitrittschreiben angeführte, an den Bürgermeister der Stadt Hamburg ergangene Anweisung der britischen Militärregierung vom 4. Dezember 1945, daß die alliierten Behörden keine deutschen Steuern auf Beschaffungen zu zahlen haben, die durch Requisitionsscheine .... vorgenommen wurden. Diese Anordnungen der amerikanischen und britischen Militärregierung regelten zunächst das völkerrechtlich anerkannte Recht der Besatzungsmächte auf Steuerfreiheit und den Kreis der steuerbefreiten Personen usw. der Besatzungsmächte. Die Anordnungen schufen aber auch gleichzeitig außerhalb der geltenden deutschen Steuergesetze mit Gesetzeskraft eine Steuerbefreiung für Lieferungen an die Besatzungsmacht, auf die ein im Rechtsmittelverfahren verfolgbarer Rechtsanspruch besteht. Auch diese Steuerbefreiungen beruhten daher auf Besatzungsrecht.
Steuerbefreiungen werden nach den deutschen Steuergesetzen nur den Steuerschuldnern gewährt, also denjenigen, die den eine Steuerschuld begründenden Tatbestand verwirklichen. Dieser Grundsatz muß auch für die auf Besatzungsrecht beruhenden Steuerbefreiungen solange gelten, als die Besatzungsmächte nichts anderes angeordnet haben.
Vorstehende Ausführungen galten auch für Bier, das die Besatzungsmächte für ihren Verbrauch aus dem Geltungsbereich des Biersteuergesetzes bezogen. Da nach § 2 des Biersteuergesetzes die Biersteuerschuld mit der Entfernung aus der Brauerei in der Person des Inhabers der Brauerei entsteht, konnten daher schon nach dem Besatzungsrecht Steuerbefreiungen nur bei unmittelbaren Lieferungen von der Brauerei an die steuerbegünstigten Besatzungsdienststellen wirksam werden. Eine Ausnahme würde gelten, wenn die Besatzungsmächte - im Streitfalle die britische Besatzungsmacht - auch eine steuerbefreite Lieferung über den Handel oder eine Vergütung für über den Handel geliefertes versteuertes Bier angeordnet hätten. Dies war aber, worauf auch der Bundesminister der Finanzen unter Darlegung der historischen Entwicklung und der mit den Besatzungsmächten wegen der steuerfreien Lieferung von Bier gepflogenen Erörterungen und des früheren Schriftwechsels überzeugend hinweist, weder in der Zeit des Bestehens der Militärregierungen noch während der Geltung des Besatzungsstatuts geschehen.
Es bedeutete daher entgegen der Ansicht des Finanzgerichts keinen Verstoß gegen Besatzungsrecht, wenn der Bundesminister der Finanzen in Durchführung der Anordnungen der Besatzungsmächte und unter Berücksichtigung der materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften des Biersteuergesetzes in seinen Erlassen vom 1. Februar 1951 III V 2100 - 23/50 und vom 5. April 1951 III V 2100 - 8/51 bestimmte, daß die Steuerbefreiung nur für das Bier gewährt werden dürfe, das von der Brauerei unmittelbar an eine zum Bezug steuerfreien Bieres berechtigte Dienststelle der Besatzungsmacht geliefert wird. Diese Erlasse sollten und konnten nicht Recht schaffen, sondern dienten als Verwaltungsanweisungen zur Klarstellung dessen, was nach dem Besatzungsrecht und nach dem Biersteuergesetz rechtens war. Diese Verwaltungsanweisungen waren nach dem Beitrittschreiben des Bundesministers der Finanzen notwendig geworden, um Ungleichmäßigkeiten bei der steuerfreien Lieferung von Bier an Besatzungsdienststellen im Bundesgebiet und daraus sich ergebende Wettbewerbsschwierigkeiten für verschiedene Brauereien zu beseitigen.
Rechtlich unerheblich ist es, ob die Besatzungsmächte die Erlasse des Bundesministers der Finanzen gekannt oder, wie der Bundesminister der Finanzen in seinem Beitrittschreiben dargetan hat, gebilligt haben. Für die Billigung spricht auch die Regelung des Art. 3 des Steuerabkommens des am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichneten und am 5. Mai 1955 in Kraft getretenen Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesgesetzblatt 1955 II S. 469, 628), wonach Bier von der Verbrauchsteuer befreit ist, wenn es von den Streitkräften unmittelbar aus einem inländischen Herstellungsbetrieb durch die amtlichen Beschaffungsstellen der Streitkräfte zum Verbrauch durch die Streitkräfte oder ihre Mitglieder bezogen wird.
Bei der gegebenen Rechtslage erübrigt es sich, auf die Ausführungen des Finanzgerichts über das Entstehen einer bedingten Steuerschuld bei der nach seiner Ansicht zulässigen Belieferung der Besatzungsdienststellen über den Handel einzugehen.
Der Einwand der Bgin., daß die Erlasse des Bundesministers der Finanzen nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden seien und daher der Rechtskraft entbehrten, ist unbegründet. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei diesen Erlassen um Verwaltungsanweisungen zur Verwirklichung der von den Besatzungsmächten angeordneten Steuerbefreiung. Solche Verwaltungsanweisungen bedürfen nicht der für Rechtsverordnungen vorgeschriebenen Form der Veröffentlichung. Es genügt, wenn sie den interessierten Kreisen zur Kenntnis gebracht worden sind. Dies ist im Streitfalle der Bgin. gegenüber geschehen. Der grundlegende Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 1. Februar 1951 wurde der Bgin. abschriftlich mit Schreiben des Hauptzollamts vom 14. Februar 1951 mitgeteilt.
Demgemäß war die Vorentscheidung hinsichtlich der nur angefochtenen Freistellung der Bgin. von der Nachforderung für ... DM an Biersteuer einschließlich der Kostenentscheidung, da das Finanzgericht von rechtsirrigen Voraussetzungen ausgegangen ist, aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 408372 |
BStBl III 1956, 63 |
BFHE 1956, 168 |
BFHE 62, 168 |