Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Unterhaltsgewährung an bedürftige Personen, die steuerfreie Bezüge (z. B. Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich im Sinne des § 3 Ziff. 6 EStG 1955) haben, ist der bei der Besteuerung des Unterhaltsgewährenden berücksichtigungsfähige Höchstbetrag von 720 DM um diese Beträge zu kürzen, soweit sie 480 DM übersteigen. Die anzurechnenden Bezüge der unterhaltenen Personen sind nicht um Werbungskosten zu vermindern.
Normenkette
EStG § 33a/1; LStDV § 25a/1
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) unterstützt seine Mutter, die sich in einem Altersheim befindet und monatlich 100 DM Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich bezieht, mit Zahlungen von 50 DM im Monat. Er hat wegen dieser Zuwendungen für das Jahr 1955 die Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrags gemäß § 25 a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) 1955 (ß 33 a des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1955) beantragt. Das Finanzamt hat dem nicht entsprochen. Auch sein Einspruch hatte in diesem Punkt keinen Erfolg.
Das Finanzgericht gestand dem Bg. auf seine Berufung wegen dieser Aufwendungen einen Freibetrag von 200 DM zu. Es führte aus: Da die Bezüge der Mutter aus dem Lastenausgleich in Höhe von monatlich 100 DM nicht ausreichten, um die Kosten ihrer Unterbringung in dem Altersheim zu decken, ergebe sich für den Bg. die rechtliche und sittliche Pflicht, für ihren Unterhalt einen Zuschuß von 50 DM im Monat zu leisten, der bei Berücksichtigung der übrigen Verpflichtungen des Bg. als angemessen anzusehen sei. Der Zuschuß könne jedoch nur zum Teil gemäß § 25 a Abs. 1 LStDV 1955 (ß 33 a Abs. 1 EStG 1955) durch Gewährung eines Freibetrags berücksichtigt werden. Der im Gesetz vorgesehene Höchstbetrag von 720 DM im Jahr sei um den Betrag zu verringern, um den die Bezüge der Mutter des Bg. 480 DM überstiegen. Die Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich gehöre zu den anrechenbaren Bezügen. Diese Zuwendungen seien wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 EStG, die allerdings auf Grund des § 3 Ziff. 6 EStG 1955 von der Einkommensteuer freibleiben. Sie müßten deshalb bei der Anrechnung ebenso behandelt werden wie wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1955, mit denen der Unterstützte der Einkommensteuer unterliege. Daraus ergebe sich, daß die steuerfreien Zuwendungen der Mutter des Bg. aus dem Lastenausgleich vor der Anrechnung gleichfalls um 200 DM zu kürzen seien. Es kämen also nur 1.000 DM zur Anrechnung. Dieser Betrag übersteige die im § 25 a Abs. 1 LStDV 1955 (ß 33 a Abs. 1 EStG 1955) gesetzte Grenze um 520 DM. Der Höchstbetrag der für einen Freibetrag in Betracht kommenden Aufwendungen sei demgemäß um 520 DM zu kürzen, so daß von den Aufwendungen des Bg. nur 200 DM berücksichtigt werden könnten.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) die unrichtige Anwendung des § 25 a LStDV (ß 33 a EStG). Es sei nicht angängig, bei der Anrechnung gemäß § 25 a Abs. 1 LStDV 1955 von steuerfreien Einnahmen einen Werbungskostenabzug vorzunehmen. Die Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich gehöre zu den laufenden Bezügen im Sinne des Abschn. 39 b Abs. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1955 (Abschn. 190 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1955), die bei der Ermittlung des Freibetrags gemäß § 25 a LStDV 1955 ohne Kürzung anzurechnen seien, soweit sie 480 DM überstiegen.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. ist begründet.
Die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltszuwendungen als außergewöhnliche Belastung ist durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (Bundesgesetzblatt 1954 I S. 373) ab 1955 in § 33 a EStG neu geregelt worden. § 33 a EStG 1955 (ß 25 a LStDV 1955) hat im Gegensatz zu der bis 1954 geltenden Regelung eine weitgehende Typisierung eingeführt, die nicht nur für die Finanzverwaltung, sondern auch für die Finanzgerichte verbindlich ist. Danach können von derartigen Aufwendungen der Steuerpflichtigen höchstens 720 DM für jede unterhaltene Person im Jahr als außergewöhnliche Belastung vom Einkommen abgesetzt werden. Hat der Unterstützte "andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind", so verringern diese den berücksichtigungsfähigen Höchstbetrag von 720 DM, soweit sie über 480 DM hinausgehen.
Zu den Bezügen der unterstützten Personen, die nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 für eine Anrechnung in Betracht kommen, gehört - wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben - die Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich.
Der Annahme des Finanzgerichts, diese Zuwendungen seien von der Anrechnung um einen Werbungskostenpauschbetrag zu kürzen, kann dagegen nicht gefolgt werden. Gegen diese Auffassung spricht sowohl der Wortlaut als auch der Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Unterhaltshilfe, die die Mutter des Bg. aus dem Lastenausgleich erhält, gehört zu den Einnahmen, die im Falle einer Besteuerung der Mutter gemäß § 3 Ziff. 6 EStG 1955 von der Einkommensteuer befreit wären. Ein Abzug von Werbungskosten kommt bei derartigen steuerfreien Einnahmen nicht in Betracht, da er nur bei steuerpflichtigen Einnahmen sinnvoll ist und deshalb in § 9 EStG auch nur für diese vorgesehen ist. Dies muß auch im Falle der Anrechnung von steuerfreien Einnahmen im Rahmen des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 bei der Besteuerung desjenigen beachtet werden, der dem Empfänger einer nach § 3 EStG steuerfreien Lastenausgleichsrente Unterhaltszahlungen leistet. Diese Auslegung des § 3 EStG 1955 ergibt, daß die vom Finanzgericht vorgenommene Kürzung des Anrechnungsbetrags um einen Werbungskostenpauschbetrag von 200 DM im Gesetz keine Grundlage hat.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 33 a EStG 1955. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Neuregelung erreichen, daß die den unterstützten Personen zufließenden laufenden Einnahmen gleichmäßig berücksichtigt werden bei der Gewährung von Steuerermäßigungen an diejenigen Steuerpflichtigen, die ihnen Zuwendungen zur Bestreitung des Unterhalts machen. Der Wortlaut des § 33 a Abs. 1 EStG 1955 ist allerdings nicht ganz eindeutig. Er besagt nämlich, daß nicht nur "Einkünfte" der unterstützten Personen von dem Betrag von 720 DM abgesetzt werden sollen, der bei den Unterhaltsgewährenden höchstens berücksichtigt werden kann, sondern außerdem auch die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmten und geeigneten "Bezüge" dieser unterhaltenen Personen; sowohl die "Einkünfte" als auch die "Bezüge" sollen vor der Anrechnung um 480 DM vermindert werden. Im Gesetz werden also "Einkünfte" und "Bezüge" nebeneinander aufgeführt. Unter "Einkünften" sind nach der Ausdrucksweise des EStG immer die Nettoeinkünfte der sieben Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 4 EStG zu verstehen. Als "Bezüge" kommen dagegen alle anderen nicht einkommensteuerpflichtigen Roheinnahmen in Betracht, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Unterstützten bestimmt und geeignet sind. Nach dem Wortlaut der Vorschrift könnten also z. B. Ruhegehälter (ß 19 Abs. 1 Ziff. 2 EStG) und Leibrenten (ß 22 Ziff. 1 a EStG 1955) des Unterstützten nur mit dem Betrag berücksichtigt werden, der sich nach Kürzung um den in § 9 a EStG 1955 vorgesehenen Werbungskostenpauschbetrag ergibt. Alle anderen zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Unterstützten bestimmten und geeigneten Einnahmen sollen dagegen voll angerechnet werden. Diese Regelung könnte bei wörtlicher Anwendung zu einer nicht ganz verständlichen verschiedenen Behandlung wirtschaftlich ähnlich gelagerter Fälle führen. Dem Sinn und Zweck des § 33 a würde es wohl besser entsprechen, in jedem Fall die vollen eigenen Bezüge des Unterstützten anzurechnen. Etwaige Aufwendungen des Unterstützen zur Erzielung der Einkünfte sind im Freibetrag von 480 DM berücksichtigt. Offenbar sind auch die Finanzverwaltungen der Auffassung, daß grundsätzlich der volle Betrag bei der Anrechnung berücksichtigt werden sollte; denn in Abschn. 190 Abs. 3 EStR 1955 und Abschn. 39 b Abs. 4 LStR 1955 wurde - wenn auch nicht ganz übereinstimmend - angeordnet, daß für die Berechnung der Grenze von 720 DM in § 33 a EStG 1955 der volle Rentenbezug des Unterstützten, nicht nur der nach § 22 Ziff. 1 a EStG 1955 zu versteuernde Teil anzusetzen sei. Nach Auffassung des Senats würde es dem Grundsatz der geichmäßigen Behandlung wirtschaftlich ähnlich gelagerter Fälle besser entsprechen, in allen Fällen die vollen Bezüge des Unterstützten, soweit sie 480 DM jährlich übersteigen, bei der Anrechnung zu berücksichtigen. Diese Auslegung würde dem Ziel, das der Gesetzgeber mit der Neuregelung im § 33 a Abs. 1 EStG 1955 angestrebt hat, auch am besten entsprechen.
Einer abschließenden Stellungnahme zu dieser Zweifelsfrage bedarf es im Streitfall aber nicht. Wie bereits ausgeführt wurde, bietet jedenfalls das Gesetz keine Grundlage, Bezüge, die nach § 3 EStG steuerfrei sind, um bestimmte Beträge zu kürzen. Soweit solche Bezüge die in § 33 a Abs. 1 EStG 1955 vorgesehene Freigrenze von 480 DM jährlich übersteigen, müssen sie also voll berücksichtigt werden. Individuelle Verhältnisse der Steuerpflichtigen können bei der Neuregelung in § 33 a EStG 1955 weder von den Finanzämtern noch von den Finanzgerichten berücksichtigt werden. Ebensowenig können die Finanzgerichte angesichts der zwingenden gesetzlichen Regelung im Einzelfall entstehende Härten ausgleichen.
Demgemäß sind bei Anwendung des § 33 a Abs. 1 EStG 1955 im vorliegenden Falle die Bezüge der Mutter mit (1.200 - 480 =) 720 DM anzurechnen, so daß für eine Kürzung des Einkommens des Bg. kein Raum ist. Die Vorentscheidung, die infolge der Nichtanrechnung von 200 DM zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, muß aufgehoben werden. Die Sache ist spruchreif, da in der Rb. die anderen Punkte nicht mehr streitig sind. Der lohnsteuerfreie Betrag, der sich für den Bg. für 1955 ohne Berücksichtigung der Aufwendungen an seine Mutter nur unter Zugrundelegung seiner übrigen außergewöhnlichen Belastungen ergibt, ist um die vom Finanzgericht zu Unrecht von der Anrechnung ausgenommenen 200 DM zu kürzen und demgemäß auf 632 DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 408733 |
BStBl III 1957, 228 |
BFHE 1957, 609 |
BFHE 64, 609 |