Leitsatz (amtlich)
Hat das FG einen ihm bekannten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt, sich aber mit der Frage des Streitgegenstandes überhaupt nicht befaßt, so hat das FG lediglich eine Vorschrift des materiellen Rechts fehlerhaft nicht angewendet. Eine Abweichung von der Entscheidung des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344) liegt nicht vor.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; UStG 1951 § 18 Nrn. 4, 23 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
Tatbestand
Durch Urteil der Vorinstanz vom 16. Februar 1971 sind die Einspruchsentscheidung des Beschwerdeführers und Beklagten (FA) vom 26. Mai 1970 und der Rückforderungsbescheid vom 16. Mai 1970 dahingehend abgeändert worden, daß die vom FA geforderte Rückzahlung von Umsatzsteuervergütungen von ... DM um ... DM herabgesetzt wurde. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des FA, die es wie folgt begründet:
Die Revision sei sowohl nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 als auch Nr. 3 FGO zuzulassen. Das FG habe einen ihm bekannten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt. Wenn das FG zu dem Ergebnis gekommen sei, daß der Einbau eines Autoradiogerätes in ein Kraftfahrzeug zu den nach § 18 Nr. 4 UStG 1951 zugelassenen Bearbeitungen oder Verarbeitungen gehöre (Einbau von Einbauinstrumenten in Kraftfahrzeuge), der Beschwerdegegnerin und Klägerin (Steuerpflichtige) die Ausfuhrhändlervergütung daher grundsätzlich zustehe, so hätte es weiterhin berücksichtigen müssen, daß in solchen Fällen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG 1951 die Ausfuhrvergütung entfalle. Da die Steuerpflichtige im vorliegenden Falle für das Kraftfahrzeug sowohl Ausfuhrhändlervergütung als auch Ausfuhrvergütung erhalten habe, hätte das FG den Rückforderungsanspruch des FA nur um den Betrag kürzen dürfen, um den die Ausfuhrhändlervergütung die Ausfuhrvergütung übersteigt. Der Beschluß verstoße daher gegen die Entscheidung des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344) und beruhe gleichzeitig auf einem Verfahrensmangel.
Das FA beantragt, die Revision gegen das vorinstanzliche Urteil zuzulassen.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält weder die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 noch der Nr. 3 FGO für gegeben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet.
Die von dem FA gemachten Ausführungen können die Zulassung der Revision weder unter dem Gesichtspunkt der Abweichung von einer Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) noch unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begründen. Das Urteil des FG hat weder einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der der oben bezeichneten Entscheidung des Großen Senats des BFH widerspricht, noch sich überhaupt mit der Frage des Streitgegenstandes befaßt oder befassen wollen. Eine Abweichung von dieser Entscheidung kann daher nicht vorliegen (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Anm. 23 a). Die Rüge der Nichtanwendung einer Vorschrift des materiellen Rechts auf einen dem FG bekannten Sachverhalt beinhaltet für sich allein vielmehr die Geltendmachung einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Eine solche ist aber kein Verfahrensmangel.
Fundstellen
BStBl II 1971, 774 |
BFHE 1972, 44 |