Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wenn auch in der Regel Zahlungen, die während des Laufs einer Steuerstundung auf einen Kapitalansammlungsvertrag geleistet wurden, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können, so sind doch Ausnahmen möglich, wenn nach den Umständen ausnahmsweise ein illoyales Verhalten des Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt nicht vorliegt.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 2, § 52 Abs. 8
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen haben am 16. Februar 1955 für die nach dem Einkommensteuerbescheid für 1953 zu leistende Abschlußzahlung von 3.548,87 DM Stundung beantragt und vorgeschlagen, daß bis 10. März und 15. April 1955 je 1.200 DM und bis 10. Mai 1955 1.148,87 DM gezahlt werden sollten. Der Antrag wurde mit erheblichen betrieblichen Zahlungsverpflichtungen begründet. Das Finanzamt stundete die Abschlußzahlung entsprechend diesem Antrag. Die Steuerpflichtigen leisteten die zugesagten Teilzahlungen termingemäß. Am 18. März 1955 zahlten sie 900 DM auf ein steuerbegünstigtes Sparkonto, die bei der Einkommensteuerveranlagung für 1955 zunächst als Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Eine Betriebsprüfung führte zu einer Berichtigung der Einkommensteuerveranlagung für 1955 und zur Versagung des Abzugs dieser 900 DM als Sonderausgabe. Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg
Das Finanzgericht berücksichtigte dagegen die streitige Einzahlung als Sonderausgabe. Zur Begründung führte es aus, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien zwar "in der Regel" während des Laufs einer Steuerstundung auf einen Kapitalansammlungsvertrag geleistete Zahlungen keine Sonderausgaben. Mithin könnten sie aber ausnahmsweise doch berücksichtigt werden. Ein solcher Ausnahmefall sei hier gegeben. Die Steuerpflichtigen hätten die letzte Stundungsrate am 10. Mai 1955 bezahlt. Da sie im Jahre 1955 keinen Bankkredit in Anspruch genommen hätten, wäre die Steuervergünstigung ohne weiteres gewährt worden, wenn sie die Einzahlung auf das Sparkonto erst am 10. Mai 1955 geleistet hätten. Nach § 33 EStDV 1955 wäre auch die Rückzahlungsfrist die gleiche gewesen. Der Gesetzgeber habe in dieser Vorschrift zur Vereinfachung für alle steuerbegünstigten Einzahlungen auf Kapitalansammlungsverträge eines Kalenderhalbjahres den gleichen Rückzahlungstermin festgelegt. Unter diesen Umständen sei es nicht sinnvoll, bei der Frage, ob ein Sparen mit Kredit vorliege, auf ein strenges Stichtagsprinzip abzustellen.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt Verletzung des geltenden Rechts. Er führt aus, die in § 33 EStDV 1955 enthaltene Regelung über die Rückzahlung von steuerbegünstigten Sparverträgen habe keine Bedeutung für die Frage, ob mit fremden Mitteln gespart worden sei. Die Entscheidung darüber dürfe nicht auf einem möglichen Sachverhalt gestützt werden, es sei vielmehr der tatsächliche Sachverhalt zu beurteilen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 17/61 U vom 12. Januar 1962 (BStBl 1962 III S. 129, Slg. Bd. 74 S. 337) habe klargestellt, daß Sparbeiträge, die während des Laufs einer Steuerstundung geleistet würden und die den gestundeten Steuerbetrag nicht überstiegen, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden könnten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zu der Einzahlung auf den Kapitalansammlungsvertrag haben die Steuerpflichtigen Geld verwendet, das sie am Tag der Einzahlung von einem Sparkonto der Ehefrau abgehoben hatten. Fremdmittel wurden also nicht in Anspruch genommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, deren Grundsätze zuletzt im Urteil VI 17/61 U (a. a. O.) niedergelegt wurden, können in der Regel Zahlungen, die ein Steuerpflichtiger während einer Steuerstundung auf einen Kapitalansammlungsvertrag leistet, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß Steuerpflichtige, denen Steuern gestundet wurden, in besonderem Masse zu einem loyalen Verhalten gegenüber dem Finanzamt verpflichtet seien und daß es regelmäßig Treu und Glauben widerspreche, wenn sie bei einer unvorhergesehenen Besserung ihrer Zahlungsfähigkeit Geld zur Erlangung von Steuervergünstigungen statt zur Bezahlung der gestundeten Steuern verwendeten. Ob ein illoyales Verhalten vorliegt, hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalles ab. Regelmäßig ist es zwar anzunehmen. Das Finanzgericht ist aber mit Recht der Auffassung, daß es Ausnahmefälle geben könne, in denen diese Würdigung nicht zutrifft. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist vorwiegend eine Frage der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im einzelnen Fall, an die der Senat nach § 288 Ziff. 1 AO grundsätzlich gebunden ist.
Das Finanzgericht konnte im Streitfall ohne Rechtsverstoß zur Feststellung einer solchen Ausnahme kommen. Die Steuerpflichtigen schuldeten die gestundete Steuer für Einkünfte aus ihrer Beteiligung an einer KG. Die Stundung war beantragt worden, weil die Steuerpflichtigen andere Gesellschafter abfinden mußten und dadurch eine vorübergehende Verknappung der Betriebsmittel eintrat. Für die Einzahlung auf den Sparvertrag wurden Betriebsmittel nicht in Anspruch genommen. Die Steuerpflichtigen haben die Einzahlung vielmehr aus eigenen Mitteln geleistet. Es handelte sich bei ihnen lediglich um eine Umschichtung von Privatvermögen. Die gestundete Steuer und die Einzahlung auf den laufenden Sparvertrag waren auch nicht besonders hoch. Es ist ferner wesentlich, daß die Einzahlung auf einen bereits 1954 geschlossenen Sparvertrag mit festgelegten monatlichen Raten erfolgte, die ohne steuerliche oder andere Nachteile für die Steuerpflichtigen auch erst nach Abdeckung der gestundeten Steuer hätte geleistet werden können. Es ist glaubhaft, daß die Steuerpflichtigen bei dieser Zahlung, die ausschließlich ihren privaten Bereich betraf, die ihre gewerbliche Beteiligung betreffende Steuerstundung nicht in ihre Erwägungen einbezogen haben. Unter diesen Umständen konnte das Finanzgericht annehmen, daß ein illoyales Verhalten der Steuerpflichtigen nicht vorliege. Soweit das Finanzgericht allerdings auch die Regelung in § 33 EStDV 1955 zur Begründung seiner Auffassung angeführt hat, trägt der Senat Bedenken. Da die Vorentscheidung im Ergebnis jedoch nicht zu beanstanden ist, braucht der Senat auf diese Frage nicht näher einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 410765 |
BStBl III 1963, 209 |
BFHE 1963, 572 |
BFHE 77, 1 |