Leitsatz (amtlich)
Ein nach § 4 Nr. 4 GrStG in Verbindung mit § 7 GrStDV anerkannter Sportverein, der nach seiner Satzung auch die Förderung der Freikörperkultur bezweckt, war an den Stichtagen vom 1. Januar 1964 bis einschließlich 1. Januar 1967 nicht ausschließlich gemeinnützig im Sinne des § 17 StAnpG. Er konnte deshalb die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 3 Buchstabe b GrStG nicht in Anspruch nehmen. Für seine sportlichen Anlagen im Sinne des § 8 GrStDV stand ihm jedoch die Steuerfreiheit des § 4 Nr. 4 GrStDV zu.
Normenkette
StAnpG § 17; GrStG § 4 Nr. 3 Buchst. b, Nr. 4; GrStDV §§ 7-8
Tatbestand
Der Kläger, ein eingetragener Verein, hat nach seiner Satzung den Zweck, Schwimmbäder, Sport- und Erholungsstätten zu errichten und zu unterhalten. Er will seinen Mitgliedern die Möglichkeit zu Sport und Spiel, insbesondere als Familiensport im Sinne des "zweiten Weges" des Deutschen Sportbundes und als Freikörperkultur im Rahmen gesetzlicher Gestattung verschaffen. Er will damit die Gewandheit und Leistungsfähigkeit seiner Mitglieder fördern. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt der körperlichen und sittlichen Erziehung der Jugend. Der Kläger ist seit Januar 1962 Mitglied eines Turnerbundes und gehört damit auch dem Landessportbund an. Außerdem ist er Mitglied des Deutschen Verbandes für Freikörperkultur e. V. (DFK).
Der Kläger ist Eigentümer eines über 2,85 ha großen Grundstücks. Er hat weitere Grundstücke hinzugepachtet und die so entstandene Fläche in einer Größe von etwa 5 ha zu einem großen Sport- und Erholungspark ausgestattet. Es wurden ein 25x 12,5m großes Schwimmbecken und Dusch-, Wasch- und Umkleideräume errichtet. Es wurden Spielfelder für Volleyball, Badminton, Ring- und Tischtennis sowie ein Kinderspielplatz mit Planschbecken, Kletter- und Hangelgerüsten, Schaukeln und Wippen geschaffen. Nach den Feststellungen des FG stellt der Kläger außerdem seinen Mitgliedern auch gemietete Sporthallen zur Verfügung, so z. B. ganzjährig für Abendstunden mehrere städtische Turnhallen und einmal wöchentlich eine städtische Badeanstalt. Im Verein haben sich mehrere Mannschaften gebildet, die sich mit Sportvereinen in verschiedenen Klassen an Rundenspielen für Volleyball und Tischtennis beteiligen.
Das FA hatte den Kläger früher als gemeinnützig im Sinne des § 17 StAnpG anerkannt. Es hat durch Verfügung vom 3. Juni 1964 diese Anerkennung widerrufen. Es stellte im Wege der Nachfeststellung den Einheitswert des Grundstücks des Klägers zum 1. Januar 1964 auf 18 100 DM und setzte den Grundsteuermeßbetrag auf 90,50 DM fest. Es führte sodann Wertfortschreibungen des Einheitswerts und Fortschreibungsveranlagungen des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1965 (Einheitswert 20 900 DM, Grundsteuermeßbetrag 104,50 DM), auf den 1. Januar 1966 (Einheitswert 22 700 DM, Grundsteuermeßbetrag 113,50 DM) und auf den 1. Januar 1967 (Einheitswert 34 300 DM, Grundsteuermeßbetrag 240,10 DM) durch. Der Einspruch, mit dem der Kläger Aufhebung dieser Einheitswerte und Grundsteuermeßbescheide erstrebte, weil das Grundstück nach § 4 Nr. 4 GrStG und nach § 4 Nr. 3 Buchstabe b GrStG grundsteuerbefreit sei, hatte keinen Erfolg. Die Klage wurde abgewiesen.
Der Kläger beantragt mit der Revision, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und die angefochtenen Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheide aufzuheben. Hilfsweise beantragt er festzustellen, daß er gemeinnützig im Sinne der §§ 17 bis 19 StAnpG sei. Es wird Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird gerügt, daß das FG Beweisangebote übergangen oder erbrachte Beweise unberücksichtigt gelassen habe. So habe das FG festgestellt, der Sport und die Erholung bedeuteten für den Kläger nur ein Mittel für die zugleich angestrebte Freikörperkultur. Demgegenüber habe er vorgetragen, die Mitglieder übten den Sport immer dann bekleidet aus, wenn das die Witterung und die Gesundheit geböten oder wenn aus sonstigen Gründen Nacktheit unsinnig oder störend wirke. Bei sportlichen Begegnungen mit anderen Sportvereinen oder bei sonstigen Veranstaltungen trügen die Mitglieder ohnehin Bekleidung. Damit habe er darzulegen versucht, daß es dem Verein allein auf die Ausübung des Sports überhaupt, und zwar des Familiensports, ankomme. Er habe dafür Beweise angeboten. Das FG habe ferner festgestellt, daß die Freikörperkultur die Grundlage des gesamten Vereinslebens des Klägers sei und er sich dadurch wesentlich von anderen Sportvereinen unterscheide. Im Gegensatz dazu sei unter Beweis gestellt worden, daß das vielleicht für frühere Zeiten gegolten habe, daß aber jetzt der Kläger wie alle Freikörperkulturvereine sich ausschließlich nur noch mit der Ausübung des Sports, und zwar hauptsächlich des Familien- und Breitensports, befasse. Das FG habe festgestellt, daß nur ein im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung verschwindend kleiner Teil in unbekleidetem Zustand Sport betreibe. Der Kläger habe zum Beweis der Unrichtigkeit dieser Feststellung einen Zeugen benannt und sich auf das Gutachten eines Instituts für Demoskopie berufen. Schließlich habe das FG festgestellt, daß der Kläger kein Sportverein sei. Abgesehen davon, daß die Definition des FG, was ein Sportverein sei, nicht haltbar sei, entbehre die Feststellung, der Kläger betreibe nicht systematisch unter Anleitung von Trainern, Sport- und Spielleitern Sport, jeder realen Grundlage. Das FG habe die angebotenen Beweise übergangen und sei zu der auch nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung überraschenden Feststellung gekommen, daß der Kläger kein Sportverein sei. In materiell-rechtlicher Hinsicht werde die Verkennung des Begriffs "gemeinnützige Zwecke" gerügt. Es sei nirgends die Rede davon, daß die sportliche Betätigung bekleidet erfolgen müsse. Das FG habe auch zu Unrecht die Gemeinnützigkeit deswegen versagt, weil die behauptete Förderung des Volkssports nur den Vereinsmitgliedern zugute komme, die Mitgliedschaft zwar jedem offenstehe, die meisten Menschen aber nicht beitreten wollten. Diese Argumentation sei unlogisch, denn bei allen Sportvereinen komme die Förderung des Volkssports nur den Vereinsmitgliedern zugute. Die einzelnen Sportarten würden immer nur von einem kleinen Teil der Allgemeinheit betrieben. Wenn überhaupt von Allgemeinheit gesprochen werden solle, dann verkörpere der Kläger ein größeres Maß an Allgemeinheit als ein im übrigen gemeinnütziger Box- oder Golfclub. Das FG habe auch den Begriff der sportlichen Betätigung falsch definiert. Förderungswürdig sei nicht nur der Leistungssport, sondern vor allem der Breitensport, auf dem beim Kläger der Schwerpunkt liege. Wenn der Kläger einen kleinen Teil seines Geländes den Mitgliedern zur Aufstellung von Zelten und Wohnwagen gegen ein die Selbstkosten deckendes geringes Entgelt zur Verfügung stelle, so liege allenfalls ein steuerunschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor. Die Gemeinnützigkeit könne auch nicht dadurch verloren gehen, wie das FG meine, daß die Einrichtungen des Klägers nicht ausschließlich sportlichen Zwecken, sondern daneben auch der Erholung der Mitglieder diene. Denn die Förderung der Erholung diene der öffentlichen Gesundheitspflege und sei damit auch gemeinnützig. Es sei keinem Verein verwehrt, mehrere gemeinnützige Zwecke zu verfolgen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Das FG hat zu Recht eine Befreiung des Grundbesitzes des Klägers nach § 4 Nr. 3 Buchstabe b GrStG wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke abgelehnt. Die Gemeinnützigkeit des Klägers könnte zwar anerkannt werden, wenn er die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege, der Jugendpflege und Jugendfürsoge sowie der körperlichen Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen (Turnen, Spiel und Sport), die er sich nach seiner Satzung zum Ziel gesetzt hat, ausschließlich betreiben würde (vgl. § 17 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StAnpG). Das FG hat jedoch mit Recht hervorgehoben, daß der Kläger neben diesen Zwecken satzungsmäßig auch die Förderung der Freikörperkultur bezweckt, was auch darin zum Ausdruck kommt, daß er Mitglied des DFK ist; denn diese Mitgliedschaft hat nach § 3 der Satzung dieses Dachverbandes zur Voraussetzung, daß die Satzung des Klägers nicht im Widerspruch zu dessen Satzung steht. Das FG konnte schon daraus schließen, daß der Kläger auch die Förderung der Freikörperkultur bezweckt. Es brauchte keine weiteren Feststellungen darüber zu treffen, ob die Mitglieder bei ihrer vereinsinternen sportlichen Betätigung keinerlei Bekleidung tragen, ob die Förderung der Freikörperkultur der Hauptzweck des Klägers ist und als eine Art Weltanschauung angesehen werden muß. Es liegt deshalb auch keine Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht vor, wenn das FG den diesbezüglichen Beweisanträgen des Klägers nicht stattgegeben hat.
Der I. Senat des BFH hat in dem Urteil I 122/62 U vom 31. Oktober 1963 (BFH 78, 212, BStBl III 1964, 83) entschieden, daß die Förderung der Freikörperkultur damals nach der Volksanschauung nicht als Verfolgung eines gemeinnützigen Zwecks anzusehen sei. Er hat diese Entscheidung damit begründet, daß damals die Bestrebungen der Freikörperkultur von weiten Kreisen der Bevölkerung abgelehnt würden und ihre Betätigung vom Staat zwar toleriert, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit zugelassen werde, so daß nicht anzunehmen sei, daß sie nach der Volksanschauung als dem allgemeinen Besten auf geistigem oder sittlichem Gebiet nützlich angesehen werden könnten. Der I. Senat hat in einem Beschluß I B 34/69 vom 20. November 1969 (BFH 97, 281, BStBl II 1970, 133) ausgeführt, auch wenn nach der Behauptung des Vereins die Anschauungen in der Bevölkerung sich inzwischen erheblich zugunsten der Freikörperkultur verändert hätten, sei nicht zu verkennen, daß auch heute noch weite Kreise der Bevölkerung sich ablehnend verhielten. Der Senat tritt dieser Auffassung des I. Senats bei. Er ist ebenfalls der Meinung, daß die Förderung der Freikörperkultur auch nach den Verhältnissen an den hier maßgebenden Stichtagen nicht als gemeinnützig anerkannt werden kann. Es kann unerörtert bleiben, ob sich seitdem die Einstellung der Allgemeinheit entscheidend geändert hat und sich das durch die Meinungsumfrage eines Demoskopischen Instituts nachweisen läßt. Das FG hat jedenfalls seine Ermittlungspflicht nicht verletzt, wenn es das Ergebnis einer solchen im Jahre 1969 durchgeführten Umfrage nicht berücksichtigt hat. Der Kläger war danach an den hier maßgebenden Stichtagen kein Verein, der ausschließlich gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, so daß ihm für seinen Grundbesitz nicht die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 3 Buchstabe b GrStG gewährt werden kann.
2. Der Senat folgt dagegen nicht der Auffassung des FG, daß der Grundbesitz des Klägers auch nach § 4 Nr. 4 GRStG nicht grundsteuerbefreit sei, weil der Kläger kein Sportverein im Sinne dieser Vorschrift sei. Es ist dem Kläger darin zuzustimmen, daß entgegen der Auffassung des FG nicht nur solche Vereinigungen als Sportvereine anerkannt werden können, die die körperliche Ertüchtigung ihrer aktiven Mitglieder systematisch fördern, sondern daß unter diesen Begriff Vereinigungen fallen, die die körperliche Ertüchtigung durch Leibesübung auf breitester Grundlage fördern wollen. Der Begriff des Sportvereins setzt auch nicht, wie das FG anzunehmen scheint, voraus, daß die Vereinigung - wie bei der Frage der Gemeinnützigkeit - ausschließlich sportliche Zwecke verfolgt. Es genügt, daß sie den Sport fördern will. Eine Einschränkung ergibt sich nur daraus, daß in § 4 Nr. 4 GrStG verlangt wird, daß es sich um einen "anerkannten" Sportverein handelt. Das bedeutet nach § 7 Abs. 1 GrStDV, daß der Verein einem durch die Landesregierung anerkannten Sportverband angehören oder unmittelbar durch die Landesregierung anerkannt sein muß. Diese Voraussetzung hat jedoch der Kläger nach den Feststellungen des FG erfüllt. Deshalb kann ihm die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 4 GrStG für seinen Grundbesitz nicht schon mit der Begründung versagt werden, daß er kein Sportverein im Sinne dieser Vorschrift sei.
3. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 4 GrStG wird für Grundbesitz gewährt, der "für sportliche Zwecke" benutzt wird. Als für sportliche Zwecke benutzter Grundbesitz sind nach § 8 Abs. 1 und 2 GrStDV solche Anlagen (Plätze und Räume) anzusehen, die für die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen (Turnen, Spiel und Sport) benutzt werden und für diese Zwecke besonders hergerichtet sind. Dazu gehören z. B. auch Unterrichts- und Ausbildungsräume, Übernachtungsräume für Trainingsmannschaften, Dusch- und Waschräume und Räume zur Aufbewahrung des Sportgeräts. Nicht dazu gehören dagegen nach § 8 Abs. 3 GrStDV solche Räume, die der Erholung oder der Geselligkeit dienen. Das FG ist der Auffassung, daß sämtliche Anlagen des Klägers "vorwiegend" auch für Erholungs- und gesellige Zwecke mitbenutzt würden, ohne daß eine räumliche Trennnung möglich wäre. Es hat deshalb unter Berufung auf § 6 Abs. 3 GrStG den Grundbesitz des Klägers in vollem Umfang für steuerpflichtig gehalten. Diese Beurteilung wird jedoch durch die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht voll gedeckt. Nach diesen Feststellungen ist auf dem eigenen Grundbesitz das Schwimmbecken errichtet, sowie "auf der Gesamtfläche" die sonstigen Anlagen, einschließlich der Spielfelder und des Kinderspielplatzes. Aus diesen Feststellungen ergibt sich nicht eindeutig, welche Anlagen auf dem eigenen Grundbesitz des Klägers stehen. Das ist aber entscheidend, weil es, wenn eine räumliche Trennung der Benutzung für sportliche und für Erholungszwecke nicht möglich ist, nach § 6 Abs. 3 GrStG darauf ankommt, welcher der beiden Zwecke überwiegt. Da insofern die Möglichkeit eines Rechtsirrtums des FG besteht, war die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dieses wird noch Feststellungen zu treffen haben, welche Anlagen sich auf dem eigenen Grundbesitz des Klägers befinden, ob eine Abgrenzung nach räumlichen Gesichtspunkten möglich ist, oder, wenn das nicht der Fall ist, in welchem Umfang sie für sportliche und für Erholungszwecke benutzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 413017 |
BStBl II 1972, 197 |
BFHE 1972, 88 |