Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht steuerbarer Erwerb eines Anteils an einer grundbesitzenden GbR
Leitsatz (NV)
- Die Übertragung eines Anteils an einer grundbesitzenden GbR erfüllt als solche nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Eine Besteuerung nach dieser Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn ein Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO 1977 vorliegt.
- Übertragen Miteigentümer eines Grundstücks das Grundstück auf eine (nur) aus ihnen bestehende GbR und überträgt einer der Einbringenden unmittelbar im Anschluss daran seinen Anteil an der GbR auf einen Dritten, so kann einer darin ggf. zu sehenden missbräuchlichen Ausnutzung der Steuerbegünstigung des § 5 Abs. 1 GrEStG 1983 durch eine Versagung dieser Steuervergünstigung nach den von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätzen begegnet werden. Der Gesichtspunkt der Steuervermeidung rechtfertigt es jedoch nicht, eine (Grunderwerbsteuer-) Tatbestandsmäßigkeit der sich an die Einbringung der Grundstücke in die GbR anschließenden Übertragung eines Gesellschaftsanteils zu begründen.
Normenkette
AO 1977 § 42; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Eheleute X waren Miteigentümer je zur Hälfte eines mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 2. November 1995 gründeten die Eheleute eine GbR, in die sie das Grundstück einbrachten. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom selben Tag veräußerte die Ehefrau ihren Anteil an der Gesellschaft an den Kläger und Revisionskläger (Kläger), den Bruder ihres Ehemanns.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah die Übertragung des Gesellschaftsanteils als grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang an und setzte hierfür gegen den Kläger durch Bescheid vom 19. Dezember 1995 Grunderwerbsteuer in Höhe von 10 500 DM fest. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Es liege ein steuerpflichtiger Grundstückserwerb i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 i.V.m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) vor.
Mit der dagegen gerichteten Klage wurde geltend gemacht, dass kein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang verwirklicht worden sei.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme § 42 Satz 1 AO 1977 auch bei der Übertragung besonders ausgestalteter Mitgliedschaftsrechte an einer GbR zur Anwendung, wenn diese Übertragung im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis der Verschaffung eines Grundstücks oder Grundstücksanteils gleichkomme. Grunderwerbsteuerrechtlich habe der Kläger im Streitfall nicht einen Gesellschaftsanteil, sondern wegen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten einen Anteil am Grundstück erworben. Das zeitliche Zusammentreffen von Gründung einer Immobiliengesellschaft und Anteilsübertragung am selben Tag lasse allein den Schluss zu, dass die Gestaltung der Umgehung der Grunderwerbsteuer dienen solle.
Die Revision hat das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Klärungsbedürftig sei, ob neben dem ―im Streitfall nicht gegebenen― Sondertatbestand der Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft (vgl. § 1 Abs. 2a und 3 GrEStG 1983) noch allgemein auf die Vorschrift des § 42 AO 1977 zurückgegriffen werden dürfe.
Mit der Revision macht der Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend. Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung der Klage stattzugeben und den Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben.
Das beklagte FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage. Der Kläger wird durch den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung in seinen Rechten verletzt. Diese sind daher aufzuheben.
1. Rechtsfehlerhaft hat das FG angenommen, dass der Erwerb des (vermögensmäßig hälftigen) Anteils an der GbR durch den Kläger aufgrund des Vertrags vom 2. November 1995 der Grunderwerbsteuer unterliegt.
a) Die vom FA besteuerte Übertragung eines Anteils an einer grundbesitzenden GbR erfüllt als solche nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, da weder durch die Verpflichtung zur Anteilsübertragung noch durch die Übertragung selbst ein Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Gesellschaftsgrundstück begründet wurde. Auch ein anderer Tatbestand des § 1 GrEStG 1983 wird durch diese Anteilsübertragung nicht erfüllt.
b) Eine Besteuerung der Übertragung des Anteils an der GbR kommt daher im Streitfall ―insoweit ist dem FG im Ansatz zu folgen― allenfalls in Betracht, wenn durch sie der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 erfüllt ist. Dabei stellt sich die Frage nicht, ob neben dem neu geschaffenen Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG 1983 auch § 42 AO 1977 noch einen Anwendungsbereich findet, da § 1 Abs. 2a GrEStG 1983 auf den Streitfall in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar ist (§ 23 Abs. 3 GrEStG 1983).
c) Entgegen der Auffassung des FG liegt kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zur Umgehung des Steuergesetzes i.S. von § 42 AO 1977 vor.
Zu Unrecht beruft sich das FG insoweit zur Stützung seiner Auffassung auf das BFH-Urteil vom 27. März 1991 II R 82/87 (BFHE 164, 473, BStBl II 1991, 731). Nach dieser Entscheidung kann bei Übertragung eines Anteils an einer grundbesitzenden Personengesellschaft über eine Anwendung des § 42 AO 1977 eine Grunderwerbsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 dann in Betracht kommen, wenn durch besondere gesellschaftsvertragliche Gestaltung die Beteiligung an der Personengesellschaft den Gesellschafter gesellschaftsintern (schuldrechtlich) so stellt, als sei er Eigentümer eines bestimmten Wohnungseigentums an einem von der Gesellschaft gehaltenen Grundstück und wenn er gleichzeitig durch einseitige Erklärung diese Rechtsposition in einen Anspruch auf rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung umwandeln kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Februar 2001 II R 35/99, BFH/NV 2001, 1144, m.w.N.). Vom Vorliegen einer derartigen Sachverhaltskonstellation kann im Streitfall keine Rede sein.
d) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO 1977 auch dann vorliegen, wenn alle Anteile an einer grundbesitzenden GbR übertragen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 II R 79/88, BFH/NV 1992, 410, m.w.N.). Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass durch den vollständigen Wechsel im Personenstand einer Personengesellschaft, der als solcher nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt, dasselbe Ergebnis erreicht wird, wie durch den Abschluss eines auf die Übereignung des Grundstücks gerichteten Kaufvertrags zwischen Alt- und Neugesellschaftern in ihrer jeweiligen gesamthänderischen Verbundenheit. Verbleibt auch nur ein Gesellschafter in der Gesellschaft, so kommt es nicht zu einer dem Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 vergleichbaren auf die Übertragung des Grundstücks gerichteten Gestaltung (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 II R 18/89, BFH/NV 1992, 338). Der Kläger hat jedoch nur einen von zwei Anteilen an der GbR erworben. Eine Anwendung des § 42 AO 1977 nach den vorangestellten Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats ist daher ebenfalls nicht möglich.
e) Das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs kann auch nicht aus einer "Gesamtschau" der von den Beteiligten am 2. November 1995 verwirklichten Sachverhalte (Gründung der GbR, Übertragung der Miteigentumsanteile am Grundstück von den Eheleuten auf die GbR, Übertragung des Gesellschaftsanteils der Ehefrau auf den Kläger) ―wie sie womöglich dem FG vorgeschwebt hat― abgeleitet werden. Allein grunderwerbsteuerbar ist vorliegend die Übertragung der Miteigentumsanteile am Grundstück von den Eheleuten auf die zunächst aus ihnen bestehende GbR, nicht aber die danach erfolgte Übertragung des Gesellschaftsanteils der Ehefrau. Die grunderwerbsteuerbare Übertragung der Miteigentumsanteile ist zwar dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 GrEStG 1983 nach begünstigt, einer missbräuchlichen Ausnutzung dieser Steuervergünstigung wird jedoch grunderwerbsteuerrechtlich dadurch begegnet, dass deren Gewährung nach ständiger Rechtsprechung des Senats ―trotz (formaler) Beteiligung des Grundstücksveräußerers am Vermögen der Gesamthand im Einbringungszeitpunkt― u.a. dann ausscheidet, wenn und soweit der Grundstücksveräußerer entsprechend einer im Einbringungszeitpunkt bereits bestehenden Absprache zwischen den Gesellschaftern im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen bzw. sich durch eine beabsichtigte Neuaufnahme von Gesellschaftern seine vermögensmäßige Beteiligung verringern soll (vgl. statt vieler BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 II R 72/94, BFHE 181, 344, BStBl II 1997, 87, sowie BFH-Beschluss vom 4. August 1999 II B 3/99, BFHE 189, 547, BStBl II 1999, 834). Das FA und ―ihm im Ergebnis folgend― das FG haben mithin verkannt, dass im Streitfall der Gesichtspunkt der Steuervermeidung zwar bei der grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung der Einbringung der Miteigentumsanteile von den Eheleuten auf die GbR Berücksichtigung finden könnte, nicht aber eine Tatbestandsmäßigkeit der anschließenden Übertragung des Gesellschaftsanteils begründen kann. Über die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung der Übertragung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken durch die Eheleute auf die von ihnen gegründete GbR hat der Senat jedoch nicht zu befinden, da dieser Lebenssachverhalt von dem angefochtenen Bescheid nicht erfasst ist.
Die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist daher aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Ausgehend von den vorangestellten Grundsätzen zur Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 wird durch die vom FA zur Besteuerung herangezogene Anteilsübertragung auf den Kläger durch den Vertrag vom 2. November 1995 kein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang verwirklicht. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung sind daher rechtswidrig und aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 1092910 |
BFH/NV 2004, 367 |