Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 7 b-Absetzungen aufgrund wirtschaftlichen Miteigentums bei nahestehenden Personen
Leitsatz (NV)
Erwirbt der Miteigentümer eines Einfamilienhauses im Zuge der Ehescheidung den Miteigentumsanteil des früheren Ehepartners hinzu, so ist er zur Inanspruchnahme der gesamten erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG grundsätzlich nur dann befugt, wenn ihm der Miteigentümer aufgrund eindeutiger Abmachungen wirtschaftliches Eigentum an seinem Anteil eingeräumt hatte (Anschluß an Rechtsprechung des X. Senats des BFH zu § 10 e EStG). Hierfür genügt noch nicht, daß er die gesamten Anschaffungskosten des Wohnobjekts getragen hatte und es im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung vermieten konnte.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1; EStG § 7b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine ehemalige Ehefrau erwarben 1978 ein Einfamilienhausgrundstück. Sie wurden als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gewährte ihnen für das Jahr 1978 erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 6 242 DM aufgrund von Anschaffungskosten von 124 827 DM.
Noch im Jahre 1978 trennten sich die früheren Eheleute. Mit Auseinandersetzungsvertrag vom ... 1979 übertrug die frühere Ehefrau ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück auf den Kläger. Dieser übernahm alle mit dem Grundstück zusammenhängenden Verpflichtungen. Ende 1979 wurde die Ehe geschieden.
Für das Streitjahr (1980) gewährte das FA dem Kläger erhöhte Absetzungen nur für seinen ursprünglichen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhaus in Höhe von 3 121 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.
Im ersten Rechtsgang gab das Finanz gericht (FG) der Klage, mit der der Kläger erhöhte Absetzungen für das gesamte Haus in Höhe von 6 242 DM geltend machte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (FG) 1987, 238 veröffentlichten Urteil statt. Der erkennende Senat hat diese Entscheidung durch Urteil vom 27. November 1990 IX R 186/87 (BFH/NV 1991, 305) aufgehoben und die Sache an das FG mit folgender Begründung zurückverwiesen: Erhöhte Absetzungen würden nach § 7 b Abs. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nur für ein Einfamilienhaus oder ein Zweifamilienhaus oder eine Eigentumswohnung gewährt. Eheleute, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorlägen, könnten erhöhte Absetzungen für insgesamt zwei begünstigte Objekte in Anspruch nehmen. Sei ein Bauwerk mehreren Steuerpflichtigen zuzurechnen, so werde der Anteil eines Steuerpflichtigen hieran einem begünstigten Objekt gleichgestellt (§ 7 b Abs. 6 Satz 1 EStG). Das gelte nicht, wenn ein Bauwerk ausschließlich dem Steuerpflichtigen sowie seinem Ehegatten zuzurechnen sei und die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorlägen (§ 7 b Abs. 6 Satz 2 EStG). Erfüllten Ehegatten nicht mehr die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG, sei § 7 b Abs. 6 Satz 2 EStG nicht anwendbar, mit der Folge, daß jeder Anteil der beiden Eheleute an einem ihnen gemeinsam gehörenden Bauwerk als ein begünstigtes Objekt entsprechend der Grundregel des § 7 b Abs. 6 Satz 1 EStG zu behandeln sei. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG könnten gleichermaßen durch den Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht eines Ehegatten, bei dauerndem Getrennt leben der Eheleute oder durch eine Auflösung der Ehe infolge Scheidung oder Todes eines Ehegatten entfallen. In solchen Fällen trete bei jedem Ehegatten nunmehr Objektverbrauch aufgrund seines Anteils ein. Beim Kläger sei mithin Objektverbrauch aufgrund seines Anteils an dem Einfamilienhaus zu dem Zeitpunkt eingetreten, von dem an er von seiner früheren Ehefrau getrennt gelebt habe. Nach Eintritt des Objektsverbrauchs könne er erhöhte Absetzungen für ein weiteres Objekt seit dem Jahre 1979 nicht mehr geltend machen. Die Sache sei nicht spruchreif, weil nach den bisher vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht auszuschließen sei, daß dem Kläger erhöhte Absetzungen für das gesamte Einfamilienhaus seit dem Anschaffungsjahr 1978 und damit auch für das Streitjahr zustünden. Der Kläger habe das Gebäude möglicherweise schon beim Erwerb im Jahre 1978 von seiner früheren Ehefrau zum wirtschaftlichen Eigentum erhalten. Als wirtschaftlicher Eigentümer sei er zur Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen berechtigt, sofern er die Anschaffungskosten getragen und den Tatbestand der Einkunftserzielung verwirklicht habe.
Im zweiten Rechtsgang hat das FG der Klage erneut stattgegeben. Es kam nach einer Vernehmung der früheren Ehefrau des Klägers als Zeugin aufgrund der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, diese habe dem Kläger das Einfamilienhaus von Anfang an zum alleinigen wirtschaftlichen Eigentum überlassen. Er allein habe die Anschaffungskosten getragen und den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt. Zwar sei beabsichtigt gewesen, das Haus gemeinsam zu bewohnen. Die Zeugin habe aber zu dem Haus keine Beziehung gehabt und es nur einmal besichtigt. Die Initiative zum Erwerb sei vom Kläger ausgegangen. Die Zeugin habe gewußt, daß das Gebäude beim Erwerb noch bewohnt gewesen sei und erst später hätte bezogen werden können. Erst im August 1979 sei der Kläger allein eingezogen. Schon vor dem Erwerb hätten die Eheleute getrennte Wohnungen gehabt. Die Ehefrau sei wirtschaftlich selbständig gewesen. Sie habe keinerlei Einfluß auf den Grundbesitz genommen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 7 b EStG und § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FG habe dem Kläger zu Unrecht die erhöhten Absetzungen für das gesamte Haus zuerkannt. Der Kläger sei nicht von Anfang an wirtschaftlicher Eigentümer des ganzen Gebäudes gewesen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er sei von Anfang an wirtschaftlicher Alleineigentümer gewesen. Der vom bürgerlich-rechtlichen Miteigentum abweichende tatsächliche Herrschaftswille könne sich nicht nur aus einer schriftlichen Verein barung, sondern auch aus den Umständen ergeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Der erkennende Senat hat bereits im ersten Rechtsgang -- in auch ihn aufgrund des Rechtsgedankens von § 126 Abs. 5 FGO bindender Weise -- entschieden, daß der Kläger im Streitjahr grundsätzlich erhöhte Absetzungen nach § 7 b Abs. 5 EStG nur für ein Objekt beanspruchen kann, das in seinem ursprünglichen Miteigentumsanteil nach § 7 b Abs. 6 Satz 1 EStG zu erbliken ist, nachdem die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 EStG seit dem Vorjahr nicht mehr vorlagen. Der Senat hat die begehrten erhöhten Absetzungen für das gesamte Ein familienhaus nur ausnahmsweise dann für zulässig erachtet, wenn der Kläger bereits seit dem Erwerb des Einfamilienhauses im September 1978 wirtschaftlicher Eigentümer des Miteigentumsanteils seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau gewesen sein sollte. Ein solches wirtschaftliches Eigentum hat das FG im zweiten Rechtsgang rechtsfehlerhaft bejaht, indem es die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums verkannt hat.
2. Eine vom bürgerlichen Recht abweichende Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums kommt nur dann in Betracht, wenn nach dem Gesamtbild der Umstände ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach bürgerlichem Recht Berechtigten auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977), so daß der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Mai 1992 X R 61/91, BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944; vom 1. Juni 1994 X R 40/91, BFHE 174, 442, BStBl II 1994, 752). Unter nahestehenden Personen kann wirtschaftliches Eigentum grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn der bürgerlich-rechtliche Eigentümer dem anderen aufgrund eindeutiger Abmachungen eine Stellung eingeräumt hat, aufgrund derer der andere wie ein Eigentümer über das Wirtschaftsgut verfügen kann (BFH-Urteile in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944; in BFHE 174, 442, BStBl II 1994, 752).
3. Im Streitfall hat der Kläger nicht nachgewiesen, mit seiner früheren Ehefrau eine solche Abmachung über das von ihm in Anspruch genommene wirtschaftliche Eigentum an deren Miteigentumsanteil getroffen zu haben. Sie läßt sich mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung auch nicht aus den Gesamtumständen des Falles herleiten.
Allein aufgrund der Tatsache, daß der Kläger im Einverständnis mit seiner früheren Ehefrau die Anschaffung des Einfamilienhausgrundstücks allein finanziert hat, begab diese sich nicht der Verfügungsmacht über ihren Anteil am gemeinschaftlichen Grundstück. Ihre Rechtsposition wurde auch nicht aufgrund etwaiger Ansprüche des Klägers auf Aufwendungsersatz wertlos (vgl. BFH-Urteile in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944, und in BFHE 174, 442, BStBl II 1994, 752). Sie hatte die Verfügungsmacht über ihren Miteigentumsanteil schließlich auch nicht dadurch zugunsten des Klägers aufgegeben, daß sie ihm das Einfamilienhaus zur Vermietung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung überließ. Dies betrifft nur die Zurechnung der Einkünfte (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1990 IX R 110/86, BFHE 162, 429, BStBl II 1991, 142, zur Nutzung einer Wohnung gegen den Willen des Eigen tümers). Der Kläger erlangte die volle Verfügungsmacht über das Einfamilienhausgrundstück erst, als seine frühere Ehefrau ihm ihren Miteigentumsanteil im Rahmen der Ehescheidung aufgrund des Auseinandersetzungsvertrages vom ... 1979 übertrug.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben.
4. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, weil der Kläger erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG nach den vor stehenden Ausführungen nur für seinen ursprünglichen Miteigentumsanteil beanspruchen kann, wie sie das FA angesetzt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 420270 |
BFH/NV 1995, 508 |