Leitsatz (amtlich)

Hat die Oberfinanzdirektion eine Grunderwerbsteuersache im Rahmen eines Einspruchsverfahrens nachgeprüft und das Finanzamt angewiesen, dem Einspruch stattzugeben, so ist bei unverändertem Sachverhalt wegen der gleichen Rechtsfrage eine spätere Fehlerberichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht gerechtfertigt. Das gilt regelmäßig auch dann, wenn bei der späteren Fehleraufdeckung ein abweichender Sachverhalt bekannt wird, der der Oberfinanzdirektion bei gehöriger Erfüllung der Ermittlungspflichten bereits bei ihrer Einschaltung während des früheren Einspruchsverfahrens hätte bekannt sein können. (Ergänzung zum Urteil vom 12. Juli 1972 II 81/65, BFHE 107, 53, BStBl II 1972, 913)

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Die - minderjährige - Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war von ihrem 1958 verstorbenen Vater als Nacherbin eingesetzt worden. Vorerbin war ihre Mutter. Der gerichtlich bestellte Ergänzungspfleger hatte für die Klägerin die Nacherbschaft ausgeschlagen und in der gleichen notariellen Urkunde vom 16. März 1960 erklärt, daß er den Pflichtteil geltend mache. Am 4. Mai 1961 wurde zwischen der X. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Mutter der Klägerin war, und der Klägerin ein Vertrag über die Überlassung eines Grundstückes an die Klägerin als Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch geschlossen. Der Ergänzungspfleger erklärte ausdrücklich, daß er "auf die Geltendmachung des ... entstandenen Pflichtteilanspruchs verzichtet".

Ein zunächst auf Veranlassung der OFD erlassener Grunderwerbsteuerbescheid wurde auf Einspruch hin - wiederum auf Weisung der OFD - wieder aufgehoben, weil das Grundstück als Abfindung für den Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch auf die Klägerin übergegangen und deshalb Grunderwerbsteuerfreiheit nach § 3 Nr. 2 GrEStG 1940 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gegeben sei. Später erteilte die OFD erneut Weisung, Grunderwerbsteuer anzufordern, und zwar durch Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO. Sie kehrte nunmehr nach Einsichtnahme in die Pflegschaftsakte zu ihrer ersten Auffassung zurück, daß der Klägerin das Grundstück an Erfüllung Statt für den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch überlassen worden sei und daß keine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG 1940 in Betracht komme.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) setzte die Grunderwerbsteuer erneut fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Klage hob das FG den Grunderwerbsteuerbescheid mit Urteil vom 26. Juli 1966 II 210/65 (EFG 1966, 477) auf. Es hielt zwar die Grunderwerbsteuerpflicht für gegeben, war aber der Auffassung, daß eine Fehlerberichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht in Betracht komme.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71026

BStBl II 1974, 698

BFHE 1975, 86

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