Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg im Umwandlungsfall
Leitsatz (amtlich)
Der Übernahmegewinn aus der Umwandlung einer GmbH auf ihren bisherigen Alleingesellschafter ist kein Gewinn aus Anteilen i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 2a; UmwStG 1977 § 5 Abs. 3, 5, § 18 Abs. 1-2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 2000, 185) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an der S-GmbH (GmbH) zuletzt als einziger Gesellschafter beteiligt. Die GmbH beschloss in der Gesellschafterversammlung vom 21. März 1994 die Übertragung des Vermögens der Gesellschaft unter Ausschluss der Abwicklung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (UmwG) auf den Kläger als Einzelunternehmer unter Zugrundelegung der Umwandlungsbilanz zum 31. Dezember 1993. Der Beschluss wurde am 27. April 1994 in das Handelsregister eingetragen. Ein Gewinnverwendungsbeschluss für 1993 wurde nicht gefasst.
Die Umwandlungsbilanz zum 31. Dezember 1993 wies ―so das Finanzgericht (FG)― nach übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten thesaurierte Gewinne in Höhe von 1 123 280 DM sowie ein gemäß § 12 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1977) anzurechnendes Körperschaftsteuerguthaben von 1 132 728 DM aus. Beim Erlass des Gewerbesteuermessbescheides 1993 vom 8. September 1995 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) die Summe aus dem mit 1 123 280 DM ermittelten Übernahmegewinn gemäß § 5 Abs. 5 UmwStG 1977 und dem Erhöhungsbetrag gemäß § 5 Abs. 3 UmwStG 1977 in Höhe von 1 132 728 DM (= 2 256 008 DM) nach § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1977 zu 1/3 ―also in Höhe von 752 002 DM― als steuerpflichtigen Gewerbeertrag an.
Das FG gab der Klage mit der der Kläger eine Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Höhe des Übernahmegewinns von 752 002 DM beantragt hatte, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. April 1997 X R 6/95 (BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25) statt. Dem Kläger stehe das Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a GewStG zu. Der Übernahmegewinn stelle einen aus dem Besitz der Anteile gezogenen wirtschaftlichen Vorteil dar und sei mit dem nach Abschluss der Liquidation in Form der Liquidationsrate ausgeschütteten verbleibenden Reinvermögen vergleichbar. Der Gewinn sei demnach um darin enthaltene Gewinne aus Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft zu kürzen. Die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 185.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Nr. 2a GewStG. Werde eine Kapitalgesellschaft auf ein Einzelunternehmen umgewandelt, so unterliege ein sich dabei aus § 5 Abs. 3 und Abs. 5 UmwStG 1977 gegebenenfalls ergebender Übernahmegewinn der ―gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1977 ermäßigten― Gewerbesteuer (§ 18 Abs. 1 UmwStG 1977). Das FG habe den Übernahmegewinn und den Erhöhungsbetrag zu Unrecht als "Gewinne aus Anteilen" i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG behandelt. Dass der Kläger eine Gewerbesteuerbelastung mit anderen Gestaltungen (Liquidation oder vorherige Gewinnausschüttung) gegebenenfalls habe vermeiden können, sei unbeachtlich.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Der Übernahmegewinn aus der Umwandlung der GmbH auf ihren bisherigen Alleingesellschafter gemäß § 5 Abs. 5 UmwStG 1977 ist ―einschließlich des Erhöhungsbetrages gemäß § 5 Abs. 3 UmwStG 1977― kein "Gewinn aus Anteilen" i.S. des § 9 Nr. 2a GewStG.
1. Für den im Streitfall gegebenen Vermögensübergang von einer Kapitalgesellschaft auf eine natürliche Person bestimmt sich die Gewerbesteuerpflicht eines Übernahmegewinns nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG 1977 in der vom 1. Januar 1977 bis 31. Dezember 1994 gültigen Fassung. Nach § 18 Abs. 1 UmwStG 1977 gelten die Vorschriften der §§ 3, 5, 6, 8, 10 Abs. 1, §§ 11 und 17 vorbehaltlich des Absatzes 2 auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags. Nach § 5 Abs. 5 UmwStG 1977 ist Übernahmegewinn der infolge des Vermögensübergangs sich ergebende Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft ―der GmbH― und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind. Nach Abs. 3 der Vorschrift erhöht sich der Übernahmegewinn u.a. um die nach § 12 UmwStG 1977 anzurechnende Körperschaftsteuer.
Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1977 ist der Übernahmegewinn nur mit einem Drittel anzusetzen. Ob sich aus der anderslautenden Fassung des § 18 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes vom 28. Oktober 1994 (UmwStG 1995), wonach ein Übernahmegewinn nicht zu erfassen ist, gegebenenfalls ergibt, dass der Übernahmegewinn nunmehr bereits nicht als ein Gewinn zu qualifizieren ist, der der Gewerbesteuer i.S. des § 7 GewStG unterliegt (vgl. BFH-Beschluss vom 5. November 1998 VIII B 74/98, BFH/NV 1999, 468), ist für den das Jahr 1993 betreffenden Streitfall unmaßgeblich. Die Höhe des vom FA ermittelten Übernahmegewinns ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
2. Die sich aus § 18 UmwStG 1977 ergebende (ermäßigte) Gewerbesteuerpflicht des Übernahmegewinns ist nicht durch eine entsprechende Kürzung des Gewinns gemäß § 9 Nr. 2a GewStG wieder zu beseitigen.
a) § 9 Nr. 2a GewStG sieht eine Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 2 GewStG vor, an der das Unternehmen zu Beginn des Erhebungszeitraums mit einem bestimmten Mindestanteil am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist, wenn die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sind. Gewinne aus Anteilen sind insbesondere Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes ―EStG― (vgl. BFH-Urteile vom 5. Dezember 1990 I R 116/84, BFHE 163, 210, BStBl II 1991, 372; in BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 2a Rz. 5). Der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist indes kein von der Kapitalgesellschaft ausgeschütteter Gewinn, er entsteht vielmehr originär beim Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 2001 IV R 75/99, BFHE 194, 421, BFH/NV 2001, 1195).
Die im Streitfall durchgeführte Übertragung ist ―wie auch § 5 Abs. 2 UmwStG 1977 zeigt― ein Anschaffungs- bzw. Veräußerungsvorgang. Gegenstand dieser Anschaffung bzw. Veräußerung ist das Vermögen eines Rechtsträgers (der GmbH), das als Ganzes auf einen anderen Rechtsträger (den Alleingesellschafter) übergeht, wobei die übertragende GmbH sowie die an ihr bestehenden Anteile gleichzeitig untergehen. Der Vorgang unterscheidet sich damit von der bloßen Gewinnausschüttung, die den Fortbestand der ausschüttenden Kapitalgesellschaft und der Anteile an derselben unberührt lässt.
In der Bilanz des übernehmenden Alleingesellschafters tritt das übergehende Vermögen der Beteiligungsgesellschaft an die Stelle des Buchwerts der Beteiligung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 163, 210, BStBl II 1991, 372; vom 8. Dezember 1971 I R 164/69, BFHE 104, 163, BStBl II 1972, 229, unter 1. b bb). Je nachdem, ob der Buchwert unter, über oder gleich dem Wert des übertragenen (Rein-)Vermögens ist, kann es hierdurch zu einem Gewinn, einem Verlust oder zu keiner Gewinnauswirkung kommen. Die Situation ist damit nicht anders als im Falle eines Verkaufs der GmbH an einen Nichtgesellschafter, wenn dort der für die hingegebene Beteiligung erzielte Erlös über oder unter dem Buchwert liegt oder sich die Werte entsprechen.
b) Die Übertragung erfolgt zum andern aber auch ausdrücklich "unter Ausschluss der Liquidation"; das Vermögen geht ohne Zerschlagung als Ganzes auf den neuen Rechtsträger über. Eine Umwandlung ist deshalb auch nicht einer Liquidation vergleichbar, bei der die Auskehrungen aufgrund des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG im Ergebnis so behandelt werden, als ob es sich um Gewinnanteile handelt, obwohl sie es nicht sind (so BFH-Urteil vom 19. Mai 1998 I R 86/97, BFHE 186, 515, BStBl II 1998, 715). Die Grundsätze des Urteils in BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25 sind daher nicht auf den Streitfall übertragbar.
3. Dass es dadurch, dass die thesaurierten Gewinne bei der GmbH bereits der Gewerbesteuer unterworfen waren, zu einer ―wenn auch begrenzten― gewerbesteuerlichen Doppelbelastung kommt, steht dem nicht entgegen. Anders als beim Körperschaftsteuergesetz 1977 ist bei der Gewerbesteuer eine Doppelbelastung steuersystematisch nicht ausgeschlossen.
Auch im Anwendungsbereich des Umwandlungsrechts gilt nichts anderes. Zwar wollte der Gesetzgeber mit dem Umwandlungsgesetz den Beteiligten einen gegenüber der Liquidation und Einzelrechtsübertragung einfachen und weitgehend steuerneutralen Weg eröffnen. Der Gesetzgeber, der die gewerbesteuerliche Belastung gesehen hat, hat aber zur Erleichterung von Umwandlungen nur eine Ermäßigung gemäß § 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 UmwStG 1977 auf ein Drittel für geboten und ausreichend erachtet (vgl. Begründung zum Entwurf eines UmwStG 1977, BTDrucks 7/4803, zu § 18; Bericht des Finanzausschusses des Bundestags zum Entwurf eines UmwStG 1977, BTDrucks 7/5502, Abschn. I Nr. 2a; BFH-Urteil vom 28. Februar 1990 I R 92/86, BFHE 160, 262, BStBl II 1990, 699). Erst mit dem UmwStG 1995 hat er die gewerbesteuerliche Doppelbelastung zur Gänze beseitigt.
Unbeachtlich ist es, dass der steuerlich beratene Kläger in seinem Fall bei einer anderen Gestaltung (Liquidation oder vorherige Gewinnausschüttung) gegebenenfalls die Gewerbsteuerbelastung hätte vermeiden oder vermindern können; die Besteuerung knüpft an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt an (zu dem Umweg einer vorherigen Ausschüttung vgl. beispielsweise Widmann/Meyer, Umwandlungssteuerrecht 1977, § 18 UmwStG 1977, Rz. 6408.4 und 6418, m.w.N.; derselbe, Umwandlungssteuerrecht n.F., § 18 Rz. 126 Fn. 1).
Fundstellen
Haufe-Index 745493 |
BFH/NV 2002, 993 |
BStBl II 2002, 875 |
BFHE 198, 124 |
BFHE 2003, 124 |
BB 2002, 1407 |
DB 2002, 1303 |
DStR 2002, 1045 |
DStRE 2002, 839 |
HFR 2002, 915 |