Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt/Ausbildungsfreibetrag für 1987 in der Türkei lebendes sog. Auslandskind: Wohnsitz bei Ferienaufenthalten im Inland, zur Höhe der Freibeträge - Steuerlicher Wohnsitzbegriff/gewöhnlicher Aufenthalt
Leitsatz (amtlich)
1. Ein ausländisches Kind, das im Heimatland bei Verwandten untergebracht ist und dort die Schule besucht, ist grundsätzlich nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Dies gilt auch dann, wenn es sich in den Schulferien bei seinen Eltern im Inland aufhält.
2. Steht den Eltern eines solchen Kindes ein entsprechend den Verhältnissen des Heimatstaates bemessener geminderter Unterhaltshöchstbetrag zu, ist dieser für die Dauer der Ferienaufenthalte des Kindes im Inland nicht zu erhöhen.
3. Ist den Eltern eines Kindes nach den Grundsätzen der BFH-Urteile vom 8. Juni 1990 III R 107/88 (BFHE 161, 103, BStBl II 1990, 898) und vom 15. April 1992 III R 80/90 (BFHE 168, 316, BStBl II 1992, 896) eine Entlastung in Höhe eines Ausbildungsfreibetrags bei auswärtiger Unterbringung zu gewähren, ist diese für die Ferienzeiten, die das Kind im Haushalt der Eltern verbringt, nicht zu kürzen, wenn die Wohnung im Ausland beibehalten wird.
Orientierungssatz
1. Der Begriff des Wohnsitzes i.S. von § 1 Abs.1 EStG, § 8 AO 1977 setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinn voraus, daß der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit --wenn auch in größeren Zeitabständen-- aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinanderfolgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken reicht nicht aus. Die Wohnung muß objektiv jederzeit ihrem Inhaber (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen und subjektiv von ihm zu entsprechender Nutzung auch bestimmt sein. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem steuerlichen Wohnsitz. § 8 AO 1977 knüpft an die tatsächliche Gestaltung an, so daß auch ein Minderjähriger --abweichend von § 11 BGB und unabhängig vom Willen des gesetzlichen Vertreters-- einen steuerlichen Wohnsitz begründen kann. Die Begründung und Aufhebung des Wohnsitzes setzt einen natürlichen Willen voraus (vgl. BFH-Rechtsprechung und Literatur).
2. Für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts i.S. der Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO 1977 ist entscheidend, ob die ursprüngliche Absicht auf einen längeren Aufenthalt als sechs Monate gerichtet ist. Daran fehlt es bei nur vorübergehenden Aufenthalten eines Kindes bei seinen im Inland lebenden Eltern in der Ferienzeit.
3. Ausführungen mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG und der Finanzgerichte zum Wohnsitz eines minderjährigen ausländischen Kindes, das für mehrere Jahre zum Schulbesuch im Heimatland der Eltern untergebracht wird und sich nur in den Ferienzeiten bei den Eltern im Inland aufhält.
4. Steuerpflichtigen mit sog. Auslandskindern, die sich in Berufsausbildung befinden, ist grundsätzlich eine Steuerermäßigung gem. § 33a Abs.1, 2 EStG in der Höhe zu gewähren, wie sie für ein entsprechendes unbeschränkt steuerpflichtiges Kind in Höhe eines Kinderfreibetrags und eines Ausbildungsfreibetrags zu gewähren ist. Für die Beschränkung dieser Ermäßigung auf das angemessene und notwendige Maß (§ 33a Abs.1 Satz 4, § 33a Abs.2 Satz 3 EStG 1987) bietet die sog. Ländergruppeneinteilung einen auch von den Steuergerichten zu beachtenden Maßstab, sofern sie im Einzelfall nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Die Höhe der für ein in der Türkei lebendes Auslandskind im Jahr 19
Normenkette
EStG 1987 § 33a Abs. 1-2; EStG § 1 Abs. 1; AO 1977 §§ 8, 9 S. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute türkischer Staatsbürgerschaft, die im Inland wohnen und als Arbeitnehmer tätig sind. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1987 machten sie für ihren 1974 geborenen Sohn,der zum Schulbesuch in der Türkei untergebracht war, einen Ausbildungsfreibetrag gemäß § 33a Abs.2 Satz 1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Gewährung eines Ausbildungsfreibetrags mit dem Hinweis darauf ab, den Klägern stehe kein Kinderfreibetrag zu, und berücksichtigte für die Unterstützung des Sohnes einen Unterhaltshöchstbetrag gemäß § 33a Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG in Höhe von 1 656 DM (2/3 von 2 484 DM).
Der Einspruch und die Klage, mit der die Kläger die Gewährung eines Kinder- und eines Ausbildungsfreibetrags anstelle des gewährten Unterhaltshöchstbetrags begehrten, blieben ohne Erfolg. Die Kläger trugen vor, ihr Sohn habe bis 1986 bei ihnen im Inland gewohnt. Danach sei er zur Schulausbildung in der Türkei auswärts untergebracht gewesen. Er habe dort bei seinem Großvater gelebt, jedoch sämtliche Feiertage bei ihnen, den Eltern, verbracht. Seit dem 11. Juni 1989 lebe er wieder im Inland. Es sei noch nicht endgültig entschieden, ob er hier bleiben werde.
Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Voraussetzung für die Gewährung eines Kinderfreibetrags wie auch eines Ausbildungsfreibetrags sei die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Kindes, die davon abhänge, ob dieses im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben. Zwar handele es sich bei der Wohnung der Kläger im Inland um eine Wohnung i.S. von § 8 der Abgabenordnung (AO 1977). Bei dem Sohn der Kläger fehle es aber bereits am Innehaben dieser Wohnung. Denn ein minderjähriges Kind könne nicht über eine Wohnung verfügen, sondern leite sein Verfügungsrecht von den Eltern ab, die den Wohnort des Kindes bestimmten. Ein Kind könne deshalb eine Wohnung nur insoweit innehaben, als die Eltern ihm diese zuwiesen. Werde ein Kind, wie der Sohn der Kläger, für zunächst unbestimmte Zeit ins Ausland gebracht, könne es kein Verfügungsrecht von den Eltern ableiten.
Hinzu komme im Streitfall, daß der Sohn der Kläger beim Großvater gelebt habe und an dessen Wohnort zur Schule gegangen sei, so daß ein Wohnsitz in der Türkei begründet worden sei. Zwar könne ein Steuerpflichtiger mehrere Wohnsitze haben; doch sei dies bei der abgeleiteten Verfügungsmacht eines Kindes über eine Wohnung nur in besonderen Fällen möglich. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Denn wegen der Schulausbildung und der Unterbringung im Ausland hätten die Kläger bestimmt, daß nicht die Wohnung im Inland, sondern diejenige im Ausland zur eigentlichen Wohnung für das Kind werden solle. Deshalb könne auch die Tatsache, daß das Kind die Ferien --unter Umständen mehrere Monate-- in der Wohnung der Eltern im Inland verbringe, nicht zur Begründung eines inländischen Wohnsitzes führen.
Es fehle auch an dem Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen ließen, daß die Wohnung beibehalten und benutzt werde. Auch diese Umstände seien bei einem Kind nur von den Eltern abzuleiten. Es komme deshalb darauf an, wie die Eltern die Benutzung durch das Kind bestimmten. Im Hinblick auf die ausbildungsbedingte Unterbringung des Sohnes der Kläger in der Türkei komme den Aufenthalten im Inland nur der Charakter von Elternbesuchen zu. Auch könne für die Zeit der Schulferien ein gewöhnlicher Aufenthalt des Sohnes bei den Klägern nicht angenommen werden, da sich der Sohn im Inland jeweils nur vorübergehend, nämlich nur in der Ferienzeit, aufgehalten habe.
Mit der Revision tragen die Kläger vor: Ein minderjähriges Kind fühle sich in der Regel dem Haushalt seiner Eltern zugehörig. Dies zeige sich im Streitfall daran, daß ihr Sohn in den Ferien, in denen er über seine Freizeit verfügen könne, in ihre, der Kläger, Wohnung gezogen sei. Ebenso wie ein verheirateter Steuerpflichtiger, der sich aus beruflichen Gründen längere Zeit im Ausland aufhalte, wegen der Bindungen an seine Familie im Inland unbeschränkt steuerpflichtig bleibe, ende auch bei einem minderjährigen Kind, das zum Schulbesuch im Ausland untergebracht sei, die unbeschränkte Steuerpflicht nicht.
Schließlich stelle auch der Gesetzgeber in der ab 1988 geltenden Fassung des § 33a Abs.2 EStG lediglich noch darauf ab, ob der Steuerpflichtige für das Kind einen Kinderfreibetrag erhält oder erhielte, wenn es unbeschränkt steuerpflichtig wäre. Diese Regelung müsse auch schon für Veranlagungszeiträume vor 1988 angewandt werden.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Einkommensteuerbescheid 1987 dahingehend abzuändern, daß ein Kinderfreibetrag und ein Ausbildungsfreibetrag berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens sind unter dem 10. Juni und 16. Juli 1992 Änderungsbescheide ergangen, die die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zum Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
1. Das FG hat zunächst zutreffend entschieden, daß der Sohn der Kläger im Streitjahr nicht unbeschränkt steuerpflichtig i.S. von § 1 Abs.1 EStG war. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Kinderfreibetrages nach § 32 Abs.2 und Abs.6 EStG und dementsprechend für die Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrages nach § 33a Abs.2 Satz 1 Nr.2 EStG nicht gegeben.
a) Der Wohnsitzbegriff i.S. von § 1 Abs.1 EStG, § 8 AO 1977 setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, daß der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit --wenn auch in größeren Zeitabständen-- aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinanderfolgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken reicht nicht aus (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. November 1988 II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182 m.w.N.).
Außer dem Innehaben einer Wohnung setzt der Wohnsitzbegriff zunächst Umstände voraus, die darauf schließen lassen, daß die Wohnung durch den Inhaber beibehalten und als solche genutzt werden soll. Das Wesen eines Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinn besteht somit darin, daß objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem bloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (BFH-Urteil vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301).
Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, nach dem Begründung, Beibehaltung und Aufgabe des Wohnsitzes rechtsgeschäftliche Willenserklärungen darstellen (§§ 7, 8 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--), knüpft § 8 AO 1977 an die tatsächliche Gestaltung an. Deshalb kann auch ein Minderjähriger --abweichend von § 11 BGB-- einen steuerlichen Wohnsitz begründen; auf den Willen des gesetzlichen Vertreters kommt es nicht an (Hellwig in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 8 AO 1977 Tz.11). Die Begründung und Aufhebung des Wohnsitzes setzt allerdings einen natürlichen Willen voraus (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 8 AO 1977 Tz.1).
b) Hiervon ausgehend liegen im Streitjahr die Voraussetzungen für einen Wohnsitz des Sohnes der Kläger im Inland nicht vor.
Bei der Wohnung der Kläger handelt es sich wohl um Räumlichkeiten, die zur --zumindest zeitweisen-- Aufnahme des Sohnes der Kläger geeignet wären und diesem ein Heim bieten könnten. Es fehlt indes am Innehaben der Wohnung durch den Sohn unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß sie von ihm beibehalten und benutzt wird.
Nach den unangefochtenen und den Senat nach § 118 Abs.2 FGO bindenden Feststellungen des FG war der Sohn der Kläger --auf zunächst unbestimmte Zeit-- zum Schulbesuch bei seinem Großvater in der Türkei untergebracht und hielt sich nur während der Schulferien in der Wohnung der Kläger im Inland auf. Damit diente ihm diese Wohnung nicht (mehr) als Bleibe.
Wird ein minderjähriges Kind für mehrere Jahre zum Besuch der Schule bei Verwandten im Heimatland der Eltern untergebracht, ist ein solcher Auslandsaufenthalt nicht in erster Linie durch den --von den Klägern besonders betonten-- Zweck der Schulausbildung bestimmt. Nach der Lebenserfahrung dient ein solcher Aufenthalt vielmehr vor allem auch dem Zweck, die Heimat der Familie genauer kennenzulernen und sich längerfristig in die dortigen Lebensverhältnisse einzuleben. Die Bindungen in sprachlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht an den heimatlichen Kulturkreis werden hergestellt oder wiederhergestellt und gefestigt. Das Entstehen neuer Beziehungen und die Lockerung der bisher bestehenden Bindungen führen regelmäßig zu einer Verwurzelung im Ausland (Heimatland), verbunden mit einer entsprechenden Einschränkung der bisherigen familiären Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern. Diese Umstände schließen es dann regelmäßig aus, weiterhin vom Innehaben einer Wohnung bei den Eltern im Inland unter Umständen auszugehen, die darauf hinweisen, daß die Wohnung beibehalten und als solche genutzt werden soll und wird (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 1988 IX K 146/87, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1988, 418, Hessisches FG, Urteil vom 26. Mai 1993 12 K 962/92, EFG 1993, 788; vgl. auch Urteile des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 17. Dezember 1981 10 RKg 12/81, BSGE 53, 49, und vom 22. Mai 1984 10 RKg 3/83, juris, zu § 1 Abs.1, § 2 Abs.5 des Bundeskindergeldgesetzes --BKGG--; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 13.Aufl., § 1 Anm.3 e; Tipke/Kruse, a.a.O., § 8 AO 1977 Tz.4).
Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG Münster in dem Urteil vom 4. April 1991 1 K 172/91 L (EFG 1991, 684), nach der ein im Inland aufgewachsenes Kind eines Ausländers auch nach der Einschulung und Unterbringung bei den Großeltern im Ausland grundsätzlich einen Wohnsitz im Inland beibehält, wenn es sich während der Schulferien im inländischen Haushalt der Eltern aufhält. Denn in einem solchen Fall steht die elterliche Wohnung im allgemeinen dem Kind nicht jederzeit, sondern nur in der Ferienzeit und damit nicht als Bleibe in dem dargelegten Sinne zur Verfügung. Wegen der besonderen Beziehungen zum Herkunftsland sind diese Fälle auch nicht vergleichbar mit Fällen, in denen ein Kind einen Ausbildungsabschnitt nicht im Heimatland, sondern in einem anderen Staat absolviert.
Daß sich der Sohn der Kläger lediglich rd. 2 1/2 Jahre in der Türkei aufgehalten hat, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Zum einen haben die Kläger nach der Beendigung der Schulausbildung angegeben, es stehe noch nicht fest, ob ihr Sohn endgültig im Inland bleiben werde. Zum anderen kann die Dauer einer Ausbildung wegen der nicht auszuschließenden Notwendigkeit, einzelne Abschnitte zu wiederholen oder der Ausbildung eine andere Richtung zu geben, kaum hinreichend genau bestimmt werden (Urteil des BSG in BSGE 53, 49). Die Kläger mußten daher im Streitjahr auch ein längeres Verbleiben ihres Sohnes in der Türkei in Betracht ziehen.
c) Das FG hat zutreffend auch einen Aufenthalt des Sohnes der Kläger im Inland i.S. des § 9 AO 1977 unter Umständen, die erkennen lassen, daß er sich dort nicht nur vorübergehend aufhält, verneint. Die Sechsmonatsfrist in § 9 Satz 2 AO 1977 enthält einen Anhaltspunkt dafür, welche Aufenthaltsdauer nicht mehr als nur vorübergehend anzusehen ist. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Absicht auf einen längeren Aufenthalt als sechs Monate gerichtet war. Daran fehlt es bei den nur vorübergehenden Aufenthalten des Sohnes der Kläger im Inland während der Ferienzeit. Im übrigen schließt nach § 9 Satz 3 AO 1977 ein nicht länger als ein Jahr dauernder Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs- oder Erholungszwecken die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland aus (BFH-Urteil vom 30. August 1989 I R 215/85, BFHE 158, 118, BStBl II 1989, 956).
2. Das FG hat ferner zu Recht entschieden, daß den Klägern für ihren auswärtig untergebrachten Sohn ein Unterhaltshöchstbetrag nach § 33a Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG als Ausgleich dafür zu gewähren ist, daß bei ihnen wegen der beschränkten Steuerpflicht des Sohnes nach § 32 Abs.2 und 6 EStG kein Kinderfreibetrag berücksichtigt werden kann. Nach § 33a Abs.1 Satz 4 EStG sind für die Höhe des Abzugsbetrags die Verhältnisse des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person --hier in der Türkei-- maßgebend.
Entgegen der Vorentscheidung steht den Klägern darüber hinaus für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Berufsausbildung ihres auswärtig untergebrachten Kindes eine Entlastung in Höhe des Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs.2 Satz 1 Nr.2 EStG zu, wobei für die Höhe des anzuerkennenden Betrags ebenfalls die Verhältnisse in der Türkei zu berücksichtigen sind (§ 33a Abs.2 Satz 3 i.V.m. Abs.1 Satz 4 EStG).
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. die Urteile vom 8. Juni 1990 III R 107/88, BFHE 161, 103, BStBl II 1990, 898, und vom 15. April 1992 III R 80/90, BFHE 168, 316, BStBl II 1992, 896) ist § 33a Abs.1 EStG verfassungskonform erweiternd dahin auszulegen, daß Aufwendungen für den Unterhalts und die Berufsausbildung von nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Kindern (sog. Auslandskinder) im einzelnen nicht nachzuweisen sind, und daß auf die Anwendung des § 33a Abs.1 Sätze 2 und 3 EStG grundsätzlich verzichtet wird. Für die Gewährung des Unterhaltshöchstbetrags genügt daher bei Auslandskindern entsprechend § 32 Abs.3 EStG bis zur Vollendung des 16. Lebensjahrs ein Existenznachweis. Darüber hinaus ist eine Entlastung in Höhe des Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs.2 EStG zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen dafür bei unbeschränkter Steuerpflicht des Kindes vorliegen würden.
Steuerpflichtigen mit sog. Auslandskindern, die sich in Berufsausbildung befinden, ist sonach grundsätzlich eine Steuerermäßigung in der Höhe zu gewähren, wie sie für ein entsprechendes unbeschränkt steuerpflichtiges Kind in Höhe eines Kinderfreibetrags und eines Ausbildungsfreibetrags zu berücksichtigen wäre.
Im konkreten Fall ist die Ermäßigung der Höhe nach allerdings auf das nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaats der unterhaltenen Person notwendige und angemessene Maß (§ 33a Abs.1 Satz 4, Abs.2 Satz 3 EStG) zu beschränken. Dafür bietet die sog. Ländergruppeneinteilung (vgl. für das Streitjahr Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 17. August 1987, BStBl I 1987, 620) einen auch von den Steuergerichten zu beachtenden Maßstab, sofern sie im Einzelfall nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteile vom 30. Juli 1982 VI R 257/80, BFHE 136, 399, BStBl II 1982, 779, und vom 6. November 1987 III R 164/85, BFHE 152, 81, BStBl II 1988, 423). Die Türkei gehörte auch im Streitjahr zu der Gruppe 2 der Ländergruppeneinteilung (a.a.O.). Danach sind die Beträge des § 33a Abs.1 und 2 EStG in Höhe von 2/3 anzusetzen.
b) Hiervon ausgehend hat das FA für den in der Türkei untergebrachten Sohn der Kläger zu Recht einen Unterhaltshöchstbetrag in Höhe von 1 656 DM (2/3 von 2 484 DM) anerkannt.
Zwar hat der Senat inzwischen mit Beschluß vom 16. Juli 1993 III R 206/90 (BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755) entschieden, daß er § 32 Abs.6 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung insoweit mit dem Grundgesetz (GG) für unvereinbar halte, als Eltern mit einem zu berücksichtigenden im Inland lebenden Kind nur einen Kinderfreibetrag von (zusammen) 2 484 DM beanspruchen können. Denn der Kinderlastenausgleich durch Gewährung von Kindergeld und Kinderfreibetrag unterschreite die entsprechenden Sozialhilfeleistungen um mehr als 15 v.H. Es sind indes keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der vom FG angesetzte (auf 2/3 gekürzte) Betrag das Existenzminimum eines Kindes nach den Verhältnissen in der Türkei für das Streitjahr nicht hinreichend berücksichtigt. Bei der 2/3-Regelung handelt es sich ohnehin nicht um eine genau an den tatsächlichen Kosten orientierte Festlegung, sondern nur um eine grobe, an den Durchschnittslöhnen in der verarbeitenden Industrie orientierte Schätzung (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20.Aufl., § 33a EStG Anm.131). Dafür, daß die 2/3-Regelung die Verhältnisse im Streitjahr noch ausreichend berücksichtigt, spricht ferner, daß die Türkei auch noch nach der Ländergruppeneinteilung ab 1990 (BMF-Schreiben vom 11. Dezember 1989, BStBl I 1989, 463) --trotz gestiegener Löhne und Lebenshaltungskosten-- zu der Ländergruppe 2 (Kürzung auf 2/3) gerechnet wird. Im übrigen sagen die Durchschnittslöhne in der verarbeitenden Industrie nichts Zuverlässiges über die Höhe des sozialhilferechtlichen Existenzminimums in der Türkei aus, so daß anhand dieser Größe nicht festgestellt werden könnte, der den Klägern für ihren Sohn gewährte Kinderlastenausgleich unterschreite diesen Betrag um mehr als 15 v.H.
Das FG hat auch zutreffend den anerkannten Betrag für die Zeiten der besuchsweisen Aufenthalte des Sohnes der Kläger im Inland (Schulferien) nicht erhöht. Der nach der Rechtsprechung des Senats für Auslandskinder anzuerkennende Unterhaltshöchstbetrag (BFHE 161, 103, BStBl II 1990, 898; BFHE 168, 316, BStBl II 1992, 896) entspricht dem für unbeschränkt steuerpflichtige Kinder zu gewährenden Kinderfreibetrag, der der Höhe nach unverändert bleibt, auch wenn ein Kind im Kalenderjahr zeitweise beschränkt steuerpflichtig war oder erst im Laufe des Kalenderjahres geboren wurde (§ 32 Abs.2, 3 EStG). Hiervon abgesehen kann nicht generell davon ausgegangen werden, daß für ein Kind, das sich nur besuchsweise in den Schulferien im Inland aufhält, Unterhaltsaufwendungen in gleicher Höhe wie für ein dauernd im Inland lebendes Kind anfallen.
c) Den Klägern steht daneben eine Entlastung in Höhe des Ausbildungsfreibetrags zu, die sich nach der Ländergruppeneinteilung auf 800 DM ermäßigt (2/3 von 1 200 DM).
Wie der Senat in dem Urteil in BFHE 168, 316, BStBl II 1992, 896 ausgeführt hat, liegt bei der Unterbringung eines Kindes bei den Großeltern eine auswärtige Unterbringung i.S. von § 33a Abs.2 Satz 1 EStG vor. Eine Entlastung in Höhe des Ausbildungsfreibetrags wird für Auslandskinder indes nur dann gewährt, wenn bei unbeschränkter Steuerpflicht die Voraussetzungen für einen Ausbildungsfreibetrag vorliegen würden. Die Entlastung in Höhe des Ausbildungsfreibetrags kann deshalb grundsätzlich nur gewährt werden, wenn Ausbildungskosten dem Grunde nach nachgewiesen werden (BFHE 168, 316, BStBl II 1992, 896 unter Hinweis auf die Urteile des Senats vom 6. November 1987 III R 241/83, BFHE 151, 416, BStBl II 1988, 438, und III R 178/85, BFHE 151, 425, BStBl II 1988, 442). Dabei reicht es aus, wenn (auch) Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung entstanden sind (BFH-Urteile vom 6. November 1987 III R 112/85, BFHE 151, 422, BStBl II 1988, 422, und in BFHE 151, 425, BStBl II 1988, 442). Hiervon ist im Streitfall auszugehen, da --nach dem unwidersprochenen Klagevortrag-- der Sohn der Kläger von den Eltern finanziell abhängig war.
Dieser Betrag ist für die Zeiten der Ferienaufenthalte des Sohnes der Kläger bei seinen Eltern im Inland nicht zu kürzen. Die Berufsausbildung und auch die auswärtige Unterbringung wurden durch die Schulferien nicht unterbrochen, da die Fortsetzung der Schulausbildung beabsichtigt war und den Aufenthalten des Sohnes bei den Klägern im Inland damit im Grunde der Charakter von Besuchsaufenthalten zukommt.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Steuer berechnet sich wie folgt: ...
Fundstellen
Haufe-Index 65028 |
BFH/NV 1994, 70 |
BStBl II 1994, 887 |
BFHE 174, 523 |
BFHE 1995, 523 |
BB 1994, 1837 |
BB 1994, 1837-1839 (LT) |
DB 1994, 2011 (L) |
DStR 1994, 1608-1609 (KT) |
HFR 1994, 712-714 (LT) |
StE 1994, 538 (K) |