Entscheidungsstichwort (Thema)
Sanierungsbedürftigkeit eines Einzelunternehmens
Leitsatz (NV)
1. Auch bei einem Einzelunternehmer ist Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Sanierung, daß sein Unternehmen sanierungsbedürftig ist. Denn Zweck des §3 Nr. 66 EStG ist, daß das notleidende Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens, insbesondere als Einkunftsquelle des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer erhalten bleiben soll.
2. Ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, richtet sich bei einem Einzelunternehmer danach, ob infolge der Überschuldung die Existenz des Unternehmens derart bedroht ist, daß es ohne den Schulderlaß nicht ertragbringend weitergeführt werden kann. Maßgebend sind die Gesamtumstände.
3. Zu überprüfen ist für den Zeitpunkt des Schulderlasses nicht nur die Ertragslage, das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast und die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und etwa vorhandener weiterer Unternehmen des Unternehmers, sondern auch die Höhe von dessen Privatvermögen (Anschluß an BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 129/85, BFHE 161, 39, BStBl II 1990, 955).
Normenkette
EStG § 3 Nr. 66, § 4 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Zahnarzt. Er betreibt seit 1978 eine Praxis in angemieteten Räumen. Er ermittelt seit 1988 seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
Zur Finanzierung seiner Praxis hatte der Kläger innerhalb der ersten drei Jahre seit Praxisgründung Kredite in Höhe von 800 000 DM aufgenommen. 1980 beteiligte er sich an einer Bauherrengemeinschaft zwecks Erwerbs zweier Eigentumswohnungen zum Preis von 922 510 DM; hierfür erhielt er von der Bank I einen Kredit über 820 100 DM. Im selben Jahr erwarb er ein unbebautes Grundstück, dessen Kaufpreis von 314 000 DM in voller Höhe von der Bank II und einer Bausparkasse finanziert wurde. Das auf diesem Grundstück errichtete Einfamilienhaus war am 31. Dezember 1982 bezugsfertig; Herstellungskosten von 917 000 DM wurden über die Bank III fremdfinanziert. Die Gesamtaufwendungen für das Einfamilienhaus-Grundstück beliefen sich 1986 auf 1 582 800 DM. Es wurde am 19. Dezember 1988 für 740 000 DM veräußert.
Im September 1989 schloß der Kläger mit seinen Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleich. Seine Schulden betrugen bis zu diesem Zeitpunkt 2 247 383 DM; für 630 000 DM bestand eine Sicherung. Auf die Praxis entfielen Bankschulden von 503 000 DM (gesichert 130 000 DM) und Schulden beim Zahntechniker F von 56 096 DM. Die Einkommensteuerschuld belief sich auf 188 287 DM. Die Banken verzichteten auf 70% ihrer ungesicherten Forderungen und der Zahntechniker F auf 36 143 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erließ nach einer Zahlung von 60 000 DM die verbleibenden Einkommensteuerschulden.
Insgesamt minderten sich die Schulden des Klägers durch den Vergleich um 1 125 530 DM. In Höhe von 287 583 DM machte der Kläger einen steuerfreien Sanierungsgewinn geltend.
1993 fand bei dem Kläger eine Außenprüfung statt. Der Prüfer ermittelte einen Gewinn aufgrund des Schuldenerlasses von 268 678 DM. Er war der Auffassung, daß die Steuerfreiheit zu versagen sei, weil die freiberufliche Praxis des Klägers nicht sanierungsbedürftig gewesen sei. Der Prüfer stellte außerdem fest, daß der Kläger im Streitjahr 1989 zwei Kontokorrentkonten eingerichtet hatte, über die er seinen Geldverkehr abwickelte. Auf dem Guthabenkonto wurden im wesentlichen die Betriebseinnahmen gutgeschrieben, während alle Betriebsausgaben vom Kontokorrentkonto 7385 gebucht wurden. Die Privatentnahmen des Klägers wurden dem Guthabenkonto belastet. Am 4. September 1989 nahm der Kläger bei der Bank IV ein Darlehen in Höhe von 601 000 DM auf. Hiervon wurde ein Teilbetrag von 254 100 DM am 18. September 1989 zur Minderung des Schuldsaldos dem Kontokorrentkonto 7385 gutgebracht. Am 15. September 1989 wurden vom Guthabenkonto 195 000 DM zugunsten der Bank III und am 19. September 1989 60 000 DM zugunsten des FA abgebucht. Der Kläger behandelte das Darlehen bei der Bank IV in Höhe von 254 100 DM als betriebliche Schuld und die hierauf entfallenden Schuldzinsen von 6 397 DM als Betriebsausgaben.
Das FA änderte aufgrund der Feststellungen des Außenprüfers den Einkommensteuerbescheid für 1989. Es erkannte die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns nicht an und zog die geltend gemachten Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben ab.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.
Es führt im wesentlichen aus, die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setze nach der Rechtsprechung voraus, daß die Gläubiger in Sanierungsabsicht einen Schulderlaß gewähren, der sanierungsgeeignet ist und Sanierungsbedürftigkeit besteht. Streitig sei vorliegend allein die Frage, ob das Unternehmen, dessen Betriebsvermögen durch die Sanierungsmaßnahme erhöht werde, sanierungsbedürftig gewesen sein müsse oder ob es genüge, daß der Unternehmer sanierungsbedürftig sei. Beim voll haftenden Einzelunternehmer sei für die Prüfung des Merkmals der Sanierungsbedürftigkeit auf diesen, d.h. auf dessen vermögens- und einkommensmäßige Verhältnisse auch außerhalb des Unternehmens abzustellen. Eine Trennung zwischen Unternehmungs- und Unternehmersanierung sei in derartigen Fällen nicht möglich und sinnwidrig. Zwar sei in allen Fällen, in denen bisher vom Bundesfinanzhof (BFH) ein steuerfreier Sanierungsgewinn nach §3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bejaht worden sei, das jeweilige Unternehmen sanierungsbedürftig gewesen. Aus den BFH- Urteilen vom 14. März 1990 I R 64/85 und I R 106/85 (BFHE 161, 28 und 34, BStBl II 1990, 810 und 813) ergebe sich aber, daß auch die Sanierungsbedürftigkeit unternehmerbezogen sei.
Die geltend gemachten Zinsen für das der Umschuldung des Sollsaldos auf dem Betriebsausgabenkonto dienende Darlehen stellten Betriebsausgaben i.S. von §4 Abs. 4 EStG dar. Aufgrund des Beschlusses des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) sei die Einrichtung zweier strikt getrennter Konten für die Praxiseinnahmen und die Praxisausgaben nicht zu beanstanden. Es handele sich um die schlichte Umschuldung eines unstreitig aufgrund vorher getätigter Betriebsausgaben entstandenen Sollsaldos auf einem betrieblichen Konto. Die Zinsen seien vorher betrieblich veranlaßt gewesen und nach der Umschuldung gleichermaßen als betrieblich veranlaßt abziehbar. Daß in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Umschuldung Entnahmen von dem Guthabenkonto -- möglicherweise sogar betragsmäßig annähernd übereinstimmend -- getätigt worden seien, könne an dieser Beurteilung nichts ändern. Denn der Unternehmer könne frei entscheiden, in welchem Umfang er vom Guthabenkonto Entnahmen tätigt, solange und soweit sich nicht dadurch das Kreditvolumen oder der Sollsaldo auf dem Ausgabenkonto erhöht. Dies sei hier nicht der Fall.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des §4 Abs. 4 und §12 EStG sowie des §3 Nr. 66 EStG.
Es trägt im wesentlichen vor, für die Frage der Finanzierung einer Entnahme komme es auf die wirtschaftliche Verbindung der Darlehensaufnahme mit der Entnahme an. Bei einer Minderung des Schuldkontos durch eine Darlehensaufnahme und einer Entnahme vom Guthabenkonto, die nahezu zeit- und betragsgleich geschehe, sei diese wirtschaftliche Verbindung gegeben. Die beiden Vorgänge seien verknüpft. Eine Entnahme vom Guthabenkonto wäre ohne eine betragsgleiche Ablösung des Schuldsaldos auf dem Schuldkonto durch ein längerfristiges Darlehen nicht möglich. Ihren wirtschaftlichen Gehalt habe diese Verknüpfung darin, daß aus Sicht der Beteiligten eben keine getrennten Kontokorrentkonten vorlägen, sondern ein einheitliches Kontokorrentkonto, das nur formal in Guthaben- und Schuldkonto aufgeteilt sei. Handele es sich jedoch wirtschaftlich betrachtet um ein einheitliches Konto und werde diese Betrachtungsweise durch die Verknüpfung von Entnahme und Darlehensaufnahme dokumentiert, so seien die Grundsätze der Rechtsprechung für ein gemischtes Kontokorrentkonto zu beachten. Damit diene im vorliegenden Fall die Darlehensaufnahme der Finanzierung einer Entnahme.
Auch der Auffassung des FG zum Sanierungsgewinn könnne nicht gefolgt werden. Der BFH habe nur bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Sanierungseignung Verhältnisse in der Person des Unternehmers berücksichtigt. Soweit ersichtlich, hätten allen Entscheidungen des BFH sanierungsbedürftige Unternehmen zugrunde gelegen. Die Einbeziehung der Verhältnisse des Unternehmers würde dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen. Es würden Einkünfte aus §18 EStG steuerfrei gestellt aus Gründen, die nicht mit der Ermittlung des Gewinns, sondern mit den allgemeinen Vermögensverhältnissen des Steuerpflichtigen zusammenhingen. Darüber hinaus würden Kriterien, die für das Erhebungsverfahren eine Rolle spielen, in das Steuerfestsetzungsverfahren vorgezogen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er trägt vor, eine Steuerpflicht des Sanierungsgewinns würde bei einer Mehrsteuer von 153 756 DM erneut Sanierungsbedürftigkeit herbeiführen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Zutreffend hat das FG zwar die geltend gemachten Schuldzinsen als Betriebsausgaben abgezogen; die Vorentscheidung kann aber keinen Bestand haben, weil das FG zu Unrecht das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit beim Einzelunternehmer als unternehmerbezogen angesehen und deshalb nicht geprüft hat, ob durch die Überschuldung des Betriebs- und des Privatvermögens der Zusammenbruch des Unternehmens des Klägers drohte.
1. Schuldzinsenabzug
Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§4 Abs. 4 EStG). Nach dem in BFHE 161, 290 BStBl II 1990, 817 veröffentlichten Kontokorrentkontobeschluß ist die für den Betriebsausgabenabzug erforderliche betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen dann gegeben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgebend ist der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens. Mit den Darlehensmitteln müssen betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt werden. Unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige mit Darlehen finanzierte Aufwendungen auch durch Eigenmittel hätte bestreiten können oder ob der Betrieb über aktives Betriebsvermögen oder stille Reserven verfügt, die zur Deckung der Betriebsschulden herangezogen werden können. Der betriebliche Charakter von Schulden ist auch dann anzunehmen, wenn der Unternehmer (z.B. zur Ablösung eines privaten Darlehens) dem Betrieb Barmittel zunächst entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanziert. Der Große Senat des BFH hat diese Grundsätze in seinem Beschluß vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95 (BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) bestätigt. Er führt u.a. aus, daß der Steuerpflichtige berechtigt sei, z.B. die Kasseneinnahmen auf ein Konto einzuzahlen, das nur privaten Auszahlungen diene. Dies berühre die betriebliche Veranlassung des durch private Auszahlungen ausgelösten betrieblichen Mittelbedarfs nicht. Betriebliche Auszahlungen von dem dem betrieblichen Zahlungsverkehr gewidmeten Kontokorrentkonto und die damit einhergehende Erhöhung des Schuldsaldos seien ungeachtet der Tatsache, daß der Finanzierungsbedarf durch die Barentnahmen ausgelöst worden sei, ausschließlich betrieblich veranlaßt. Diese Möglichkeit der Kontentrennung führe nicht zu einer mißbräuchlichen Umgehung des §4 Abs. 4 EStG. Sie diene vielmehr der Abgrenzung der betrieblich von den privat veranlaßten Verbindlichkeiten und bedeute im Prinzip nichts wesentlich anderes als die rechnerische Führung von Unterkonten im Rahmen eines gemischten Kontokorrentkontos; dadurch würden Steuerpflichtige und FA von dem mit der sog. Zinszahlenstaffelmethode verbundenen erheblichen Arbeitsaufwand entlastet. Eine Einschränkung der Kontentrennung wäre mit dem Grundsatz der Finanzierungsfreizeit des Steuerpflichtigen nicht vereinbar. Barmittel (Bargeld oder Buchgeld in Höhe positiver Guthabenkonten) seien als entnahmefähig anzusehen, soweit sie nicht zur Tilgung betrieblicher Verbindlichkeiten verwendet würden. Die Kontokorrentschuld des betrieblichen Ausgabenkontos sei eine betrieblich veranlaßte Schuld, wenn nur betrieblicher Aufwand über dieses Konto beglichen würde. Werde diese Kontokorrentschuld durch einen langfristigen Kredit abgelöst, so sei auch dieses langfristige Darlehen eine Betriebsschuld; die hierfür anfallenden Schuldzinsen seien Betriebsausgaben. Entscheidend sei, daß die Kreditmittel tatsächlich zur Ablösung einer Betriebsschuld verwendet würden. Auch eine zeitliche Nähe zwischen der Zuführung der langfristigen Kreditmittel auf das negative betriebliche Kontokorrentkonto und der Verwendung der im Unternehmen vorhandenen und auf einem Einnahmekonto gesondert verbuchten Barmittel zur Begleichung privater Kaufpreisforderungen ändere nichts daran, daß die getilgte Kontokorrentschuld zum Betriebsvermögen gehöre und damit auch das Umschuldungsdarlehen als Betriebsvermögen zu qualifizieren sei. Das gleiche gelte, wenn das Umschuldungsdarlehen und die entnommenen Barmittel betragsmäßig völlig oder nahezu völlig gleich seien. Aus der Finanzierungsfreiheit folge, daß es dem Steuerpflichtigen frei stehe, liquide Mittel nicht einer betrieblichen, sondern einer privaten Verwendung zuzuführen. Anders sei die Rechtslage nur dann, wenn ein Darlehen nicht zur Finanzierung betrieblicher Aufwendungen, sondern tatsächlich zur Finanzierung einer Entnahme und damit für private Zwecke verwendet werde, etwa dann, wenn dem Betrieb keine entnahmefähigen Barmittel zur Verfügung ständen und die Entnahme von Barmitteln erst dadurch ermöglicht werde, daß Darlehensmittel in das Unternehmen flössen (vgl. BFH-Urteil vom 5. März 1991 VIII R 93/84, BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516).
Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall stellen das Darlehen der Bank IV in Höhe von 254 100 DM eine betriebliche Schuld und die hierauf entfallenden Schuldzinsen von 6 397 DM Betriebsausgaben dar. Die Darlehensmittel wurden tatsächlich dazu verwendet, den -- nach den bindenden Feststellungen des FG -- ausschließlich durch Betriebsausgaben entstandenen Sollsaldo auf dem Kontokorrentkonto 7385 abzubauen. Dieses Konto und das Guthabenkonto bildeten nach den Feststellungen des Prüfers kein einheitliches Kontokorrent i.S. des §355 des Handelsgesetzbuchs.
2. Sanierungsgewinn
Nach §3 Nr. 66 EStG sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, von der Einkommensteuer befreit.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH setzt die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns im einzelnen voraus, daß das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, daß die Schuld oder die Schulden ganz oder teilweise erlassen werden, daß die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen, und daß der Schulderlaß geeignet ist, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (u.a. Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784, m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des FG ist auch bei einem Einzelunternehmer Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Sanierung, daß sein Unternehmen sanierungsbedürftig ist. Denn Zweck des §3 Nr. 66 EStG ist, daß das notleidende Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens, insbesondere als Einkunftsquelle des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer erhalten bleiben soll. Auch soweit die unternehmerbezogene Sanierung, d.h. der Forderungserlaß, der es dem Unternehmer ermöglicht, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiterbestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein, als Fall des §3 Nr. 66 EStG anerkannt wurde, muß die Existenz des Unternehmers infolge seiner unternehmerischen Tätigkeit bedroht gewesen sein (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juli 1997 IV R 31/96, BFHE 183, 509, BStBl II 1997, 690). Etwas anderes läßt sich auch den Ausführungen in den BFH-Urteilen in BFHE 161, 28 und 34, BStBl II 1990, 810 und 813 nicht entnehmen.
Ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, richtet sich bei einem Einzelunternehmer danach, ob infolge der Überschuldung die Existenz des Unternehmens derart bedroht ist, daß es ohne den Schulderlaß nicht ertragbringend weitergeführt werden kann. Maßgebend sind die Gesamtumstände. Zu überprüfen ist für den Zeitpunkt des Schulderlasses nicht nur die Ertragslage, das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast und die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und etwa vorhandener weiterer Unternehmen des Unternehmers, sondern auch die Höhe von dessen Privatvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 129/85, BFHE 161, 39, BStBl II 1990, 955). Da Gläubiger des Einzelunternehmers unabhängig von der Zuordnung ihrer Forderungen sowohl auf das Betriebsvermögen wie auch auf das Privatvermögen Zugriff nehmen können, ist in die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens außer dem positiven auch das überschuldete und ertraglose Privatvermögen einzubeziehen, das die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigt und möglicherweise zur nachhaltigen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers führt.
Nach den vom FG in Bezug genommenen Feststellungen des Prüfers war das Unternehmen des Klägers zwar überschuldet. Im Hinblick auf die Ertragslage -- der Kläger erwirtschaftete seit 1979 ausschließlich Gewinne -- und die Liquidität der klägerischen Zahnarztpraxis, wie sie vom Prüfer festgestellt wurden, wäre die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens aber zu verneinen. Den Feststellungen läßt sich allerdings nicht entnehmen, ob der Kläger infolge seiner Immobilienaktivitäten in seiner Existenz als Zahnarzt bedroht war. Der Bericht enthält dazu nur die Feststellung, daß der durch die Immobilienaktivitäten veranlaßte Finanzbedarf zu erheblichen Liquiditätsengpässen geführt habe, die im September 1989 durch den außergerichtlichen Vergleich mit den Gläubigern beseitigt worden seien. Mangels Bestimmung des Begriffs der Sanierungsbedürftigkeit durch das FG lassen dessen Ausführungen, daß im vorliegenden Fall der Unternehmer -- zwischen den Beteiligten unstreitig -- sanierungsbedürftig gewesen sei, auch nicht auf einen drohenden Zusammenbruch der Zahnarztpraxis schließen.
Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt. Dabei wird das FG insbesondere auch zu prüfen haben, ob und inwieweit die Banken Zugriff auf das Betriebsvermögen des Klägers genommen haben und ob der Kläger dadurch nachhaltig zahlungsunfähig zu werden drohte. Sollte das FG bei seiner erneuten Entscheidung die Sanierungsbedürftigkeit des klägerischen Unternehmens bejahen, so wird es noch zu prüfen haben, ob der Schulderlaß durch F am 30. Januar 1989 -- also vor dem Forderungsverzicht im September 1989 -- in Sanierungsabsicht vorgenommen wurde und Sanierungseignung hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 67493 |
BFH/NV 1998, 1214 |
DStRE 1998, 905 |
DStZ 1998, 762 |
HFR 1998, 814 |