Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die anteilige Freigrenze von 10.000 DM des § 16 Abs. 4 EStG für den Gewinn aus der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils ist auch dann nach dem Verhältnis des Buchwertes des Anteils (Kapitalkonto) zum gesamten Betriebsvermögen zu ermitteln, wenn die Gewinnanteile der Gesellschafter und ihre Anteile an den stillen Reserven nicht nach diesem Verhältnis, sondern nach einem abweichenden Gewinnschlüssel ermittelt werden.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist die Berechnung der Freigrenze gemäß § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes aus dem Verkauf eines Gesellschaftsanteils einer Kommanditgesellschaft.
Der Beschwerdegegner (Bg.) wurde für das Streitjahr mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt. Seine Ehefrau war an einer Kommanditgesellschaft als Kommanditistin beteiligt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1952 schied sie aus dieser aus und erhielt als Abfindung 15.000 DM. Ihre Kapitalkonten betrugen am 31. Dezember 1951 insgesamt 12.077,98 DM, die der anderen Gesellschafter 46.706,70 DM. Der Bg. macht geltend, daß der - seiner Höhe nach unter den Beteiligten unstreitige - Veräußerungsgewinn seiner Ehefrau von 2.922,02 DM nach § 16 Abs. 4 EStG steuerfrei sei, weil bei einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen die anteilige Freigrenze nach dem Anteil an den Gesellschaftsrechten zu bemessen sei. Die festen Kapitalkonten der beiden persönlich haftenden Gesellschafter und seiner Ehefrau hätten nach dem Gesellschaftsvertrage je 9.000 DM betragen. Die Kapitalsonderkonten seien für die Höhe des Anteils an den Gesellschaftsrechten ohne Bedeutung. Durch die Besteuerung des Veräußerungsgewinnes gemäß § 16 Abs. 1 und 2 EStG sollten bisher steuerlich nicht erfaßte stille Reserven des Betriebsvermögens herangezogen werden. Der Anteil eines Gesellschafters an den stillen Reserven richte sich aber nach dem Gesellschaftsrecht. Nach diesem sei seine Ehefrau zu 1/3 an der Gesellschaft und auch entsprechend an den stillen Reserven beteiligt gewesen. Da der erzielte Veräußerungsgewinn an diesen stillen Reserven mit 2.922 DM weniger als 1/3 der Freigrenze von 10.000 DM betragen habe, sei dieser steuerfrei.
Das Finanzamt war der Auffassung, daß sich die anteilige Freigrenze des § 16 Abs. 4 EStG nach dem Verhältnis des veräußerten Kapitalanteils zum Gesamtvermögen der Gesellschaft richte. Dieser Anteil habe 20,5 v. H. betragen. Da der erzielte Veräußerungsgewinn danach die im Streitfall auf 2.050 DM festzustellende Freigrenze überschritten habe, sei die Steuerbefreiung gemäß § 16 Abs. 4 EStG nicht gegeben. Das Finanzamt zog deshalb den Veräußerungsgewinn zum vollen Steuertarif zur Einkommensteuer heran.
Das Finanzgericht erklärte den Veräußerungsgewinn für steuerfrei. Nach seiner Ansicht sei aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht eindeutig zu erkennen, in welcher Weise bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen der maßgebende Anteil an der Freigrenze von 10.000 DM zu ermitteln sei. Nur wenn die Gewinn- und Verlustbeteiligung und die Beteiligung an den stillen Reserven sich nach dem Kapitalanteil der Gesellschaft richte, könne der Anteil an der Freigrenze nach diesem Maßstab ermittelt werden. Weiche aber das vorgenannte Beteiligungsverhältnis hiervon ab, so würde dieser Maßstab in gewissen Fällen zu einer Steuerpflicht des veräußerten Anteils führen, in denen die gesamten stillen Reserven weniger als 10.000 DM betragen hätten, und umgekehrt. Der Sinn der Vorschrift des § 16 Abs. 4 EStG gehe dahin, bei der Veräußerung eines Gesamtbetriebes Veräusserungsgewinne bis 10.000 DM steuerfrei zu belassen, auch wenn sich dieser Betrag anteilsmäßig auf die einzelnen Gesellschafter verteile. Die Berechnung des Anteils an der Freigrenze müsse sich deshalb bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach der Gewinnbeteiligung und der Beteiligung an den stillen Reserven richten. Der Gewinnanteil der Kommanditistin habe im Streitfall 1/3 betragen. Die Freigrenze betrage deshalb hier 1/3 von 10.000 DM und werde von dem erzielten Veräußerungsgewinn nicht erreicht.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 4 EStG umschreibt die Ermittlung der anteiligen Freigrenze von 10.000 DM eindeutig und läßt eine Auslegung im Sinne der Vorentscheidung nicht zu. Die Vorschrift enthält eine Reihe von Tatbeständen. Für die hier zu entscheidende Frage, in welchen Grenzen der Veräußerungsgewinn eines Gesellschaftsanteils steuerfrei bleiben soll, heißt es im Gesetz: "Die Steuerpflicht tritt nur ein, wenn der Veräußerungsgewinn bei der Veräußerung ... eines Anteils am Betriebsvermögen (Abs. 1 Ziff. 1 bis 3) den entsprechenden Anteil von 10.000 DM übersteigt. Bei diesem Wortlaut kommt als entsprechender Anteil an der Freigrenze von 10.000 DM nur der Anteil des veräußerten Betriebsvermögens zum gesamten Betriebsvermögen in Betracht. Für einen abweichenden Maßstab ist kein Raum. Zutreffend hat der Beschwerdeführer (Bf.) in seiner Rb. auch auf den Wortlaut der entsprechenden Vorschrift in § 32 EStG 1925 hingewiesen, die besagte, daß bei Veräußerung von Beteiligungen eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns nur dann stattfinden sollte, wenn "der Gewinn den dem Anteil entsprechenden Teil von 10.000 RM übersteigt". In übereinstimmung mit der amtlichen Begründung zum EStG 1934 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1935 S. 42) ist davon auszugehen, daß die geänderte Textfassung der Befreiungsvorschrift eine sachliche änderung der bis dahin geltenden Rechtslage nicht gebracht hat.
Die vom Finanzgericht vertretene Auffassung steht auch im Widerspruch zum gesamten Schrifttum mit Ausnahme von Peters-Herrmann, der sich auf die hier angefochtene Entscheidung beruft. Die Ermittlung des Anteils an der Freigrenze nach einem vom Kapitalbeteiligungsverhältnis abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel vorzuschreiben, bestand auch für den Gesetzgeber kein Anlaß. Die Beteiligung eines Gesellschafters am Betriebsvermögen richtet sich nach der Höhe seines Kapitalkontos einschließlich etwaiger Sonderkonten. Der Gewinnverteilungsschlüssel besagt über den Anteil des Gesellschafters am Betriebsvermögen grundsätzlich nichts. Er weicht häufig vom Kapitalanteil ab, weil durch ihn z. B. besondere Gesellschafterleistungen abgegolten werden sollen. Den Begriff des Veräußerungsgewinnes umreißt § 16 Abs. 2 EStG als den Betrag, um den der Veräußerungspreis den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Läßt schon danach die Ermittlung der Höhe des Veräußerungsgewinnes für die Berücksichtigung eines Gewinnschlüssels keinen Raum, so muß Entsprechendes für die anteilige Freigrenze des § 16 Abs. 4 EStG gelten.
Etwas anderes kann auch nicht gelten, soweit der Bg. seine Auffassung für eine vom Verhältnis der Kapitalanteile abweichende Ermittlung der anteiligen Freigrenze auf die bei allen Gesellschaftern gleich hoch ausgewiesenen Kapitalfestkonten von je 9.000 DM stützen will. Das Festkonto der Kommanditistin hat rechtliche Bedeutung lediglich für die Höhe ihrer Kommanditeinlage und der sich daraus ergebenden Haftungsbeschränkung (§§ 161, 167 des Handelsgesetzbuches). Daß sie an den Gewinnen der Kommanditgesellschaft und deren stillen Reserven zu einem Drittel beteiligt gewesen sei, folgt daraus noch nicht. Dem stehen insbesondere die ihr in den einzelnen Jahren zugewiesenen Gewinnanteile entgegen, die weit hinter einem Gewinnanteil von 1/3 zurückgeblieben sind.
Da die Vorentscheidung der Freigrenze für die Besteuerung des Veräußerungsgewinnes entgegen der Vorschrift des § 16 Abs. 4 EStG festgestellt hat, war sie wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses wird bei der erneuten Entscheidung davon auszugehen haben, daß der strittige Veräußerungsgewinn im Hinblick auf seinen Anteil am gesamten Betriebsvermögen der Kommanditgesellschaft mit 20,5 v. H. den entsprechenden Anteil der für die Steuerfreiheit maßgebenden Freigrenze von 10.000 DM überschreitet. Dabei wird im Hinblick darauf, daß die verbleibenden Gesellschafter die Lasten aus der Vermögensabgabe übernommen haben, zu prüfen sein, ob der bisher auf 2.922 DM festgestellte Veräußerungsgewinn nicht tatsächlich um den Kapitalwert der übernommenen Abgabe zu erhöhen ist. Das Finanzamt hat bei der angefochtenen Veranlagung nicht beachtet, daß dem Bg. nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG auf Antrag ein vom Tarif des § 32 EStG abweichender begünstigter Steuersatz zu gewähren war. Da der Bg. ausdrücklich Steuerfreiheit beantragt hatte, hätte das Finanzamt ihn für den Fall der Ablehnung dieses Antrages befragen müssen, ob er hilfsweise einen Antrag gemäß § 34 EStG stellen wolle, soweit man nicht bereits in dem gestellten weitergehenden Antrag zugleich auch den erforderlichen Antrag nach § 34 a. a. O. sehen will.
Bei der erneuten Veranlagung wird das Finanzamt ferner zu berücksichtigen haben, daß der Bg. gemäß § 26 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Ziff. 3 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 26. Juli 1957 (Bundessteuerblatt 1957 I S. 352) mit seiner Ehefrau nur zusammen veranlagt werden kann, wenn es beide Ehegatten beantragen.
Fundstellen
Haufe-Index 408848 |
BStBl III 1957, 352 |
BFHE 1958, 314 |
BFHE 65, 314 |