Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
1) Mit dem Inkrafttreten (11. Februar 1946) des Art. VIII KRG Nr. 12 - Verbot der Abschreibung auf Forderungen aus Wehrmachtsaufträgen - ist die Anordnung der FI Nr. 57 der Britischen Militärregierung, derartige Abschreibungen vorzunehmen, außer Kraft getreten.
2) Eine dennoch ausgesprochene Zulassung einer Abschreibung bei einer nach dem 11. Februar 1946 getroffenen einkommensteuerlichen Entscheidung für 1944 oder 1945 war unzulässig.
3) Art. VIII KRG Nr. 12 sieht nicht eine Zurechnung der abgeschriebenen Beträge außerhalb der Bilanz vor, sondern gibt Weisungen für die Aufstellung der Steuerbilanz selbst im Sinne eines Ansatzes der Forderungen ohne Abschreibung. Die RM-Schlußbilanz und die DM-Eröffnungsbilanz, die infolge einer unzulässigen Abschreibung gemäß Fl Nr. 57 Forderungen aus Wehrmachtsaufträgen nicht mehr enthalten, sind unrichtig und daher für die Kreditgewinnabgabeberechnung gemäß dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 196/55 S vom 22. November 1957 (BStBl 1958 III S. 10, Slg. Bd. 66 S. 24) zu berichtigen, und zwar auch dann, wenn die einkommensteuerliche Entscheidung selbst nicht mehr berichtigt werden kann. Ein Gläubigerverlust aus Forderungen der genannten Art ist nach § 164 LAG bei der Berechnung des kreditgewinnabgabepflichtigen Gewinnsaldos anzurechnen. Der abweichenden Auffassung in Tz. 86 und Tz. 102 des 2. KGA-Sammelerlasses kann nicht gefolgt werden.
4) Das Verbot des Art. VIII KRG Nr. 12, Abschreibungen auf Forderungen aus Wehrmachtsaufträgen infolge des Kriegsausgangs vorzunehmen, schließt nicht das Recht und die Pflicht auf Grund des Niederstwertprinzips aus, die genannten Forderungen nur in Höhe der Selbstkosten der Lieferungen oder gegebenenfalls des höheren Teilwerts anzusetzen.
Normenkette
LAG § 164; 8-AbgabenDV-LA 9/1; 8-AbgabenDV-LA 9/2
Tatbestand
Die Abgabepflichtige hat gegenüber dem an sie ergangenen Kreditgewinnabgabebescheid folgende Einwände erhoben:
Sie habe aus der Umstellung von Forderungen gegen das Deutsche Reich aus Rüstungslieferungen in Höhe von 1.112.000 RM einen Gläubigerverlust erlitten, der auf die dem Kreditgewinnabgabebescheid zugrunde liegenden Schuldnergewinne anzurechnen sei.
Der vom Finanzamt angesetzte Schuldnergewinn aus der Umstellung von 45.182 RM (richtig: 50.202 RM) Gewerbenachsteuerschuld auf Grund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung des Jahres 1954 sei außer Ansatz zu lassen.
Zur Errechnung des Rückgangs des Betriebsvermögens in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1940 und dem 21. Juni 1948 nach § 167 des Gesetzes über den Lastenausgleich (LAG) seien dem Einheitswert des Betriebsvermögens vom 1. Januar 1940 auch die nicht entnommenen Gewinne aus den Jahren 1940 bis I/1948 in Höhe von 2.719.002 RM als Einlagen hinzuzurechnen.
Auf die Sprungberufung der Abgabepflichtigen hat das Finanzgericht unter Abänderung des Abgabebescheids des Finanzamts den geltend gemachten Gläubigerverlust zur Anrechnung gebracht und die Gläubigerverluste insgesamt auf 3.176.210 RM mit der Wirkung festgestellt, daß Kreditgewinnabgabe nicht zu erheben ist, weil die festgestellten 3.024.713 RM Schuldnergewinne hinter dem Betrag der Gläubigerverluste zurückblieben. Das Finanzgericht hat folgendes ausgeführt: Im vorliegenden Falle seien die streitigen Forderungen aus Rüstungslieferungen bei der Gewinnfeststellung 1944/1945 gemäß der Finanzinstruktion (FI) Nr. 57 der Britischen Militärregierung vom 23. November 1945 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl - 1946 S. 66) auf 1 RM zu Lasten der Gewinn- und Verlustrechnung abgeschrieben worden. Vor dem Zeitpunkt dieser Gewinnfeststellung, nämlich am 11. Februar 1946, sei indessen das Kontrollratgesetz (KRG) Nr. 12 in Kraft getreten. Dieses bestimme in seinem Art. VIII:
"Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und zur Besteuerung außerordentlicher Gewinne für natürliche und juristische Personen sowie bei der Errechnung der Steuerschuld dieser Personen für die verflossenen Jahre sind keine Gutschriften und keine Ermäßigungen für aus folgenden Ursachen entstandene Verluste zu gewähren:
Wehrmachtsaufträge,
öffentliche Schuld,
durch den Krieg verursachte Zerstörungen und Beschädigungen,
Steuergutscheine." Die Gewinnfeststellung 1944/1945 hätte daher unter Beachtung von Art. VIII KRG Nr. 12 erfolgen müssen; das KRG Nr. 12 sei auch auf Veranlagungen und Gewinnfeststellungen für 1944 und für 1945 anzuwenden gewesen, wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil I 44/50 U vom 23. Oktober 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 226, Slg. Bd. 55 S. 557) entschieden habe. Nach diesem Urteil sei die FI Nr. 57 der Britischen Militärregierung zwar eine die Steuergerichte bindende Anordnung gewesen; aber soweit diese Bestimmungen mit den Vorschriften des KRG Nr. 12 im Widerspruch ständen, seien sie mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes - 11. Februar 1946 - außer Wirksamkeit getreten, und die abweichende Verwaltungsanweisung der Finanzleitstelle, die sogenannte Ausführungsanweisung zur FI Nr. 57, vom 12. Februar 1947 (StuZBl 1947 S. 9) enthalte keine Anordnung der Britischen Militärregierung und binde die Steuergerichte nicht. Hiernach sei bei der Gewinnfeststellung 1944/1945 für die Abgabepflichtige die tatsächlich erfolgte Abschreibung auf ihre Forderungen gegen das Deutsche Reich aus Rüstungslieferungen zu Lasten des steuerpflichtigen Geschäftsgewinns unzulässig gewesen. In übereinstimmung hiermit bestimme Tz. 85 des Zweiten Sammelerlasses zur Kreditgewinnabgabe (2. KGA-Sammelerlaß) vom 12. Juli 1954 - LA 2700 - 25/54 - (BStBl 1954 I S. 350 ff.), daß RM-Forderungen an das Deutsche Reich auch nach erfolgter tatsächlicher Abschreibung für die steuerliche RM-Schlußbilanz als noch bestehend gälten. Die RM-Schlußbilanz und die DM-Eröffnungsbilanz, als Grundlagen der Berechnung der Kreditgewinnabgabe, seien im vorliegenden Falle daher unrichtig und in der Weise zu berichtigen, daß die Forderungen gegen das Deutsche Reich in der RM-Schlußbilanz mit ihrem vollen Nennbetrage angesetzt würden, während sie in der DM-Eröffnungsbilanz nur mit 1 DM zu erscheinen hätten. Hierdurch ergebe sich ein weiterer Gläubigerverlust von 1.111.999 RM. Da hiernach der Gesamtbetrag der Gläubigerverluste die Summe der Schuldnergewinne übersteige, sei die Abgabepflichtige von der Kreditgewinnabgabe freizustellen. Unabhängig hiervon richte sich die Frage, ob die Gewinnfeststellung und die Gewerbesteuerveranlagung wegen Nichtberücksichtigung des Art. VIII KRG Nr. 12 berichtigt werden könne, nach den allgemeinen Bestimmungen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Er wendet sich gegen die Zulassung der streitigen Forderungen aus Rüstungslieferungen für die Anrechnung eines zusätzlichen Gläubigerverlustes und führt an, der Bundesminister der Finanzen habe zu dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts folgende Stellung eingenommen:
"Der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf kann ich nicht zustimmen. Nach dem Wortlaut des Artikel VIII KRG Nr. 12 sollten bei der Veranlagung zur ESt keine Gutschriften und keine Ermäßigungen für Verluste aus Wehrmachtsaufträgen gewährt werden. In Fortführung der durch das KRG Nr. 12 geschaffenen Rechtslage wurde dieses Abzugsverbot als § 9 a in das EStG 1949 (Fassung vom 10. August 1949) eingefügt. Sowohl der Wortlaut der Bestimmung als auch die Stellung des späteren § 9 a im EStG beweisen, daß durch Artikel VIII nicht etwa die einkommensteuerrechtlichen Bewertungsvorschriften abgeändert oder eingeschränkt werden sollten, sondern daß dessenungeachtet lediglich bei der Ermittlung des für die Errechnung der Steuer maßgeblichen Einkommens kein derartiger Verlustabzug gestattet war. Bezogen auf die in § 163 Absatz 1 LAG genannte steuerliche Bilanz, handelte es sich also nicht um eine Vorschrift, die bei Aufstellung dieser Steuerbilanz zu berücksichtigen war, sondern um eine Gewinnermittlungsvorschrift, der nur außerhalb der Bilanz durch Zurechnung zum Bilanzgewinn Rechnung zu tragen war. Sowohl nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung als auch nach den Vorschriften der §§ 5 und 6 EStG waren die Forderungen an die Wehrmacht in der Regel als uneinbringlich zu bewerten. Eine Steuerbilanz, die diesen allgemeinen Bewertungsgrundsätzen Rechnung trug, kann aber nicht als falsch und berichtigungswürdig bezeichnet werden. Falsch ermittelt wurden lediglich der steuerbare Gewinn und die daraus resultierende ESt 1945, nicht dagegen der auf Grund der steuerlichen Bilanz festgestellte Bilanzgewinn. Für eine Berichtigung der steuerlichen Bilanz im Sinne des § 163 Abs. 1 LAG dürfte deshalb keine Ursache gegeben sein.
Nachdem der Steuerpflichtige die in Frage stehende Forderung in der Bilanz 1945 mit steuerlicher Wirkung mit 0 bewertet hat und in den fraglichen Bilanzen diesen Bilanzansatz zwangsläufig beibehielt, dürfte er auch bezüglich der für die KGA maßgeblichen RMSB an diesen Bilanzansatz gebunden sein. Wie der Steuerpflichtige selbst zugibt, sind durch die Abschreibung der Forderung von 1.112.000 RM die Ertragsteuern (ESt und GewSt) um (1.112.000 - 323.000 =) 789.000 RM gemindert worden. Es kann unterstellt werden, daß die Behandlung der fraglichen Forderung nach der FI Nr. 57 szt. ganz im Sinne des Steuerpflichtigen lag, wenn sie nicht gar von ihm beantragt worden ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben dürfte es aber verbieten, daß für verschiedene Steuern verschiedene Bilanzumsätze geltend gemacht werden, da sich der Steuerpflichtige sonst ungerechtfertigte Vorteile verschaffen würde."
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. des Vorstehers des Finanzamts ergibt folgendes:
Durch Art. VIII KRG Nr. 12 ist, wie schon in dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 44/50 U vom 23. Oktober 1951 (BStBl 1951 III S. 226, Slg. Bd. 55 S. 557) in Verbindung mit dem Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs I 11/48 S vom 28. Juli 1948 (Slg. Bd. 54 S. 254, Steuer und Wirtschaft 1948 Nr. 30) ausgesprochen ist, mit Wirkung ab Inkrafttreten dieser Bestimmungen, d. h. ab 11. Februar 1946, die Abschreibung auf Forderungen an das Deutsche Reich aus Rüstungslieferungen bei Gewinnfeststellungen und Einkommensteuerveranlagungen für 1944 und 1945 zu Lasten der steuerlichen Erfolgsrechnung untersagt worden. Soweit die Bestimmungen der FI Nr. 57 mit diesem Verbot in Widerspruch gestanden haben, sind sie mit Inkrafttreten des KRG Nr. 12 außer Wirksamkeit getreten, ohne daß die abweichend lautende Verwaltungsanweisung der Finanzleitstelle vom 12. Februar 1947 die Steuergerichte gebunden hat. Wenn sich im vorliegenden Falle die Steuerbehörde bei der Gewinnfeststellung für das Unternehmen der Abgabepflichtigen für das Wirtschaftsjahr 1944/1945 an das Abschreibungsverbot des Art. VIII KRG Nr. 12 (vgl. auch Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl. 1955, § 6 Anm. 36, S. 427) nicht gehalten hat, so ist die Gewinnfeststellung trotz der entgegengesetzten Weisungen der Verwaltungsbehörde objektiv fehlerhaft vorgenommen worden. Dieser Umstand ändert allerdings nichts daran, daß die Gewinnfeststellung für 1944/1945 rechtskräftig geworden ist und sich die Abschreibung auf die Forderungen der Abgabepflichtigen gegen das Deutsche Reich aus Rüstungslieferungen zu Lasten des steuerlichen Gewinns ausgewirkt hat.
Andererseits ist die Kreditgewinnabgabe auf der Grundlage der RM-Schlußbilanz und DM-Eröffnungsbilanz zu errechnen (ß 161, § 163, § 164 LAG). Der erkennende Senat hat die grundsätzliche Abhängigkeit der Berechnung des Gewinnsaldos für die Kreditgewinnabgabe von den Erfolgsbilanzen bereits in seinen Urteilen III 50/56 U vom 13. September 1957 (BStBl 1957 III S. 376, Slg. Bd. 65 S. 377), III 190/56 U und III 196/55 S vom 22. November 1957 (BStBl 1958 III S. 41, und 10, Slg. Bd. 66 S. 103 und 24) hervorgehoben. Nach dem einkommensteuerlichen Grundsätzen des Bilanzzusammenhangs hat sich die für das Geschäftsjahr 1944/1945 auf Grund der FI Nr. 57 vorgenommene und rechtskräftig gewordene, jedoch nach dem KRG Nr. 12 unzulässige Abschreibung der Abgabepflichtigen auf die streitigen Forderungen an das Deutsche Reich bis einschließlich zur RM-Schlußbilanz einkommensteuerlich ausgewirkt.
Was die RM-Schlußbilanz und die DM-Eröffnungsbilanz als Grundlagen der Kreditgewinnabgabeberechnung betrifft, so wird bei einer Bilanzberichtigung ein gegen zwingende Vorschriften des Abgabenrechts verstoßender Bilanzansatz durch einen steuerlich richtigen Bilanzansatz ersetzt. Welche Behandlung auch immer bei der fortlaufend veranlagten Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Platz greift, jedenfalls darf bei der einmaligen Festsetzung der den Charakter einer Vermögensabgabe tragenden Kreditgewinnabgabe angesichts ihrer großen Bedeutung für den Lastenausgleich einerseits und für die wirtschaftliche Belastung der Abgabepflichtigen andererseits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht darauf verzichtet werden, daß die Errechnung des abgabepflichtigen Kreditgewinns auf der Basis von richtigen oder berichtigten Erfolgsbilanzen vor sich geht. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Grundsatzurteil III 196/55 S vom 22. November 1957 bewußt ausgesprochen hat, ist der Berechnung der Kreditgewinnabgabe der richtig auszuweisende Wert des streitigen Postens in der RM-Schlußbilanz zugrunde zu legen. Auch in dem 2. KGA-Sammelerlaß ist unter Tz. 37 bis 40 der Standpunkt eingenommen, daß eine Bilanzberichtigung, soweit sie sich unmittelbar auf die Höhe der Schuldnergewinne und Gläubigerverluste auswirkt, stets durchzuführen ist. Die Bilanzberichtigung wird, wie in den genannten Textziffern ebenfalls ausgeführt ist, in diesen Fällen nicht etwa dadurch ausgeschlossen, daß der unrichtig errechnete Gewinnfeststellungsbescheid rechtskräftig und unabänderlich ist; vielmehr ist die Berichtigung einer Bilanz für die Kreditgewinnabgabeberechnung auch dann zulässig, wenn die mit ihr im Zusammenhang stehende Gewinnfeststellung nicht berichtigt werden kann. Unter Tz. 39 ist ausdrücklich der Fall geschildert, daß die Bilanzberichtigung zwar eine Erhöhung des steuerlichen Gewinns in der RM-Zeit zur Folge hat, eine Berichtigung der Gewinnfeststellung aber wegen ihrer Rechtskraft nicht möglich ist. Dennoch sind hinsichtlich der Kreditgewinnabgabe für die Berechnung der Schuldnergewinne und Gläubigerverluste allein die richtiggestellten Bilanzansätze verbindlich; es sind also die der Gewinnfeststellung zugrunde liegenden Gewinne oder Verluste gegebenenfalls lediglich für die Zwecke der Kreditgewinnabgabe zu berichtigen, soweit sich die Bilanzberichtigung auf solche Bilanzposten erstreckt, die für die Berechnung der Schuldnergewinne und Gläubigerverluste maßgebend sind. Gegen diesen Standpunkt läßt sich auch nicht zu Recht einwenden, die nachträgliche Anwendung des Art. VIII KRG Nr. 12 betreffe nicht die Steuerbilanz selbst und könne deshalb nicht als deren Berichtigung bezeichnet werden. Die in der Rechtsbeschwerdebegründung des Vorstehers des Finanzamts wiedergegebene Auffassung des Bundesministers der Finanzen, Art. VIII a. a. O. ordne die Zurechnung der früher abgeschriebenen Forderungen zum Bilanzgewinn lediglich außerhalb der Bilanz an, sei also nicht bei Aufstellung der Steuerbilanz selbst zu berücksichtigen, widerspricht vielmehr dem klaren Inhalt sowie dem Sinn und Zweck des Art. VIII a. a. O. Ebensowenig läßt sich § 9 a des Einkommensteuergesetzes 1949 zur Auslegung des im Jahre 1946 ergangenen KRG Nr. 12 heranziehen.
In Verfolg dieser Grundsätze ist auch in der hier vorliegenden Streitsache die fehlerhafte, nämlich Art. VIII a. a. O. verletzende Behandlung des Postens der Forderungen aus Rüstungslieferungen für die Zwecke der Kreditgewinnabgabeberechnung zu berichtigen, und zwar ohne Rücksicht darauf, daß sich die nach Art. VIII KRG Nr. 12 unrechtmäßige Ausbuchung der Forderungen einkommensteuerlich bereits zugunsten der Abgabepflichtigen ausgewirkt hat, und unabhängig davon, ob die erfolgsteuerlichen Entscheidungen als solche berichtigt werden können. Der abweichenden Auffassung, wie sie in Tz. 86 des 2. KGA-Sammelerlasses enthalten ist und die die Steuergerichte nicht bindet (vgl. Tz. 1 des genannten Erlasses), kann im Rahmen der gesamten Konzeption von der Sonderstellung der Kreditgewinnabgabe gemäß dem schon in dem Urteil III 196/55 S des erkennenden Senats vom 22. November 1957 eingenommenen Standpunkt nicht gefolgt werden. Die in dem 2. KGA-Sammelerlaß vertretene Auffassung führt zu einer ungleichmäßigen Behandlung der Kreditgewinnabgabefälle, je nachdem sich die Fehlabschreibung einkommensteuerlich ausgewirkt hat oder nicht. Die unterschiedliche Behandlung dieser beiden Gruppen von Fällen für die Kreditgewinnabgabe rechtfertigt sich um so weniger, als die wirtschaftliche Belastung der einkommensteuerlichen RM-Verpflichtung und diejenige der DM-Vermögensverpflichtung aus der Kreditgewinnabgabe nicht auf einer Ebene liegen und die einmalige Veranlagung der Kreditgewinnabgabe im Interesse eines gemäß dem LAG gerechten Lastenausgleichs grundsätzlich von richtigen Bilanzansätzen der RM-Schlußbilanz sowie der DM-Eröffnungsbilanz ausgehen muß.
Allerdings hat sich der Ausschuß für den Lastenausgleich in seinem schriftlichen Bericht zum Entwurf eines Gesetzes über den Lastenausgleich (Bundestags-Drucksache Nr. 3300, S. 19) folgendermaßen ausgesprochen:
"Als Gläubigerverluste kommen auch in Betracht Verluste von Forderungen gegen das Reich usw., die nach § 14 UG nicht umgestellt wurden, jedoch mit Ausnahme der Forderungen auf Grund der Kriegssachschäden-VO (ß 194 Abs. 3 Ziff. 5). In der britischen Zone sind solche Verluste teilweise bereits vor der RMSB abgezogen worden, was in den anderen Zonen steuerlich nicht möglich war. Sie können deswegen hier nicht mehr zur Minderung des Gewinnsaldos in Frage kommen. Der Ausschuß hat es - nach eingehenden überlegungen - nicht für notwendig gehalten, auf diese Sonderfälle einzugehen, weil in diesen Fällen der Abzug der Gläubigerverluste bereits steuermindernd gewirkt hat oder doch im Rahmen des § 196 (Abzug der Betriebsverluste) bei der Abgabeberechnung zum Zuge kommt."
Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der genannte Bundestagsausschuß an die Möglichkeit einer Berichtigung der auf Grund der FI Nr. 57 in der britischen Zone erfolgten Abschreibungen auf Forderungen an das Deutsche Reich aus Rüstungslieferungen nicht gedacht hat, als er von einer Sonderregelung absah. Die Gedankengänge des angeführten Berichts des Bundestagsausschusses haben indessen keinen Eingang in das Gesetz selbst gefunden. Der Bericht gehört lediglich zu den Materialien der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Solche Materialien haben keine selbständige Bedeutung, sondern können für die Auslegung des Gesetzes nur in Betracht kommen, wenn der aus ihnen herzuleitende Gedanke als Wille der gesetzgebenden Faktoren im Gesetz einen - wenngleich unvollkommenen oder zweideutigen - Ausdruck gefunden hat. Selbst wenn man unterstellt, daß solche in den Materialien in Erscheinung tretenden Gedanken allen Gesetzgebungsfaktoren vorgeschwebt haben bzw. von ihnen gebilligt worden sind, kann man ihnen dann nicht folgen, wenn ganz überwiegende Gründe des Wortlauts, des Zusammenhangs mit dem übrigen Gesetzesinhalt, der Zweckmäßigkeit, Billigkeit oder Folgerichtigkeit es widerraten (keine Paktentheorie! Vgl. Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Teil, 14. Aufl., 1952, S. 202). In der vorliegenden Sache ist deshalb für die Frage der Berichtigung der RM-Schlußbilanz für die Zwecke der Kreditgewinnabgabeberechnung rücksichtlich des Zusammenhangs mit dem übrigen Gesetzesinhalt zu berücksichtigen, daß das LAG, wie der erkennende Senat in seinem Urteil III 196/55 S vom 22. November 1957 anerkannt hat, wegen der grundsätzlichen und einmaligen Bedeutung der Kreditgewinnabgabe nur von berichtigten Ansätzen der RM-Schlußbilanz für die Zwecke der Kreditgewinnabgabeberechnung ausgeht. Dieser Grundsatz ist auch in § 9 Abs. 2 der Achten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz ausdrücklich bestätigt worden. Auch dort ist anerkannt, daß der Berechnung der Kreditgewinnabgabe das Ergebnis der nachträglichen Berichtigung der Ansätze der RM-Schlußbilanz zugrunde liegen kann, während die steuerliche Gewinnermittlung von abweichenden Zahlen, also von den ursprünglichen Ansätzen, ausgeht. In der "Begründung" zu § 9 ist dies als der Wille des Gesetzgebers eindeutig bestätigt worden. Diesen Grundsätzen, wie sie der Gesamtkonzeption des LAG entsprechen, ist auch hinsichtlich der Berichtigung der auf Grund der FI Nr. 57 erfolgten Abschreibungen Rechnung zu tragen.
Der Ausweg, den Tz. 102 des 2. KGA-Sammelerlasses für die Fälle des Unterbleibens der Berichtigung der RM-Schlußbilanz und der DM-Eröffnungsbilanz eröffnet, und der den nicht vorgetragenen Verlust aus der fehlerhaften Abschreibung, soweit der Betrag die sonst zum Abzug kommenden Betriebsverluste (ß 166 LAG) übersteigt, zum Abzug vom Kreditgewinnabgabegewinn zuläßt, läßt sich nicht als gesetzmäßig rechtfertigen; er führt, je nach dem Betriebsergebnis sowie dem Umfang der nach § 166 LAG abzugsfähigen Betriebsverluste des Unternehmens, zu völlig ungleichmäßigen Ergebnissen und kann deshalb nicht befriedigen (vgl. das in Tz. 102 des 2. KGA-Sammelerlasses selbst gegebene Beispiel Nr. 20).
Im übrigen ergibt sich aus dem vom erkennenden Senat eingeschlagenen Wege für die Kreditgewinnabgabe eine gleichmäßige abgabemäßige Behandlung der Forderungen aus Rüstungslieferungen in der ehemaligen britischen Besatzungszone im Vergleich zu den wirtschaftlich gleichliegenden Fällen in den übrigen Besatzungszonen der Bundesrepublik.
Deshalb ist die gesetzwidrige Ausbuchung der streitigen Forderungen der Abgabepflichtigen für die Zwecke der Kreditgewinnabgabeberechnung in der RM-Schlußbilanz und in der DM-Eröffnungsbilanz im vorliegenden Falle zu berichtigen, wie das Finanzgericht es getan hat.
Sind hiernach die streitigen Forderungen der Abgabepflichtigen aus den Rüstungsaufträgen des Reichs im Wege der Berichtigung in die RM-Schlußbilanz einzusetzen, so bleibt noch die Frage zu prüfen, in welcher Höhe dies zu geschehen hat. Das Finanzgericht ist ohne weiteres von dem Nennbetrag der Forderungen ausgegangen. Indessen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung - vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs I 11/48 S vom 28. Juli 1948 - in Anlehnung an allgemeine Steuerbilanzgrundsätze und an die Sonderrichtlinien für die Anwendung des Art. VIII KRG Nr. 12 (StuZBl 1947 S. 376) anerkannt, daß Forderungen aus rüstungswirtschaftlichen Aufträgen an Stelle des Nennbetrags lediglich mit den Selbstkosten einzusetzen sind, falls der Teilwert der Forderungen diese nicht übersteigt. Dies folgt aus dem den Kaufmann bindenden Niederstwertprinzip. Art. VIII KRG Nr. 12 verbietet zwar, Verluste auszuweisen, gebietet aber nicht, unrealisierte Gewinne - hier für den Steuerabschnitt 1944/1945 - zu versteuern. Die Sache geht deshalb an das Finanzgericht zur Prüfung zurück, ob sich durch Ansatz der Selbstkosten oder des etwa höheren Teilwerts ein Ansatz der streitigen Forderungen unterhalb ihres Nennbetrags ergibt. Ergibt sich ein niedrigerer Ansatz der Forderungen als der Nennbetrag, so mindert sich dadurch der Gläubigerverlust, der bei dem der Kreditgewinnabgabe unterliegenden Gewinnsaldo zur Anrechnung zu gelangen hat.
Soweit sich hiernach ein abgabepflichtiger Gewinnsaldo herausstellen sollte, wird über die weiteren Einwände der Abgabepflichtigen zu entscheiden sein. Der eine davon wendet sich gegen die Heranziehung des Schuldnergewinns aus der Gewerbenachsteuerschuld. Er ist gemäß dem obenangeführten Urteil des erkennenden Senats III 196/55 S vom 22. November 1957 hinfällig. Mit dem anderen Einwand verfolgt die Abgabepflichtige die Behandlung von nicht entnommenem Gewinn als Einlage im Sinne des § 167 Abs. 4 Ziff. 1 d LAG. Auch dies Begehren ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 28/56 U vom 4. Mai 1956 (BStBl 1956 III S. 189, Slg. Bd. 62 S. 507) nicht gerechtfertigt.
Fundstellen
Haufe-Index 409168 |
BStBl III 1958, 404 |
BFHE 1959, 337 |
BFHE 67, 337 |